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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Verfolgungswahn – Vergerio

Verfolgungswahn, in der Psychiatrie ein Symptom verschiedener Geisteskrankheiten und Gehirnleiden, am häufigsten der akuten und chronischen Verrücktheit (s. d.). Die Kranken sind ohne entsprechende äußere Veranlassung überzeugt, von einzelnen oder zahlreichen, bekannten oder unbekannten Personen verfolgt, d.h. in allen möglichen Interessen (Ehre, Vermögen, Leben) beeinträchtigt zu werden. Meist gründet sich dieser Wabn auf Sinnestäuschungen, besonders Gehörshallucinationen. Die Kranken hören schmähende, drohende Zurufe, ohne daß in Wirklichkeit jemand solche ausspricht, oder sie sehen auch drohende Gestalten auf sich eindringen, riechen Gift u.dgl.m. Seltener entstehen Verfolgungsideen auf Grund eines schwer zu beschreibenden «Sichunheimlichfühlens», oder springen plötzlich ohne nachweisbare Ursache ins Bewußtsein (Primordialdelirien). Der V. ist in vielen Fällen heilbar, besonders wenn er rasch entstanden ist, wenn Vergiftung, z.B., was besonders häufig vorkommt, chronischer Alkobolmißbrauch zu Grunde liegt; selten, wenn er sich ganz allmählich und ohne nachweisbare Ursache entwickelt. Die Erkrankungsweise des Gehirns, die bei an V. Leidenden gefunden wird, ist sehr verschieden; häufig lassen sich überhaupt Veränderungen nicht deutlich nachweisen, anderemal findet sich Entzündung u.dgl.m. Die Behandlung richtet sich nach den ursächlichen Momenten. Da werden.

Verfrachter, im Seefrachtgeschäft derjenige, welcher behufs Transportes von Gütern über See das ganze Seeschiff oder einen verhältnismäßigen Teil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffs dem Befrachter (s. d.) überläßt oder sich zum Transport von Stückgütern über See dem Befrachter verpflichtet. V. ist regelmäßig der Eigentümer des Schiffs, der Reeder. Es kann aber auch ein Nichteigentümer des Schiffs V. sein, sei es daß er Ausrüster oder Befrachter ist. (S. Reeder.) V. ist dasselbe wie Frachtführer (s. d.) im Binnenfrachtrecht.

Verfügung, eine Anordnung desjenigen, dem eine öffentlich-rechtliche Gewalt zusteht, des Staatsoberhauptes, der Obrigkeit u.s.w.; im Privatrecht die Anordnung desjenigen, dem eine privatrechtliche Gewalt zusteht, z.B. des Vaters oder des Vormunds über die Erziehnng des Hauskindes oder Mündels, die Anordnung des Berechtigten oder eines Dritten mit Bewillignng des Berechtigten, wie mit dem Gegenstande seines Rechts (einer Sache, einem Vermögen u.s.w.) verfahren werden soll; oder das Rechtsgeschäft, durch welches der Inhaber eines Rechts dasselbe veräußert oder einschränkt. Prozessualisch ist V. nach dem Sprachgebrauch der Reichsjustizgesetze im Gegensatz zu Urteilen und Beschlüssen (s. d.) die Bezeichnung für Entscheidungen (s. d.), die von einem einzelnen Richter (Vorsitzenden, Untersuchungsrichter, ersuchten oder beauftragten Richter) ausgehen und der Regel nach eine Sachentscheidung nicht enthalten, sondern sich nur auf die Leitung des Verfahrens beziehen, z.B. Ladung von Zeugen, Bestimmung eines Termins. (S. jedoch Einstweilige Verfügung.) V. unterliegen gewöhnlich der Beschwerde (s.d.), können aber auch, falls dies nicht die «sofortige Beschwerde» ist, von dem Richter, der sie erlassen, widerrufen werden, sind also nicht der Rechtskraft fähig. – Über Freigebige Verfügung s. d. ↔

Verfügung von hoher Hand, von Regierungs- oder Verwaltungsbehörden in Beziehung auf Schiffe oder Güter außerordentlicherweise getroffene Anordnung, durch welche entweder denselben Schaden zugefügt wird oder die Beteiligten an deren beabsichtigter Verwendung gehindert werden. Insbesondere gehören dazu die Fälle, in welchen ein Schiff mit Embargo (s. d.) belegt oder für den Dienst eines Staates mit Beschlag belegt wird, der Handel mit dem Bestimmungsorte untersagt, der Abladungs- oder Bestimmungshafen blockiert wird, ferner Ein- und Ausfuhrverbote. In den genannten Fällen, sowie bei allen andern Verfügungen, durch welche das Schiff am Auslaufen, oder die Reise oder die Versendung der nach dem Frachtvertrage zu liefernden Güter verhindert wird, sofern das Hindernis nicht voraussichtlich von nur unerheblicher Dauer ist, ist beim Seefrachtvertrage jeder Teil befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein. (S. Frachtvertrag.) Wenn nicht die Haftung vertragsmäßig abgeändert ist, trägt bei der Seeversicherung der Versicherer die Gefahr der V. v. h. H. (Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 Art. 824, von 1897 §. 820 und allgemeine Seeversicherungsbedingungen [s. d.] §. 69.)

Verfügung von Todes wegen, s. Letztwillige Verfügung.

Verfului, Berg im Bihargebirge (s. d.).

Vergantung, s. Gant.

Vergara, auch Bergara, Bezirksstadt im W. der span. (bask.) Provinz Guipuzcoa, im reizenden Devathale, an der Eisenbahn (Irun-)Zumarraga-Durango(-Bilbao), hat (1887) 6194 E., ein Instituto, zwei Seminare, Industrieschule, gelehrte (bask.) Gesellschaft; Spinnereien und Eisenwarenfabriken. Der Vertrag von V. vom 31. Aug. 1839 beendete den Bürgerkrieg und zwang Don Carlos zur Flucht (s. Spanien, Geschichte).

Vergasen, s. Gasfeuerungen.

Vergatterung (frz. assemblée), ein altdeutsches Wort, jetzt zur Bezeichnung eines Trommelsignals gebraucht, das beim Aufziehen der Wachen gegeben wird und bedeutet, daß die zum Nachtdienst befohlenen Truppen nunmehr unter den besondern Befehl der Wachvorgesetzten treten. Der Ausdruck kommt daher, daß bei belagerten Festungen während der Ablösung der Wachen kein Thor geöffnet wird, sondern sämtliche Ausgänge «vergattert» bleiben.

Vergehen, im weitern Sinne soviel wie strafbare Handlung, in dem engern, ihm durch §. 1 des Reichsstrafgesetzbuches beigelegten Sinne eine mit Festungshaft bis zu 5 Jahren, mit Gefängnis oder mit Geldstrafe von mehr als 150 M. bedrohte Handlung. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetze §§. 27, 73, 1 sind teils die Schöffengerichte, teils die Strafkammern der Landgerichte zur Aburteilung zuständig. (S. Verbrechen.)

Vergeilen der Pflanzen, s. Etiolieren.

Vergeltung, Wiedervergeltung, s. Talion.

Vergeltungsstrafe, s. Kriminalpolitik (Bd. 17).

Vergeltungstheorie, im Steuerwesen, s. Steuern.

Vergerĭo (spr. werdsch-), Pietro Paolo, oder Petrus Paulus Vergerius, Theolog, geb. 1498 in Capodistria, studierte in Padua die Rechte, war oft päpstl. Nuntius in Deutschland, wo er 1535 Luther besuchte, und wurde 1536 Bischof in seiner Vaterstadt. Bei der Inquisition wegen Hinneigung zum Protestantismus verklagt, verließ er Capodistria,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 264.