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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Phänomenologie – Phantom

Anteil der Sinnlichkeit an der Erkenntnis beruht und darum im Gegensatz zum Noumenon die sensible Welt darstellt.

Phänomenolŏgie (grch.), die Lehre von den Erscheinungen. In einem engern Sinne bezeichnete Hegel damit die Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen des Bewußtseins.

Phantasie (grch.) oder Einbildungskraft, Name für eine große Anzahl von psychischen Vorgängen, in denen die Erzeugung sinnlicher Bilder das Gemeinsame bildet. Faßt man das Wort in allgemeinster Bedeutung, so gehört darunter schon die ursprüngliche Bildung aller unserer Wahrnehmungen, insofern dabei aus den Elementen der Empfindung zusammenhängende Anschauungen gebildet werden. Diese Art der P. ist, da sie zu bewußten Objektvorstellungen führt, als appercipierende P. zu bezeichnen. Eine zweite Thätigkeit der P. ist die Wiedererzeugung der Bilder vergangener Wahrnehmungen. Dies ist die sog. reproduktive P. Sie fällt zusammen mit der Erinnerungsthätigkeit, insofern darunter ein neues Bewußtwerden der in der Seele auf unbewußte Art aufbewahrten Gedächtnisspuren verstanden wird. Erzeugen sich hingegen aus den durch das Gedächtnis aufbewahrten Spuren neue Bilder und Bildergruppen, so heißt diese Thätigkeit schöpferische oder produktive P. Man unterscheidet außerdem die anschauliche und die kombinierende P., je nachdem die Fähigkeit überwiegt, Vorstellungen von sinnlicher Lebhaftigkeit zu bilden, oder die andere, sie mannigfaltig zu verknüpfen. Ferner redet man von einer analytischen und synthetischen P. bei der künstlerischen Thätigkeit und beim Genießen und Würdigen eines Kunstwerkes. Herrscht dort die Richtung vom Ganzen zu den Teilen vor, so entsteht auf synthetischem Wege erst das Ganze durch die successive Aneinanderreihung der Einzelheiten. Das Höchste, was die P. hervorbringen kann, leistet sie in der Kunst. In den bildenden Künsten schließt sie sich am engsten an die sinnliche Anschauung an, aus der sie ihre Stoffe entlehnt. In der Musik tritt das die bildnerische P. in Thätigkeit versetzende Gefühl vorherrschend hervor. In der Dichtkunst halten beide Elemente einander das Gleichgewicht, wobei der Gedanke als Herrscher und Ordner über beiden seine Gewalt aufs höchste steigert. Die fortwährende Verschmelzung der Bilder und Gefühle in der Poesie kündigt sich durch die sinnliche Anschaulichkeit der bilderreichen, d. h. in Gleichnissen sich bewegenden Sprache an. Wenn die Erzeugnisse der produktiven P. den Boden der Wirklichkeit so weit verlassen haben, daß sie darauf gar nicht mehr denkbar erscheinen, so nennt man sie phantastisch. Der Wert der P. für die ästhetischen Untersuchungen ist namentlich von den deutschen Romantikern, wie Schelling, Solger u. a., betont worden-. J. G. Fichte betrachtete die P. als das schöpferische Grundprincip des gesamten geistigen Lebens, und in neuerer Zeit hat Frohschammer («Die P. als Grundprincip des Weltprozesses», Münch. 1877) den Versuch gemacht, die P. zum metaphysischen Kardinalbegriff zu erheben. – Vgl. Ölzelt-Newin, über Phantasievorstellungen (Graz 1889); Schmidkunz, Analytische und synthetische P. (Halle 1889).

In der Musik heißt P. eine Komposition, in welcher der Tonsetzer weder auf eine bestimmte Form noch auf eine ganz genau zusammenhängende Ordnung der musikalischen Gedanken Rücksicht nimmt. Bindet er sich weder an ein gewisses Thema noch an Takt und Rhythmus, so nennt man die P. frei; gebunden hingegen, wenn eine bestimmte Taktart zu Grunde liegt und in allen Teilen eine gewisse Einheit beobachtet wird, wie in Mozarts C-moll-Fantasia.

Phantasieblumen, s. Blumen, künstliche (Bd. 3, S. 149 a).

Phantasieren, die von Laien gebrauchte Bezeichnung für Delirieren. (S. Delirium.)

P. heißt auch, über ein beliebiges Thema seine Empfindungen, wie die Einbildungskraft sie augenblicklich eingiebt, auf einem Instrument (namentlich auf der Orgel und dem Pianoforte) vortragen.

Phantasiesteine, im Edelsteinhandel geschliffene, lebhaft gefärbte Steine, wie sie in neuester Zeit wieder in ausgedehnterm Maße zur Verzierung feinerer Schmuckwaren verwendet und besonders in Paris gehandelt werden. Der Diamant wird zu den P. gerechnet, wenn er eine sehr ausgesprochene, schöne (am häufigsten weingelbe) Farbe besitzt. Als P. im weitern Sinne sind außerdem folgende zu betrachten, die aber meist unter ihrem eigenen Namen einzeln gehandelt werden: Rubin, blauer Saphir, gelber Saphir, Smaragd, Alexandrit, Euklas, echter Topas (der Topas des Handels ist fast ausnahmslos Citrin oder geglühter Amethyst), Hiddenit, Aquamarin, Chrysolith und Demantoid. Namentlich gilt dies von den im Handel häufigsten Steinen Rubin, Saphir, Smaragd. Im engern Sinne heißen P. farbige Steine, die in Partien, ohne Angabe der mineralog. Natur der einzelnen Exemplare, im Großhandel verkauft werden und meist aus sehr verschiedenen Mineralien bestehen, wie sie sich zufällig zusammen in den edelsteinführenden Sanden, namentlich auf Ceylon, finden. Am häufigsten befinden sich darunter folgende Mineralien: Spinell in allen Farben, besonders rot, violett, auch blau und grün; Zirkon, besonders braun und rot (der tief rot gefärbte Hyacinth wird besonders verkauft zu 60‒80 M. das Karat; doch ist echter Hyacinth sehr selten, die meisten so bezeichneten Steine des Handels sind Granat); Chrysoberyll, grün und gelb. Seltener kommen darin vor: Turmalin in allen möglichen Farben; Beryll, grün und blau; Korunde mit weniger ausgesprochenen Farben; Andalusit, braun, und Granat in verschiedenen roten Nuancen. Geschliffen werden die P. meist im Jura, in geringerer Menge in Oberstein.

Phantasma (grch.), Phantasiebild, Scheinbild, Trugbild. (S. Sinnestäuschungen.)

Phantasmagŏrie (grch.), die Darstellung von Scheinbildern, z. B. menschlichen Gestalten, durch optische Mittel; auch soviel wie Nebelbild (s. d.).

Phantasmen, Mehrzahl von Phantasma (s. d.).

Phantăsos, in der Mythologie der Griechen und Römer ein Sohn des Schlafs, der die Traumbilder der Menschen durch seine Verwandlungen bewirkte.

Phantást (grch.), ein Mensch, der sich von den Eingebungen seiner lebhaften Phantasie (s. d.) leiten läßt, phantastisch veranlagt ist.

Phantastisch, s. Phantasie.

Phantăsus, Schriftstellername von Maximilian Joseph (s. d.), Herzog in Bayern; auch Titel einer Erzählungensammlung von Tieck.

Phantōm (grch.), Scheinbild, in der Medizin zu Lehrzwecken künstlich nachgebildete Körperteile, an denen Operationen eingeübt werden, zu deren Einübung nicht Leichname benutzt werden können. In der Geburtshilfe dient hierzu ein mit Leder über-^[folgende Seite]