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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Polypragmatisch - Polytechnik.

seitliche Stiele in einen gemeinsamen Stiel verwachsen sind, wächst auf Wurzeln und Stämmen, besonders der Eichen, im Herbst; ist ebenfalls eßbar. P. tuberaster Fr. (Tuberaster), mit fleischigem, erst flachem, dann trichterförmigem gelblichem, mit filzigen Schüppchen besetztem und in der Mitte mit kurzem, festem Stiel versehenem Hut und weißlichen Poren, wächst in den Gebirgen Mittel- und Süditaliens, wo er eine sehr beliebte Speise ist. Man kultiviert diesen Schwamm; das Mycelium, welches die Erde durchzieht, verbindet diese zu einer festen, einem Tuffstein ähnlichen Masse, welche pietra fungaja genannt und als Saatgut verwendet wird. Solche Pilzsteine bringen, warm und feucht gehalten, mehrere Jahre lang alle 2-3 Monate neue Schwämme hervor, können auch trocken aufbewahrt werden, ohne ihre Fruchtbarkeit einzubüßen. Von den holzig harten, vieljährigen, mit halbierten, an der Seite stiellos angewachsenen Hüten versehenen Arten liefert P. fomentarius Fr. (Boletus fomentarius L., echter Feuerschwamm, Zunderschwamm, Buchenschwamm), fast dreiseitig, hufförmig, rauchgrau oder aschgrau, kahl, mit dicker, harter Rinde, innen weichflockig und gleich den langen und engen, mehrere Schichten bildenden Poren rostbraun, an den Stämmen der Laubbäume, besonders der Buchen, den besten Zunder. Zur Bereitung des letztern wird der Pilz von Rinde und Röhren befreit, in ein Gefäß mit heißem Wasser, Asche und Salpeter gelegt, nach mehreren Wochen herausgenommen, getrocknet und mit Holzkeulen so lange geschlagen, bis er ganz locker geworden ist. Der Zunder dient, weil er leicht Feuer fängt und langsam fortglimmt, zum Feueranmachen; auch benutzt man ihn in der Chirurgie (Agaricus chirurgorum) als blutstillendes Mittel. Der meiste Zunderschwamm kommt von Neustadt am Rennstieg im Thüringer Wald, aus Böhmen, Süddeutschland, der Schweiz, Siebenbürgen, Pommern und Schweden. P. igniarius Fr. (Boletus igniarius, Weidenschwamm), mit dickem, sehr hartem, rostbraunem, später braunschwärzlichem Hut und grauen, später zimtbraunen Poren, gemein an den Stämmen verschiedener Laubbäume, besonders der Weiden, und P. pinicola Fr. (Fichtenschwamm), mit rotgelb schwärzlichem, im Alter am Rand rotem Hut und blaßgelben Poren, besonders an Fichtenstämmen, liefern einen geringern Zunder. P. officinalis Fr. (Lärchenschwamm), sehr unregelmäßig, unförmlich, meist mehrere Hüte verwachsen, daher von verschiedener Größe, fleischig-korkig, konzentrisch gefurcht, kahl, weiß, mit harter, rissiger Rinde und kurzen, feinen, gelblichen Poren, an Lärchenstämmen im subalpinen Südeuropa, in Nordrußland und Sibirien, schmeckt anhaltend und intensiv bitter und findet wegen seiner reizenden, drastisch-purgierenden Wirkung medizinische Anwendung (Agaricus albus, Boletus laricis). Ausgeführt wird er aus der Schweiz, aus Frankreich und besonders aus dem nördlichen Rußland, wo er hauptsächlich in den Lärchenwäldern des Dorfs Sojena im Pinegaschen Kreis gesammelt, alljährlich in großen Quantitäten nach Archangel gebracht und von hier aus ins Ausland verschifft wird.

Polypragmatisch (griech.), vielgeschäftig; Polypragmosyne, Vielgeschäftigkeit.

Polyptoton (griech.), Redefigur, bestehend in der Wiederholung desselben Wortes in verschiedenen Kasus oder Flexionsformen, z. B.: "wo Mensch dem Menschen gegenübersteht".

Polyptychon (griech.), eine aus mehreren Blättern bestehende Schrift; P. ecclesiasticum, in der alten Kirche Verzeichnis der Kirchengüter, der Schenkungs- und Kaufbriefe etc., z. B. das wichtige P. des Abtes Irminon von St.-Germain des Prés aus dem 9. Jahrh. (hrsg. von Guérard, Par. 1836-44, 3 Bde.).

Polysarkie (griech.), Beleibtheit, Fettsucht.

Polyspást (griech., "Vielzieher") s. v. w. Flaschenzug.

Polyspérchon, Feldherr Alexanders d. Gr., ein Ätolier, kämpfte als Phalangenführer bei Issos und bei Gaugamela, folgte Alexander nach Baktrien und Indien und kehrte 324 mit Krateros und den Veteranen nach Makedonien zurück. Als sich nach Alexanders Tod Antipatros durch Antigonos zu seinem Zug nach Asien bestimmen ließ, blieb P. als Befehlshaber in Makedonien zurück. Antipatros ernannte ihn sterbend zum Reichsverweser und zu seinem Nachfolger in Makedonien (319). Hier trat ihm jedoch des Antipatros Sohn Kassandros entgegen, der mit Antigonos und Ptolemäos ein Bündnis schloß und in den hellenischen Staaten die Oligarchen für sich gewann. P. begünstigte dagegen die unterdrückten demokratischen Parteien und lud die Königin Olympias, die Feindin des Kassandros, zur Rückkehr nach Makedonien ein. Indes konnte er sich trotzdem nicht in Griechenland behaupten und kehrte 317 mit Olympias nach Makedonien zurück. Nachdem Kassandros aber 315 dieselbe in seine Gewalt bekommen hatte, sah sich P. zur Flucht nach Ätolien genötigt. Später von Antigonos zum Strategen des Peloponnes ernannt, faßte er den Plan, sich eine selbständige Herrschaft zu gründen, rückte 310 gegen Makedonien vor und ließ sich durch Kassandros überreden, Herakles, den letzten männlichen Sprößling des makedonischen Königshauses, aus dem Weg zu räumen, verlor jedoch durch diese Blutthat alles Ansehen und mußte sich mit Lokris begnügen, wo er nach 303 in Vergessenheit starb.

Polyspérmus (griech.), vielsamig, viele Samen in einer Frucht enthaltend.

Polysporogonie (griech.), s. v. w. Keimknospenbildung.

Polystylon (griech.), vielsäuliges Gebäude.

Polysulfurete, s. Schwefelmetalle.

Polysyllabum (griech.), vielsilbiges Wort.

Polysyndeton (griech.), s. Asyndeton.

Polysynthetisch (griech.), vielfach zusammengesetzt, viel verbindend.

Polysynthetismus (griech.), das einverleibende Prinzip des Sprachenbaues. Hiermit bezeichnet man seit W. v. Humboldt und Pott die Eigentümlichkeit gewisser Sprachen (namentlich derjenigen der amerikanischen Eingebornen), den Unterschied zwischen Wort und Satz aufzuheben, indem sie Subjekt, Objekt und adverbiale Bestimmungen mit dem Verbum zu einem Wort verschmelzen. So sagt der Mexikaner mit Einem Wort: "Ich-Fleisch-esse", statt: "Ich esse Fleisch"; in der Sprache der Indianer von Massachusetts wird aus dem ganzen Satz: "Er fiel auf die Kniee nieder und betete ihn an" ebenfalls ein einziges Wort, das freilich aus elf Silben besteht; im Odschibwä kann ein Verbum 200,000 Modifikationen erfahren, wodurch es die verschiedensten Bedeutungen erhalten kann, welche in neuern Sprachen nur durch Beifügung andrer Wörter sich wiedergeben lassen. Von den Sprachen andrer Weltteile ist namentlich im Baskischen der P. herrschend. Vgl. Sprache und Sprachwissenschaft.

Polytéchnik (griech.), Inbegriff der Kenntnisse, welche zur gehörigen Betreibung der verschiedenen Künste und Gewerbe notwendig sind. Diese Kenntnisse erwerben die eine höhere Ausbildung anstreben-^[folgende Seite]