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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Polytechnikum; Polythalamien; Polytheïsmus; Polytrichaceen; Polytrichum

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Polytechnikum - Polytrichum.

den Gewerbtreibenden in den polytechnischen Schulen oder Instituten (s. Polytechnikum). Polytechnische Vereine und Gesellschaften suchen die Resultate der Wissenschaft für die Praxis direkt nutzbar zu machen, und die polytechnischen Journale oder Gewerbezeitungen besprechen alle neuen Erfindungen und Verbesserungen.

Polytechnikum (griech.), älterer Name der technischen Hochschulen ("polytechnischen Schulen"), der auch durch diese neuere amtliche Bezeichnung nicht völlig verdrängt worden ist. Bis zum Ende des 18. Jahrh. gab es zwar unter allen gebildeten Völkern Europas stets eine Anzahl hervorragender Ingenieure, Architekten, technischer Erfinder; aber dieselben hatten entweder eine militärische oder eine künstlerische oder eine allgemein gelehrte Bildung erhalten und sich von diesen verschiedenen Anfängen aus ihrem besondern Beruf zugewandt, oder sie waren in noch engerm Sinn Autodidakten, die, sei es aus den niedern Stufen des Bau- und sonstigen Handwerks, sei es aus ganz fern liegenden Berufskreisen, sich zu einer höhern technischen Bildung emporgearbeitet hatten. Mit der wachsenden Wichtigkeit der Technik für das Staats- und Kulturleben lag die Veranlassung vor, besondere Vorbildungsanstalten ins Leben zu rufen. Der erste entscheidende Schritt ward mit der 1794 erfolgten Gründung der polytechnischen Schule (école polytechnique) zu Paris gethan, einer der wenigen großen Schöpfungen der Revolution auf dem Gebiet geistiger Bildung, die sich unerschüttert erhalten haben (vgl. Pinet, Histoire de l'école polytechnique, Par. 1886). Die Organisation der Pariser polytechnischen Schule ward insofern für die weitere Entwickelung maßgebend und bedeutungsvoll, als sich diese Anstalt zwar auf die Ausbildung für den höhern technischen Staatsdienst beschränkte und für die letzte Fachausbildung ihre Studierenden an besondere Fachschulen (école des ponts et des chaussées, école des mines etc.) abgab, aber die höchsten Anforderungen an die allgemein wissenschaftliche (namentlich mathematische) Bildung derselben stellte und erfüllte. Die nächsten "polytechnischen Institute" entstanden in Österreich und zwar zu Prag (1806) und Wien (1815). In Preußen war bereits 1799 die königliche Bauakademie zu Berlin begründet, der 1821 unter Ch. W. Beuths Einfluß das technische Institut daselbst (1827 Gewerbeinstitut, 1866 Gewerbeakademie) ergänzend zur Seite trat. Beide wurden 1879 zur technischen Hochschule vereinigt. Zwischen 1825 und 1850 entstand in den deutschen Mittelstaaten eine Reihe technischer Bildungsanstalten, welche, von der Forderung des Augenblicks gedrängt, den mittlern gewerblichen Unterricht mit der höhern technisch-wissenschaftlichen Bildung zu vereinigen strebten und dadurch die Entstehung wirklicher technischer Hochschulen zwar aufhielten, aber anderseits die bessere Vorbildung der leitenden Techniker aller Zweige wesentlich förderten und auf den Grenzgebieten den wissenschaftlichen Hochschulen erfolgreich in die Hände arbeiteten. So entstanden die polytechnische Schule zu Karlsruhe, die technische Bildungsanstalt zu Dresden, die "höhern Gewerbeschulen" zu Darmstadt und Hannover, die polytechnischen Schulen zu Augsburg, München, Nürnberg, Stuttgart, bei denen allen mehr oder minder eine gewisse Tendenz, sich der eigentlich akademischen Leistung und Organisation anzunähern, früh hervortrat, aber freilich jahrzehntelang mit Hindernissen und schwankenden Ansichten der leitenden Kreise zu kämpfen hatte. Die erste dieser Anstalten, die zur Organisation und zur Bedeutung eines wirklichen Polytechnikums einen raschen Anlauf nahm, war die polytechnische Schule zu Karlsruhe, die durch ihre Einrichtung von 1832, vor allem aber durch Redtenbachers (Professor in Karlsruhe 1841, Direktor 1857-63) bahnbrechende Wirksamkeit den Standpunkt einer höhern Gewerbeschule hinter sich ließ. Noch entscheidender für die Weiterentwickelung ward die 1856 erfolgte Eröffnung des Eidgenössische Polytechnikums zu Zürich. Nicht nur durch die Gewinnung einer Reihe hochbedeutender Lehrkräfte, sondern auch durch die ganze Organisation, durch die Stellung, welche den mathematischen und Naturwissenschaften in den Studienplänen der einzelnen Fachschulen gegeben war, endlich durch die Errichtung einer philosophisch-staatswirtschaftlichen Abteilung, die, für die allgemeine Bildung aller Studierenden bestimmt, den künftigen Ingenieuren, Architekten, Chemikern die Vorteile bieten sollte, welche die philosophische Fakultät der Universitäten für die allgemeine Bildung aller Studierenden eröffnet, stellte die Schweiz das erste Muster einer deutschen technischen Hochschule in freier Anlehnung an das Vorbild der deutschen Universitäten auf. Nach und nach sind diesem Vorgang alle deutschen polytechnischen Anstalten gefolgt und haben sich auf diese Weise immer mehr dem angenähert, was man heute unter einer technischen Hochschule versteht. Als einflußreiche Vorgänge in dieser Entwickelung sind namentlich hervorzuheben die Vereinigung der frühern drei bayrischen polytechnischen Schulen zu einer technischen Hochschule in München (1868) und die bereits erwähnte Vereinigung der beiden Berliner technischen Akademien in der dortigen Hochschule (1879) sowie die im Anschluß daran erfolgte Umgestaltung der polytechnischen Schulen zu Hannover und zu Aachen zu Anstalten desselben Ranges. Näheres über die gegenwärtige Einrichtung und den Bestand der neun deutschen Anstalten (Berlin, Hannover, Aachen, München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, Braunschweig) und der sieben österreichisch-ungarischen (Wien, Prag [deutsch und tschechisch], Brünn, Graz, Lemberg, Budapest) s. unter Technische Hochschulen.

Polythalamien, s. Rhizopoden.

Polytheïsmus (griech., Vielgötterei), der Glaube an mehrere Götter. Sofern dieselben als Personen mit eigentümlichem geistigen und sittlichen Gehalt gedacht und unter sich in einen Zusammenhang gebracht werden, steht der P. bereits über dem bloßen Fetischismus, welcher das Göttliche in ein beliebiges äußerliches Ding verlegt, auch über der Verehrung der Elemente und Naturkräfte und über dem Animismus oder dem rohen Geister- und Gespensterglauben. Einer spekulativen Auffassung nähert er sich als Dualismus oder Annahme zweier göttlicher Grundwesen. Bei seiner weitern Entwickelung geht der P. naturgemäß in Monotheismus (s. d.) über.

Polytrichaceen (griech.), Familie der Laubmoose, s. Moose, S. 792.

Polytrichum L. (Widerthon, Haarmoos), Laubmoosgattung der akrokarpen Moose, charakterisiert durch eine langgestielte, mit Deckel aufspringende, vier- oder sechsseitige Kapsel, deren einfaches Peristom aus kurzen, durch ein Epiphragma verbundenen Zähnen besteht, durch eine Apophyse an der Basis der Kapsel und durch eine dicht behaarte Haube. Die Geschlechterverteilung ist zweihäusig; die männlichen Blüten sind endständig, scheibenförmig, werden vom Stengel durchwachsen. Die ungefähr 13 Arten sind meist ansehnlich, wachsen auf der Erbe gesellig und