Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Abwässer'
geleitet. Die Süvernsche Masse besteht aus 100 Teilen Kalk,
8 Teilen Teer, 33 Teilen Chlormagnesium, mit Wasser auf 1000 Teile gebracht. Diese Masse reinigt
das 100fache Gewicht Kanalwasser, der Niederschlag setzt sich bald ab, die Fäulnis des geklärten
Wassers wird aber nur so lange aufgehalten, als noch Ätzkalk darin enthalten ist. Sobald dieser
durch die Kohlensäure der Luft als kohlensaurer Kalk ausgeschieden ist, entwickeln sich wieder
Fäulnisorganismen. Kann das geklärte Wasser sofort in einen größern Fluß abgeleitet werden, so
leistet das Verfahren recht gute Dienste. Friedrich wendet eine Desinfektionsmasse aus Kalk,
Thonerdehydrat, Eisenhydroxyd und Karbolsäure an und erhält eine klare Flüssigkeit, die nicht
fault, solange sie alkalisch reagiert. Kalk eignet sich auch für die Reinigung der Haus- und
Wirtschaftswässer und verhindert die Entwickelung des durch fette Säuren bedingten übeln Geruchs;
immer aber ist Bedingung, daß das geklärte Wasser in einen großen Fluß abgeleitet wird, denn die
Wirkung des Kalks hört bald auf, und dann entwickelt sich in dem Wasser auch von neuem Fäulnis.
Zu hoher Kalkgehalt der A. wirkt in kleinen Wasserläufen nachteilig auf die Fische. Viel günstiger
als die chemische Reinigung gestaltet sich die Filtration durch
Sand, wobei die Flüssigkeit in kurzen Zwischenräumen aufgegeben wird, damit sie innerhalb des
Filtriermaterials mit Luft in Berührung kommt. Unter diesen Umständen werden die organischen
Stoffe zu Kohlensäure, Wasser und Salpetersäure oxydiert, und die Reinigung ist vollständig,
wenn in 24 Stunden nicht mehr als 33 Lit. Flüssigkeit für 1 cbm Filtriermaterial aufgegeben wird.
Zur Ausführung des Verfahrens muß man den zum Filtrieren bestimmten Boden in 2 m Tiefe gut drainieren,
die Oberfläche ebnen und in vier Teile teilen, von denen einer nach dem andern die A. sechs Stunden
aufnimmt. Da bei diesem Verfahren aber der ganze Dungwert verloren geht, der Boden vielleicht auch,
weil er keine Vegetation zu tragen im stande ist, üble Gerüche entwickelt, so ist dasselbe höchstens
für einzelne Fabriken zu empfehlen; im übrigen aber leistet die landwirtschaftliche Verwertung des
Kanalwassers, die Berieselung von Kulturflächen, entschieden viel mehr.
Die größten Schwierigkeiten und Mißstände bereiten die A. der Zuckerfabriken.
Eine Fabrik, welche täglich 4000 Ztr. Rüben verarbeitet, liefert in ihren Abwässern so viel organische
Substanz, wie in den Abwässern einer Stadt von 50,000 Einw. enthalten ist. Diese A. garen ungemein
leicht, verbreiten die widerlichsten Gerüche und verschlämmen kleinere Bäche vollständig. Von den
zahlreichen zur Reinigung dieser A. angewandten Methoden verdient die von Bodenbender besondere Beachtung.
Er sucht die Bildung von Buttersäure und Milchsäure im Betrieb der Fabrik möglichst zu vermeiden, scheidet
durch Absetzenlassen und Filtrieren alle festen organischen Stoffe ab, setzt so viel Kalk zu, daß die
Flüssigkeit noch sehr wenig Ätzkalk gelöst enthält, und pumpt sie nun auf ein Gradierwerk, auf welchem
der in den Abwässern enthaltene Zucker schnell oxydiert wird, während buttersaurer und milchsaurer Kalk
der Oxydation viel energischer widerstehen. Das gereinigte Wasser kann einem Bach übergeben werden, wenn
derselbe auch nicht mehr als das Fünffache des Abwassers mit sich führt. Unter geeigneten Verhältnissen
erweist sich auch Berieselung sehr wirksam, doch erfordert dieselbe sehr ausgedehnte Flächen. Müller
sammelt die an Kohlehydraten reichen A. in Bassins, bringt sie auf 25-40° und steigert ihren
↔
Stickstoffgehalt durch Zusatz von Fleisch, Blut, Kleber, Exkrementen etc. auf 1 Proz. der organischen
Substanz des Wassers. Unter diesen Verhältnissen entwickeln sich die fermentartig wirkenden Organismen
sehr lebhaft, und die Zersetzung der gärungs- und fäulnisfähigen Substanzen erfolgt in sehr kurzer Zeit.
Dabei sich entwickelnde lästige Dämpfe und Gase entweichen durch Drainröhren ins Feld. Das hinreichend
zersetzte Wasser wird unter Zutritt von Luft durch Koksstaub, Kohle, Sand oder gewachsenen Boden filtriert
und liefert ein sehr reines Drainwasser, während der auf den Filtern und in den Bassins abgelagerte
Schlamm, frisch oder kompostiert, einen wertvollen Dünger darstellt.
Vgl. Fischer, Die Verwertung der städtischen und Industrieabfallstoffe (Braunschw. 1875);
Derselbe, Die menschlichen Abfallstoffe (das. 1881);
Possart, Die Verwertung des Abfallwasser aus den Tuchfabriken, Spinnereien etc. (Berl. 1879).
Abweichung (Deklination), der Abstand eines
Gestirns vom Äquator, gemessen aus einem durch die beiden Weltpole und den Stern gehenden Kreis, den
Deklinationskreis; vgl. Himmel. Die A. eines Gestirns
wird durch Beobachtung seiner Höhe beim Durchgang durch den Meridian mittels eines Meridiankreises und
darauf folgende Subtraktion der Äquatorhöhe des Beobachtungsorts gefunden. A. auch s. v. w. Parallaxe. Die
optische A., bei Gläsern und Spiegeln, ist die Unvollkommenheit unsrer
optischen Instrumente, welche die Wiedervereinigung der von dem betrachteten Gegenstand ausgegangenen Strahlen
in einem Punkt (Brennpunkt) verhindert. Man unterscheidet sphärische
und chromatische A.; erstere hat ihren Grund in der Gestalt der Gläser
oder Spiegel, letztere in der verschiedenen Brechbarkeit der Strahlen, welche das weiße Licht zusammensetzen.
A. der Magnetnadel, s. Magnetismus.
A. der Geschosse beim Schießen entsteht durch Mängel der Waffe, der
Munition, durch Witterungseinflüsse u. dgl. Erreicht das Geschoß nicht das Ziel, oder geht es darüber hinaus,
ohne die Richtungsebene zu verlassen, so hat es Höhenabweichung; verläßt
es die Richtungsebene nach der Seite, so ist Seitenabweichung vorhanden.
Aus einer Anzahl Schüsse wird der mittlere Treffpunkt und nach diesem die A. festgestellt.
Abwesenheit (Absentia), das Gegenteil von Anwesenheit
an einem bestimmten Ort, insbesondere am Wohnort. Im juristischen Sinn ist derjenige abwesend, welcher sich
nicht an dem Ort befindet, wo ein rechtliches Interesse seine Thätigkeit erheischt, und daher nicht für dasselbe
wirken kann, z. B. eine Person, die auf ergangene Vorladung nicht zur festgesetzten Zeit an Gerichtsstelle
erscheint. Der so Abwesende muß die Rechtsnachteile, welche sich aus der Nichtwahrnehmung seiner Interessen
durch die A. ergeben, über sich ergehen lassen. Dies kann unbillig erscheinen, wenn die A. eine unverschuldete
war. Deshalb gewährt in solchem Fall das Recht "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" (s. d.).
Auch gelten z. B. in der Lehre von der Verjährung für den Abwesenden mildere Grundsätze, indem gegen den in
einer andern Provinz (Obergerichtssprengel) Wohnenden (inter absentes) zur
Ersetzung eine längere
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 72.