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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Petitioners - Petöfi.

zwar werden nach der bestehenden Praxis solche Petitionen, welche wegen Schlusses der Session keine Berücksichtigung finden konnten, den Petenten zurückgegeben mit der Anheimgabe, dieselben für die nächste Session zu erneuern. Es ist zulässig, aber nicht notwendig, daß eine P. an den Reichstag durch Vermittelung eines Reichstagsabgeordneten eingereicht wird, während es in England Brauch und in Österreich (§ 13 der Geschäftsordnung des Reichsrats) Vorschrift ist, daß eine an die Volksvertretung gerichtete P. durch ein Mitglied der betreffenden Kammer überreicht werden muß. Wie aber den Volksvertretungen einerseits das Recht zusteht, Petitionen entgegenzunehmen, so kann ihnen auch auf der andern Seite die Befugnis nicht abgesprochen werden, sich selbst mit Petitionen an den Souverän zu wenden. Doch ist es hier parlamentarischer Brauch, nicht die Form der P., sondern die der Adresse zu wählen, in welcher die Stände ihre Zustimmung oder ihre Mißstimmung angesichts gewisser Maßregeln der Staatsregierung aussprechen (s. Adresse).

Petitioners (engl., spr. pitíscheners), s. Abhorrers.

Petition of Rights (engl., spr. pitísch'n off reits, ("Bittschrift um Herstellung der Rechte"), die Beschwerdeschrift, welche das englische Parlament 1628 dem König Karl I. überreichte, und in welcher die Forderungen formuliert waren, die das Parlament zur Wiederherstellung und Erhaltung der Freiheiten des englischen Volkes an die Krone stellte. Dieselben verlangten, daß niemand gezwungen werden solle, dem König Abgaben, Darlehen oder Geschenke ohne Bewilligung des Parlaments zu geben; daß niemand willkürlich und ohne Angabe der Ursache verhaftet und gerichtet werden solle; daß niemand durch Einquartierung belästigt werden solle; daß die kriegsrechtlichen Kommissionen aufzuheben seien. Dadurch, daß Karl I. diese Forderungen 7. Juni 1628 bewilligte und zum Gesetz erhob, wurde die P. eins der wichtigsten Grundgesetze der englischen Verfassung, das durch die Habeaskorpusakte und die Declaration of Rights bestätigt und vervollständigt wurde.

Petitio principii (lat.), ein Fehler im Beweis, welcher darin besteht, daß man einen Satz durch einen andern noch zu beweisenden Satz beweisen will. Die P. kann sowohl im Obersatz als im Untersatz liegen. Vgl. Beweis, Schluß.

Petit-loup (franz., spr. p'ti-luh), samtene Halbmaske, die nur die Augen und Nase bedeckt.

Petit-maître (franz., spr. p'ti-mähtr), Stutzer, Zierbengel; Pedant; auch s. v. w. Kleinmeister (s. d.).

Petit mal (franz.), s. Epilepsie, S. 701.

Petitor (lat.), Bittsteller, Bewerber um ein Amt; Kläger in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.

Petitorienklagen (petitorische Rechtsmittel), diejenigen Klagen, wobei es auf das Recht selbst, namentlich auf das Eigentum einer Sache, ankommt, im Gegensatz zur possessorischen Klage, bei welcher es sich bloß um den Besitz, d. h. um die thatsächliche Innehabung einer Sache, oder nur um die einstweilige Ausübung eines Rechts handelt.

Petitot (spr. p'titoh), Emile, Missionär der Eskimo, geb. 3. Dez. 1838 zu Grancey le Château (Côte d'Or), studierte in Marseille, wurde 1862 als Priester ordiniert und ging dann sogleich als Missionär nach dem nordwestlichen Kanada, wo er am Sklavensee und bei dem Fort Good Hope unter dem Polarkreis mit kurzer Unterbrechung bis 1878 unter den Indianern wirkte. Bis 1873 durchforschte er das Gebiet des Mackenzie samt dem dortigen ausgedehnten Seengebiet bis zum Meer, entdeckte mehrere neue Seen und verfaßte eine Anzahl von Werken, deren Druck er während eines 18monatlichen Aufenthalt in Paris überwachte. Die bedeutendsten sind: "Dictionnaire Dènè-Dindjié avec grammaire, etc."; "Vocabulaire esquimau"; "Monographie des Dènè-Dindjié"; "Monographie des Esquimaux tchiglit" (Par. 1876) sowie in Zeitschriften Beschreibungen der durchreisten Länder mit Berücksichtigung der geologischen Beschaffenheit derselben. Nachdem er bis 1883 im Saskatschewandistrikt gewirkt hatte, kehrte er nach Frankreich zurück, wo er seitdem eine große Anzahl von Schriften veröffentlicht hat, darunter "Traditions indiennes" (Par. 1886), "Textes originaux et traduction littérale" (das. 1886), "Les Grands Esquimaux" (das. 1887) u. a.

Petit-Quevilly, Le (spr. p'tikewiji), Flecken im franz. Departement Niederseine, Arrondissement Rouen, links an der Seine, südwestliche Vorort von Rouen, durch Eisenbahn mit dieser Stadt verbunden, hat zahlreiche Etablissements der Rouener Industrie, namentlich Baumwollspinnerei, u. (1886) 10,273 Einw.

Petit salé (franz., spr. p'ti ssalé), franz. Nationalgericht, frisch gesalzenes Schweinefleisch, das als Beilage zu Gemüsen gegeben wird.

Petitscher Kanal, s. Auge, S. 75.

Petits fours (spr. p'ti fuhr), kleines Backwerk zu Dessert oder Thee.

Petits frères (franz., spr. p'ti frähr), die "Brüder des christlichen Unterrichts" in Frankreich.

Petit Tournois (spr. p'ti turnoa), franz. Silbermünze, welche Philipp der Schöne zuerst 1310 prägen ließ, à 15, 10 und 6 Sous, wurde bald so schlecht, daß die Annahme bei Todesstrafe befohlen werden mußte.

Petitum (lat.), das in einer Klage, einer Eingabe an eine Behörde gestellte Gesuch.

Petöfi (spr. pétöfi), Alexander, berühmter ungar. Dichter, geb. 1. Jan. 1823 zu Kis-Körös im Pester Komitat, wo sein Vater Stephan Petrovics ein wohlhabender Fleischhauer war, besuchte die Schulen in Kecskemét, Gyönk, Pest u. a. O. und ging 1838 nach Schemnitz, um das Gymnasium zu besuchen, verließ jedoch die Bergstadt mitten im Schuljahr und begann ein mehrjähriges Wanderleben, in welchem wir ihn bald als Schauspieler, bald als Soldaten, bald wieder als Studenten (in Papa) finden. 1842 erschien sein erstes Gedicht: "A borozó" ("Der Weintrinker"), im "Athenaeum" gedruckt und noch mit "Petrovics" unterzeichnet. Die erste Sammlung seiner Gedichte (Ofen 1844) begründete seinen Namen als Dichter. Von nun an entfaltete er seine wunderbare Produktivität als Lyriker und versuchte sich auch im Roman mit "A hóhér kötele" ("Der Strick des Henkers") sowie im Drama, doch in beiden letztern Gattungen ohne Erfolg. Unter allen Verhältnissen seines bewegten Jugendlebens an seiner Bildung arbeitend, studierte er die moderne Litteratur, lernte deutsche, englische und französische Dichter im Original lesen und übersetzte unter anderm Shakespeares "Coriolan" (Pest 1848), welches Drama seitdem im ungarischen Nationaltheater in Petöfis Übersetzung aufgeführt wird. Mit begeisterungsvollem Eifer beteiligte er sich an der Revolution von 1848, deren Vorgefühl sich schon in einigen seiner frühern Gedichte kundgegeben hatte. Am 15. März 1848 veröffentlichte er das Lied "Talpra, Magyar" ("Auf, Magyar"), das in jener Zeit allgemein gesungen wurde, und mit dem er eine längere Reihe revolutionärer Lieder eröffnete. Im September 1848 trat er in die Honvedarmee, diente unter Bem und zeichnete sich bei mehreren Gelegenheiten durch Tapferkeit aus.