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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Pflanzenkrankheiten - Pflanzenseiden

Pflanzenkrankheiten, alle abnormen Veränderungen der Pflanzen, die in der äußern Form oder im innern Bau und in den Ernährungsvorgängen eintreten. Dieselben rühren entweder von der Einwirkung pflanzlicher Parasiten her, oder sie entstehen durch den Eingriff von Tieren, oder endlich infolge ungeeigneter Boden- und Feuchtigkeitsverhältnisse, mangelhafter Beleuchtung, mechan. Verletzungen u. dgl. Bei allen P. handelt es sich zunächst darum, die Ursachen derselben aufzudecken, und es ist dies naturgemäß die erste Aufgabe der Lehre von den P. oder der Pflanzenpathologie oder Phytopathologie. Ferner ist es von größter Wichtigkeit, die Symptome, unter denen die P. auftreten, genau zu untersuchen, weil man in vielen Fällen aus den Symptomen auf die Ursachen schließen kann.

Durch Verwundungen werden häufig mancherlei Mißbildungen hervorgerufen, besonders bei Bäumen und strauchartigen Pflanzen; hier treten teils Überwallungserscheinungen auf, teils wird durch lebhafte neue Sproßbildung und ähnliche Vorgänge die Verzweigungsart der betreffenden Partien bedeutend geändert, auch kommt es häufig vor, daß infolge jener lebhaften Sproßbildungen große Wülste und Auswüchse an den Stämmen entstehen, wie dies z. B. an den sog. Kopfhölzern, deren Zweige in regelmäßigen Zwischenräumen entfernt werden, auftritt. Am häufigsten finden Verletzungen an Holzpflanzen durch Wind und Schnee statt, nicht selten aber auch durch Blitzschlag, durch die Einwirkung von Tieren sowie durch die Hand der Menschen. Unter den Tieren, die schädlichen Einfluß haben, sind besonders zu nennen: die Borkenkäfer, die Reblaus, der Coloradokäfer, verschiedene Gallwespen u. s. w. (S. die Einzelartikel.) Auch manche Nagetiere, wie die Mäuse, können beträchtlichen Schaden anrichten, ebenso auch das Wild, sowohl durch das Verbeißen junger Bäume als auch durch Zerstörung von Saaten.

Durch Menschenhände werden besonders häufig Verletzungen an gewissen Bäumen und Sträuchern hervorgerufen, aus denen Harze und ähnliche Stoffe gewonnen werden. Dadurch wird, da die Wunden allmählich wieder überwallen, die Form der Baumstämme geändert; häufig auch treten dabei Fäulniserscheinungen des Holzes auf.

Zahlreiche P. werden durch abnorme Licht- oder Temperaturverhältnisse hervorgerufen, dahin gehört unter andern das sog. Vergeilen oder Etiolieren (s. d.), ferner das Erfrieren (s. Frostschaden). Auch allzu starke Erwärmung, besonders bei Feuchtigkeitsmangel, verursacht leicht ein Welken und schließlich Absterben der Pflanzen. Die Beschaffenheit des Bodens kann ebenfalls mannigfache abnorme Veränderungen hervorrufen; so ist der Mangel gewisser Nährstoffe im Boden für viele Pflanzen verderblich, ein zu geringer Gehalt an Nährstoffen überhaupt erzeugt eine zwerghafte Entwicklung, die man als Zwergwuchs oder Nanismus bezeichnet. Ein sehr fruchtbarer Boden kann leicht Fäulnis der Wurzeln hervorrufen. Auf die Bodenbeschaffenheit lassen sich in vielen Fällen auch die sog. Mißbildungen (s. d.) zurückführen.

Von allgemeinerm Interesse sind die durch pflanzliche Parasiten (s. d.) hervorgerufenen P. Die hierher gehörige Tafel: Pflanzenkrankheiten, Fig. 1‒9 zeigt die wichtigsten derselben. Es sind die verschiedenen Erreger des Getreidebrandes (s. Brand des Getreides und Fig. 1‒3), des ↔ Mutterkorns (s. d. und Fig. 4), des Getreiderostes (s. Puccinia und Fig. 5), der Traubenkrankheit (s. d. und Fig. 6), der Kartoffelkrankheit (s. d. und Fig. 7), des Blattschorfes (s. d. und Fig. 8), der Hungerzwetschen (s. Exoascus und Fig. 9). Außerdem sind wichtige P. die Rotfäule (s. d.), der Erdkrebs (s. d.), der Ritzenschorf (s. Hysterium), die Kohlhernie (s. Plasmodiophora) u. a. Die Gegenmittel gegen diese kryptogamischen Krankheitserreger sind verschieden, als allgemein wirksam, dazu auch noch gegen Raupen, Schnecken, Blatt- und Blutläuse u. s. w., wird neuerdings ein von Souheur in Antwerpen erfundenes und mehrfach preisgekröntes Pulver empfohlen, Kupfervitriol-Specksteinmehl, Fostite genannt, das mit besonders dazu konstruierten Apparaten auf den Pflanzen verstäubt wird und auch vorbeugend wirken soll.

Um die Erforschung der bedeutsamen P. zu fördern und die Untersuchungsergebnisse den Interessenten zugänglicher zu machen, wurde 1890 eine internationale phytopathologische Gesellschaft gegründet und die Errichtung von phytopathologischen Versuchsstationen angeregt. Zu demselben Zweck wird seit 1891 die «Zeitschrift für P.» (1. bis 4. Jahrg., Stuttg. 1891‒94) herausgegeben.

Aus der Litteratur über Pflanzenpathologie und P. sind zu nennen: Meyen, Pflanzenpathologie (Berl. 1841); Sorauer, Handbuch der P. (ebd. 1874; 2. Aufl., 2 Tle., 1885‒87); Hartig, Wichtige Krankheiten der Waldbäume (ebd. 1874); Frank, Die Krankheiten der Pflanzen (Bresl. 1880; 2. Aufl. 1894); Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten (Berl. 1882).

Pflanzenkunde, s. Botanik.

Pflanzenläuse (Phytophtires), eine Unterordnung der Schnabelkerfe, nur kleine, an Pflanzen schmarotzende Arten umfassend. Der Saugrüssel ist mit der Vorderbrust verwachsen. Die P. haben 4, seltener 2 ihrer ganzen Länge nach gleichartige, dünnhäutige Flügel, die in der Ruhe dem Körper dachartig aufgelagert sind; besonders die Weibchen sind häufig flügellos. Man unterscheidet Blattflöhe, Blattläuse und Schildläuse. (S. diese Artikel.)

Pflanzenleim, der in Alkohol lösliche Anteil des Klebers (s. d.).

Pflanzenmischlinge, s. Bastardpflanzen.

Pflanzenpaläontologie (Phytopaläontologie), s. Paläontologie.

Pflanzenpapier, ostindisches, ein als Ersatz für das Englische Pflaster in der Pharmacie verwendetes Pflasterpapier. Es wird erhalten durch Bestreichen von feinstem Velinpapier mit einer Lösung von Gelatine in Wasser unter Zuckerzusatz.

Pflanzenpathologie, die Lehre von den Pflanzenkrankheiten (s. d.).

Pflanzenphysiologie, s. Physiologie (botan.).

Pflanzenreich, s. Pflanzen.

Pflanzenschere, s. Gartengeräte (Bd. 7, S. 556 a).

Pflanzenschlaf, s. Pflanzenbewegung.

Pflanzenschleim, in den Pflanzen, besonders in der Oberhaut vieler Samen vorkommende Stoffe, welche den Gummiarten nahe stehen, aber mit Wasser nur aufquellen und nicht filtrierbar sind.

Pflanzenseiden, vegetabilische Seiden, die in der Technologie verwendeten glänzendweißen Samenhaare außer der Baumwolle. Sie entstammen zumeist den Asklepiadeen (s. Asclepias und Calotropis), hier besonders der afrik.-ind. Calotropis gigantea R. Br. (Mudar). Auch die zu den Apo-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 63.