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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostindienfahrer; Ostindische Kompanien; Ostītis; Ostĭum; Ostjaken; Ostkap; Ost-Lothian; Ostpreußen

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Ostindienfahrer - Ostpreußen.

ger. Die gefangenen Rebellen wurden vielfach rottenweise mit Kanonen niedergeschossen, zahlreiche Führer hingerichtet, der Scheinherrschaft des Großmoguls ein Ende gemacht. (Vgl. Kaye, History of the Sepoy war, Lond. 1864-80, 3 Bde.)

Für die Verwaltung Indiens ward der Aufstand zum entscheidenden Wendepunkt. Durch Gesetz vom 2. Aug. 1858 wurde dieselbe auf die englische Krone übertragen; der Generalgouverneur nahm den Titel Vizekönig an. Die Ruhe im Land wurde wiederhergestellt. Unter den Mohammedanern dauerte die Gärung allerdings noch einige Zeit fort; so ward 1863 in Patna eine Verschwörung (Patna-Anschlag) entdeckt und im Keim erstickt, und durch strenge Ausnahmegesetze wurden die fanatischen Sekten der Wahabi im Pandschab und Mophla (Mapilla) in Malabar im Zaum gehalten. 1863 mußte ein Krieg gegen Bhutan geführt werden. Doch widmeten sich nun die Vizekönige vorzugsweise der innern Verwaltung und der Regelung des Steuerwesens. Die mehrmals auftretende Hungersnot (1873-74 in Bihar, 1877-78 in Dekhan) raffte viele Menschen dahin, wurde aber von der Regierung nach Möglichkeit gemildert; fast 3 Milliarden Mk. verausgabte sie seit 1873 zur die Linderung derselben und bestimmte 1877, daß besondere Steuerzuschläge erhoben und ihr Ertrag als Hilfsfonds für Hungersnot kapitalisiert werden solle (vgl. Digby, The famine campaign in Southern India, Lond. 1878, 2 Bde.). Die englische Herrschaft befestigte sich unter diesen Umständen immer mehr, wie der glänzende Empfang bewies, den der Prinz von Wales bei seiner Rundreise in O. 1875-76 fand. Durch Parlamentsakte vom 29. April 1876 legte sich die Königin Viktoria den Titel "Kaiserin von Indien" ("Empress of India, Kaiser-i-Hind") bei, und der Vizekönig Lord Lytton verkündete 1. Jan. 1877 in Dehli unter großen Feierlichkeiten die Errichtung des Indischen Kaiserreichs. Im Innern wurde es durch Ordnung seiner Finanzen, Einführung von Zöllen und Organisation seiner Gerichte möglichst selbständig gemacht. Nach außen hin entfaltete es seine Kräfte in den Kriegen mit Afghanistan (s. d., S. 146-147) und Birma, das 1886 mit Indien vereinigt wurde. Sowohl 1877 bei der Bedrohung Konstantinopels durch die Russen als 1882 in Ägypten konnte England indische Truppen verwenden und die Kosten dem indischen Budget zur Last legen. So trug Indien nicht mehr bloß indirekt zum Reichtum und zur Machtstellung Englands bei, sondern beteiligte sich schon direkt an der Verteidigung und Verstärkung der britischen Herrschaft, der es nicht bloß innern Frieden, sondern auch erstaunliche Fortschritte verdankt.

Vgl. Lassen, Indische Altertumskunde (2. Aufl., Leipz. 1866 ff., 4 Bde.); Lefmann, Geschichte des alten Indien (Berl. 1881-85); Fr. Neumann, Geschichte des englischen Reichs in Asien (Leipz. 1857, 2 Bde.); Keightley, Geschichte von Indien (deutsch, 3. Aufl., Lpz. 1874); R. Hunter, The history of India from the earliest ages to the fall of the East India-Company (Lond. 1863); Wheeler, History of India from the earliest ages (das. 1868-76, 4 Bde.); Derselbe, India under British rule (das. 1886); Keene, A sketch of the history of Hindustan (das. 1885); Trotter, History of India under Queen Victoria (das. 1887, 2 Bde.); M. Müller, Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung (deutsch, Leipz. 1884).

Ostindienfahrer, große Handelsschiffe, welche den Warenverkehr von und nach Ostindien vermittelt. Sie sind in der Regel gut bemannt und meistens mit einigen Kanonen ausgerüstet, um sich gegen Seeräuber, welche in manchen Gegenden noch vorkommen, verteidigen zu können.

Ostindische Kompanien, s. Handelskompanien und Ostindien, S. 539 f.

Ostītis, s. v. w. Osteïtis.

Ostĭum (lat.), Eingang, Mündung, Öffnung.

Ostjaken, Volk in Sibirien, ugrisch-finnischen Ursprungs, dessen Verbreitungskreis am untern Ob und Jenissei südlich fast bis nach Tobolsk und Tomsk, nördlich über den 65. Breitengrad hinausreicht, längs des Ob sogar über den 67. Breitengrad sich ausdehnt. Gleichwohl ist ihre Zahl gering, sie wird auf 23,000 geschätzt. Die O. (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 6) sind von mittlerm Wuchs und bei guter Nahrung ebenso kräftig wie die Russen; in der Regel ist die Hautfarbe dunkel und das Haar pechschwarz. Das Hauptbekleidungsstück ist die Chaliza, ein weiter, sackartiger Pelz, der mit der Haarseite nach innen getragen wird. Über diesen ziehen sie im Winter einen bis an die Kniee reichenden Pelz, Parka, mit der Haarseite nach außen und in eine Kapuze endend. Ihre sehr unsaubern Wohnungen bestehen im Norden aus einem mit Birkenrinde oder Fellen bedeckten Stangengerüst, im Süden aus vierseitigen Balkengebäuden, die äußerlich häufig einer russischen Bauernstube gleichen. Sie leben hauptsächlich vom Fischfang und von der Jagd auf Pelztiere. Das Fleisch verzehren sie meist roh, und ein jedes Tier ist ihnen mundrecht; ihre Werkzeuge fertigen sie noch aus Knochen und Stein, wie im Steinzeitalter. Eine den O. eigentümliche Industrie ist die Anfertigung einer vorzüglichen, feinen sowohl als groben Leinwand aus Brennesseln, die bei ihnen mannshoch wachsen. Die Frau wird gekauft und immer als unrein angesehen; trotzdem ist ihre Behandlung bei der Sanftmut der O. keine schlechte. Sie zerfallen in eine Menge Geschlechter oder Stämme, an deren Spitze ein Ältester steht (Starschina), der für Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen hat. Getauft sind sie seit mehr als 100 Jahren; gleichwohl steht das Heidentum in vollster Blüte bei ihnen, ihre Götzenbilder werden in besondern Jurten aufbewahrt. Sie sind militärfrei, entrichten aber der russischen Regierung eine Steuer (Jassok), die früher in Pelzwerk, jetzt in Geld eingefordert wird, die sie aber bei ihrer großen Armut kaum zu zahlen im stande sind, da die Ausbeute der Jagd immer schwieriger und geringer wird. Als die Kosaken Sibirien eroberten, konnten die O. ihnen förmliche Heere entgegenstellen. Sie hatten damals eine nationale Organisation und wohnten in regelmäßig angelegten Städten. Allein bei dem 1501 unternommenen Kriegszug zerstörten die Russen 41 dieser Plätze; man sieht noch heute die Reste einiger derselben im Distrikt Obdorsk. Jetzt wohnen sie in elenden Dörfern, dem Trunk ergeben und an Zahl schnell abnehmend, da die Ehen wenig fruchtbar, die Kindersterblichkeit eine sehr große ist und Hungersnot das Volk oft heimsucht. Die Sprache der O. gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes. Eine Grammatik derselben verfaßte Castrén (2. Aufl. von Schiefner, Petersb. 1858). Vgl. Finsch, Reise nach Westsibirien (Berl. 1876).

Ostkap, Ostspitze Asiens, unter 190° 30' östl. L. v. Gr., an der Beringsstraße.

Ost-Lothian, s. Haddingtonshire.

Ostpreußen (hierzu Karte "Ost- und Westpreußen"), die östliche Hälfte der ehemaligen Provinz Preußen, die von 1878 an eine eigne Provinz bildet, grenzt im N. an die Ostsee und Rußland, im Osten und S. an das russische Polen und im W. an Westpreußen und hat einen Flächenraum von 36,980 qkm (671,63 QM.).