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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Theophrastus Paracelsus - Theramenes

gegenüber. Sein Hauptverdienst liegt auf dem Gebiet der Naturkunde, besonders der Botanik, in seinen sehr bedeutenden Beiträgen zu einer kritischen Geschichte der ältern Physik, die für das Altertum maßgebend blieben, und in seiner geistreichen Zeichnung "ethischer Charaktere". Die Hauptausgabe seiner Werke (ohne die "Charaktere") ist die von Wimmer (Tl. 1, Bresl. 1842; 3 Tle., Lpz. 1854 - 62; Par. 1866); von neuern Ausgaben der "Charaktere" sind zu nennen die von Foß (Lpz. 1858) und Petersen (ebd. 1859).

Theophrastus Paracelsus, s. Paracelsus.

Theophylakt (Theophýlaktos), byzant. Schrifterklärer, wahrscheinlich aus Euböa gebürtig, war Prinzenerzieher in Konstantinopel, um 1078 Erzbischof von Achrida im Bulgarischen Reich und starb nach 1107. Seine katenenartigen Schrifterklärungen, namentlich der Schriften des Neuen Testaments, gehören zum besten, was das Mittelalter auf diesem Gebiet leistete. In dem Streite zwischen der morgenländ. und abendländ. Kirche nahm er eine vermittelnde Stellung ein. Eine Gesamtausgabe der Werke mit einer Einleitung über T.s Leben, Schriften und Lehre lieferten Maria de Rubeis und Bonif. Finetti (4 Bde., Vened. 1754 - 1763).

Theopneustie (grch.), göttliche Eingebung, Inspiration.

Theopompus, griech. Geschichtschreiber, geb. um 380 v. Chr. auf der Insel Chios, hörte in Athen den Isokrates, trat auch zunächst in verschiedenen Teilen Griechenlands und Kleinasiens als Kunstredner auf, widmete sich aber später auf Rat des Isokrates ganz der Geschichtschreibung. 334 v. Chr. kehrte er in seine Heimat zurück; bald nach Alexanders Tode von dort vertrieben, ging er nach Ägypten, wo er sein Leben beschlossen zu haben scheint. Seine Hauptwerke waren die "Hellenica" in 12 Büchern, eine Fortsetzung des Geschichtswerkes des Thucydides, welche die J. 411 - 394 v. Chr. umfaßte, und die "Philippica" in 58 Büchern, welche die Geschichte aller griech. Staaten während der Regierung König Philipps II. von Macedonien (360 - 336 v. Chr.) darstellten. Die Fragmente dieser Werke finden sich bei C. Müller ("Fragmenta historicorum graecorum", Bd. 1, Par. 1841). Von den "Philippica" verfaßte Pompejus Trogus (s. d.) eine lat. Bearbeitung. - Vgl. Bünger, Thepompea (Straßb. 1874); Dellios, Zur Kritik des Geschichtschreibers T. (Jena 1880).

Theŏpsie (grch.), das Sichtbarwerden, Erscheinen (eines Gottes).

Theorbe (ital. Tiorba), ein jetzt außer Gebrauch gekommenes Saiteninstrument von 14 bis 16 Saiten, im 17. und 18. Jahrh. vielfach zur Begleitung des Gesangs gebraucht und als Soloinstrument bei den Hofdamen Ludwigs XIV. sehr beliebt. Die T. ist eine Gattung der Laute, aus dieser entstanden durch Hinzufügung mehrerer (bis acht) Baßsaiten, die wegen ihrer Länge und Spannung eines besondern an den Hals oben seitlich angesetzten zweiten Kragens bedurften (s. Tafel: Musikinstrumente II, Fig.2, Bd. 17). Nach Arteaga soll ein Italiener Bardella gegen Ende des 16. Jahrh. die T. erfunden haben.

Theorbenflügel, s. Lautenklavier.

Theorēm (grch.), s. Lehrsatz.

Theoretische Handelswissenschaften, s. Handelswissenschaften.

Theŏrie (grch.), wörtlich Betrachtung, hat in der Wissenschaft den bestimmten Sinn der Betrachtung des Einzelnen unter dem Allgemeinen, der Thatsache unter dem Gesetz. Man unterscheidet daher T. von bloßer Beobachtung und Beschreibung, daher theoretische (erklärende) von bloß deskriptiver (beschreibender) Wissenschaft. Eine versuchte, aber noch nicht ausreichend durch die Thatsache bestätigte T. heißt Hypothese (s. d.). In weiterm Sinne bedeutet T. im Unterschied von Praxis (theoretisch - praktisch) das bloß erkennende (betrachtende) Verhalten zu den Dingen, ohne Absicht auf ihre Verwendung zu sonstigen Zwecken.

Theōrische Astronomie, s. Astronomie.

Theosŏphie (grch.), der Wortbedeutung nach soviel als Erkenntnis Gottes und göttlicher Dinge, wird gewöhnlich im Sinne eines auf unmittelbarer innerer Anschauung beruhenden Spekulierens über die übersinnliche Welt gebraucht. Die Theosophen unterscheiden sich daher von den Philosophen weniger durch den Gegenstand ihres Nachdenkens, als vielmehr durch die Methode. Die Heimat theosophischer Spekulationen war im Altertum der Orient. In der großen geistigen Gärung der ersten Jahrhunderte n. Chr. teilte sich der phantastisch-theosophische Zug nicht nur christl. Denkern, sondern auch griech. Philosophen mit. Daher ist nicht nur der christl. Gnosticismus, sondern auch der Neuplatonismus durchaus theosophisch. In neuerer Zeit wurden nach verwandten Erscheinungen im Mittelalter, besonders infolge der in der Reformationszeit angebrochenen geistigen Bewegung, theosophische Ideen in reicher Fülle erzeugt, schon unter den "Täufern" des 16. Jahrh. und bei Kaspar Schwenkfeld, später bei Val. Weigel, Jakob Böhme, Swedenborg, Oetinger, Franz von Baader u. a. Von der Mystik (s. d.) unterscheidet sich die T. dadurch, daß sie immer in der Form eines Systems oder einer zusammenhängenden Weltanschauung auftritt. Neuere theosophische Bestrebungen sind der Verbreitung buddhist. Ideen gewidmet, namentlich in Nordamerika und England. In Deutschland besteht eine Theosophische Gesellschaft unter der Leitung Hübbe-Schleidens (s. d.). Ihr Organ sind die "Theosophischen Schriften" (Braunschweig, seit 1895). - Vgl. Herrmann, Populäre T. (Lpz. 1897).

Theotókos (grch.), Gottgebärerin, Beiname der Jungfrau Maria.

Theoxenĭen (grch.), Götterbewirtung, ein hauptsächlich Apollinisches Fest, zu dem aber auch die übrigen Götter gleichsam als Gäste geladen wurden. Es fiel in den Monat Theoxenios (wohl August).

Thera, Insel, s. Santorin.

Theramĕnes, athen. Feldherr und Staatsmann, zugleich nicht unbedeutend als Redner und Publizist, ein Schüler des Prodikus, gehört zu den problematischen Charakteren, die im letzten Abschnitt des Peloponnesischen Krieges, 413 - 404 v. Chr., hervortraten. Zuerst erscheint er als Teilnehmer an der oligarchischen Revolution des J. 411 und der Einsetzung des Rates der Vierhundert. Als dann aber das Heer bei Samos sich für Beibehaltung der Demokratie erklärte und Alcibiades zurückrief, half T. (im Juni 411) mit zum Sturz der Oligarchie. Ein ähnliches Schwanken zeigt auch seine weitere Politik, sie verschaffte ihm den Spitznamen "der Kothurn", weil dieser für beide Füße paßt. In dem Prozeß gegen die Feldherren, die die Schlacht bei den Arginusen (406 v. Chr.) gewonnen, aber nicht vermocht hatten, die Schiffbrüchigen zu retten, trat er als Ankläger auf, obwohl gerade er mit einem andern Kapitän den Auftrag, die Rettung zu be-^[folgende Seite]