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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Robinson; Robinsonaden; Robinson Crusoe

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Robinson - Robinson Crusoe.

Robinson, 1) Sir Frederick John, brit. Staatsmann, s. Ripon.

2) Edward, amerikan. Gelehrter, geb. 10. April 1794 zu Southington in Connecticut, wurde Lehrer der Mathematik und der griechischen Sprache zu Clinton bei New York, zog sich aber 1818 auf die Besitzungen seiner Gattin zurück. Nach deren Tod widmete er sich seit 1821 zu Andover in Massachusetts dem Studium der Theologie, seit 1826 zu Paris, Halle und Berlin dem der biblisch-orientalischen Sprachen. In Halle verheiratete er sich mit R. 3), bereiste Deutschland, Frankreich, Italien, die Schweiz und kehrte 1830 nach Andover zurück, wo er Professor und Bibliothekar wurde. Von 1833 bis 1837 lebte er in Boston, sodann ward er Professor der Theologie am Seminar zu New York. 1838 und 1852 unternahm er von hier aus Reisen nach Ägypten, der Sinaihalbinsel und Palästina. Er starb 27. Jan. 1863 in New York. Die epochemachenden Ergebnisse seiner Reisen ins Morgenland hat er niedergelegt in "Biblical researches in Palestine" (Lond. u. New York 1841, 3 Bde.; 3. Aufl. 1867; deutsch, Halle 1841, 3 Bde.), einem von der Geographischen Gesellschaft zu London mit der goldenen Preismedaille gekrönten Werk, und in den "New researches" (New York 1856; deutsch, Berl. 1857). Aus seinem Nachlaß erschien zur Ergänzung dieser Schriften deutsch: "Physische Geographie des Heiligen Landes" (Leipz. 1865).

3) Therese Albertine Luise, als Schriftstellerin unter dem Namen Talvj (den Anfangsbuchstaben ihres Namens T. A. L. v. J.) bekannt, geb. 26. Jan. 1797 zu Halle, Tochter des Professors L. H. v. Jakob (s. d.) daselbst, verbrachte ihre Jugend mit ihren Eltern in Rußland, verheiratete sich 1828 mit dem vorigen, folgte demselben 1830 nach Amerika und begleitete ihn später auf seinen Reisen. Nach dem Tode desselben 1864 nach Deutschland zurückgekehrt, nahm sie schließlich ihren Wohnsitz in Hamburg, wo sie 13. April 1870 starb. Von ihren Schriften sind hervorzuheben: eine Übersetzung der "Volkslieder der Serben" (Halle 1825-26, 2. Bde.; 2. Aufl., Leipz. 1853); "Versuch einer geschichtlichen Charakteristik der Volkslieder germanischer Nationen" (das. 1840); "Historical view of the slavic languages" (New York 1850; deutsch, Leipz. 1852); "Geschichte der Kolonisation von Neuengland" (das. 1847); "Die Unechtheit der Lieder Ossians" (das. 1840); ferner die Erzählungen: "Heloise" (das. 1852) und "Die Auswanderer" (das. 1852); "Maria Barcoczy", historischer Roman (Wurzen 1852); "Kurmark und Kaukasus" (das. 1852), sämtlich ursprünglich englisch geschrieben; "Fünfzehn Jahre", ein Zeitgemälde (Leipz. 1868, 2 Bde.). Ihre Novellen erschienen in 2 Bänden (Leipz. 1874).

Robinsonaden, s. Robinson Crusoe.

Robinson Crusoe (spr. krusso), der Held des weltberühmten, von Daniel Defoe (s. d.) verfaßten englischen Romans, dessen 1. Teil unter dem Titel: "Life and strange surprising adventures of R. C." zuerst 1719 in London erschien und einen so allgemeinen Beifall fand, daß der Verfasser noch in demselben Jahr zwei Fortsetzungen seines Werkes veröffentlichte. Im 1. und 2. Teil erzählt Defoe in wunderbar anschaulicher, schlicht natürlicher Darstellung die mannigfaltigen Schicksale eines von Jugend auf durch abenteuerlustigen Sinn in der Welt umhergetriebenen Engländers, dessen einsames Leben auf einer menschenleeren Insel nahe der Orinokomündung, wohin er durch Schiffbruch verschlagen worden, die erfindungsreiche Art seiner dortigen Einrichtung, seine Befreiung, Heimkehr und abermalige Fahrt in die Fremde, aus der er erst nach ereignisvollen Reisen in Indien, China, Sibirien etc. als begüterter Mann ins Vaterland zurückkommt. Der 3. Teil, betitelt: "Serious reflexions during the life of R. C.", enthält hauptsächlich moralisierende Betrachtungen über den Inhalt des 1. Teils, dem auch schon der 2. an Reiz und Bedeutung weit nachsteht. Defoes Buch erlebte in England selbst zahllose Auflagen, in ganz Europa massenhafte Übersetzungen und Nachahmungen und machte seinen Weg durch die ganze zivilisierte Welt, wie es denn nach Hettner ("Robinson und die Robinsonaden", ein Vortrag, Berl. 1854) unter dem Namen "Perle des Ozeans" sogar ein Lieblingsbuch der Araber wurde. Noch 1719 erschien die erste französische Übersetzung des R., 1720 die frühste deutsche (Frankf. u. Leipz., 2 Tle.), welche noch in demselben Jahr 5 Auflagen erlebte. Von neuern Übertragungen des Originalwerkes sind die von L. v. Alvensleben (Leipz. 1850) und Altmüller (Hildburgh. 1869) hervorzuheben. Der Nachbildungen, welche unter dem Namen Robinsonaden zusammengefaßt werden, zählte J. Koch in seinem "Grundriß einer Geschichte der Sprache und Litteratur der Deutschen" (Berl. 1798, Bd. 2) bis 1760 bereits 40 auf, zu denen noch eine stattliche Anzahl neuerer zu rechnen ist, darunter der "Österreichische Robinson" (1822) und der "Neue Robinson" von G. H. v. Schubert (1848). Bereits 1722 erschien ein "Teutscher Robinson oder Bernhard Creutz" in Schwäbisch-Hall. Es folgten ein italienischer, französischer, sächsischer, schlesischer, niedersächsischer, schwedischer, schwäbischer, kurpfälzischer, ostfriesischer Robinson u. a., sämtlich in deutscher Sprache; desgleichen eine Masse von Robinsonaden, die sich nach den Berufsarten ihrer Helden oder sonstigen Beziehungen betitelten, z. B. ein geistlicher, ein medizinischer, ein jüdischer, ein moralischer Robinson etc. Von allen Umformungen und Nachbildungen des Originalromans Defoes hat aber keine so großen Erfolg gehabt wie Campes "Robinson der jüngere" (Hamb. 1779, 2 Bde.), eine zu pädagogischen Zwecken durch eingeschobene Dialoge voll wissenschaftlicher und moralischer Erörterungen verballhornte, an sich aber meisterhafte Umgestaltung der Defoeschen Erzählung. Das Buch hat bereits die 92. Auflage (Braunschw. 1876) erlebt, und schon wenige Jahre nach seinem Erscheinen konnte Campe ihm nachrühmen, daß es in alle europäischen Sprachen (darunter auch ins Neugriechische und Alttschechische) übersetzt sei. Ein Seitenstück eigentümlicher Art zum R. stellt sich in Howells "The life and adventures of Alexander Selkirk" (Lond. 1828) dar. Hier sind die Schicksale eines schottischen Matrosen berichtet, welcher, im September 1704 auf der menschenleeren Insel Juan Fernandez ausgesetzt, daselbst bis zum Februar 1709, wo ihn Kapitän Wood Rogers aufnahm und mit nach England führte, sein einsames Leben in ähnlicher Weise wie der erdichtete Held Defoes fristete (vgl. Wood Rogers' Bericht über Selkirk in "Collection of voyages", Lond. 1756). Man hat Defoe vielfach vorgeworfen, daß er das Beste in seinem Werk dem Tagebuch (?) oder den sonstigen Mitteilungen Selkirks entnommen habe; der Vorwurf ist jedoch längst durch zuverlässige Untersuchungen entkräftet worden. Von allen dem originalen R. in mehr selbständiger Art nachgebildeten Abenteurergeschichten in deutscher Sprache verdient als die poetisch wertvollste ausgezeichnet zu werden die unter dem Namen "Insel Felsenburg" bekannte, deren Verfasser Joh. Gottfr. Schnabel (s. d.) war. Vgl. Hettner, Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts, 1.