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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerika

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Amerika (Pflanzenwelt).

gebiet an den Küstenterrassen aus. Daß im Angesicht des Ozeans das Küstenland in Trockenheit verschmachtet, liegt einmal in seiner Bodenplastik, indem die Mauer der Andes eine ausgedehnte Luftzirkulation nicht gestattet, dann aber namentlich in dem Vorhandensein der die Ufer bespülenden kalten peruanischen Küstenströmung, über welcher die Seewinde erkalten, um dann über dem stark erhitzten Litorale wieder eine Temperaturerhöhung zu erleiden und so zur Regenspendung unfähig zu werden. Nur dichte Nebel (garuas) ziehen über diese Gestadelandschaften und nähren hier und da eine spärliche Vegetation. Von 30° südl. Br. erstreckt sich dann das südchilenische Gebiet der subtropischen reichlichen Winterregen bis etwa 40° südl. Br., wo an der Küste Patagoniens bei fast das ganze Jahr hindurch herrschenden Südwest- und Westwinden eins der regenreichsten Gebiete der Erde beginnt. Undurchdringliche Wälder schmücken deshalb diese Westgestade, während sich im O. dürre und unfruchtbare Ebenen ausbreiten. Unter dem Einfluß des Niederschlagsreichtums, der Trübe und Feuchtigkeit der Luft steigen die Gletscher an der Westküste Patagoniens bereits unter 46½°, also etwa in der Breite von Genf, bis zum Meer herab (an der Westküste von Nordamerika erst unter 60°), und die Grenze des ewigen Schnees, die an den Andes unter dem Äquator in 4820 m Höhe verläuft, fällt an der Magelhaensstraße bis auf 1100 m.

Pflanzenwelt.

In der vorstehenden klimatologischen Skizze sind bereits die verschiedenen Vegetationsformationen angedeutet, welche unter den gegebenen klimatischen Einflüssen in A. zur Ausbildung gelangt sind. Es geht daraus hervor, daß der Kontinent alle die Arten der Bodenbekleidung aufzuweisen hat, welche wir auf unsrer Erdoberfläche unterscheiden. Mit seinem äußersten Norden ragt A. hinein in das Gebiet der Moossteppen, der Tundren; Wälder in den verschiedensten Abstufungen, von denen der nördlichen und südlichen gemäßigten Zone bis zu den tropischen Urwäldern, Steppen mannigfaltigster Art, endlich Wüsten nehmen mehr oder minder umfangreiche Teile des Kontinents ein. Mit Grisebach unterscheiden wir auf dem amerikanischen Festland einschließlich Westindiens 13 Vegetationsgebiete (vgl. dazu die "Pflanzengeographische Karte").

Die durch die Winzigkeit der Pflanzenformen charakterisierte arktische Flora umfaßt Grönland, Labrador, die Hudsonsbailänder, den Polararchipel und den Nordwestteil des Kontinents (Schouws Reich der Moose und Saxifrageen). Laubmoose, namentlich Flechten, herrschen vor und setzen oft fast ausschließlich auf Hunderte von Quadratmeilen die Tundren zusammen. Unter den Gräsern walten die Cyperaceen und Caricinen vor. Von Kräutern sind Alpenmohn, blaublütiges Polemonium, Silenen, Steinbrecharten, Zwergkresse vertreten. Von eßbaren Früchten kommen nur einige Beeren vor, und die Strauchgewächse beschränken sich auf Salicineen, Betulaceen und Koniferen. Das nordamerikanische Waldgebiet reicht an der pazifischen Seite vom Jukon River in Alaska bis zum Columbia, auf der atlantischen vom 58.° nördl. Br. bis zur Südspitze Floridas und von da binnenwärts bis gegen 100° westl. L. v. Gr. So reich diese Flora ist, und so zahlreiche eigentümliche Formen sie besitzt, so nähert sie sich doch in ihrem Gesamtausdruck der europäischen Flora. Sie hat mit dieser viele einzelne Pflanzengattungen gemein, und fast alle perennierenden und holzigen Gewächse derselben kommen bei uns im Freien fort und akklimatisieren sich mit Leichtigkeit. Im Wald herrschen Eichen, Ulmen, Ahorne, Birken, Linden, Espen, von Nadelhölzern Föhren, Fichten, Tannen, Wacholder und strauchförmige Taxusarten vor. An mittelmeerische Formen erinnert Thuja, namentlich aber die Cypresse, welche in den südlichen Teilen massenhaft vergesellschaftet auftritt und die eigentümliche Vegetationsformation der "Cypressensümpfe" bildet. Nadelwälder nehmen die nördlichern Gebiete ein, an sie schließen sich Laubwälder wie bei uns, nur mischen sich schon in hohen Breiten immergrüne Laubbäume denselben bei. So reichen baumförmige Stechpalmen bis nach Richmond, Laurineen bis nach Kanada, der Tulpenbaum und Magnolien gehen über Boston hinaus. Robinien, Gleditschien und Walnüsse mischen sich unter die Waldbäume dieses Gebiets. Yukkas und Zwergpalmen dringen bis gegen 35° vor, selbst Bambusarten kommen noch bis an den Ohio vor. Das niedrige Gesträuch besteht aus Rhamnaceen, Kaprifoliaceen, Kornaceen, Sambukaceen und Grossulariaceen, Reben, Spiräaceen und Rubusarten. Auch von Amygdalaceen und Pomaceen zählt man an 50 Gattungen. Unter den Kräutern herrschen die Kompositen mehr vor als bei uns. Schlinggewächse sind wie bei uns durch Hopfen, Epheu und Reben, dann aber auch durch die tropischen Bignonien und Smilax vertreten. In Florida kommt schon eine Baumorchidee und Cykadee vor. Die Wälder werden im S. immer üppiger und erlangen oft tropische Dichtigkeit. Graswiesen unterbrechen namentlich im W. den in dieser Richtung allmählich durch häufigere Lichtungen in die Prärieregionen übergehenden Waldgürtel, der in den Alleghanies von Nordcarolina bei 2000 m seine Höhengrenze erreicht. Das Unterholz der amerikanischen Wälder wird von zahlreichen immergrünen Sträuchern gebildet, unter denen die Rhodoceen und Vaccinien die wichtigsten sind und sich durch Dichte und hohen Wuchs auszeichnen. Farne, Flechten, Lebermoose, Lykopodiaceen, Equisetaceen und Algen bedecken wie bei uns den Boden.

Die Kultur der Cerealien dringt weit nach N. vor. Gerste liefert noch unter 65° nördl. Br. bei Fort Norman gute Ernten. Mais wird noch in Kanada gebaut. Aus einheimischen Reben wird durch Veredelung ein guter Wein gewonnen, während der europäische Weinstock nirgends mit Glück eingeführt ist. Wie im N. wogende Getreidefelder, so haben im S. große Kulturen von Baumwolle, Zucker, Tabak, Reis den Wald weithin zurückgedrängt.

Das Prärien- und Wüstengebiet reicht von 100° westl. L. bis zu der kalifornischen Sierra Nevada und vom 50. Parallelkreis bis gegen den Wendekreis des Krebses. Im NO. stellen die Prärien grasreiche Steppen dar, auf denen der Baumwuchs auf die Flußufer beschränkt ist. Im S. prangen Agaven und Liliaceenbäume (Yukka), und die Kaktuspflanzen entfalten den höchsten Reichtum ihrer Bildung. Die seltenen Sträucher und Bäume an den Fluß- und Bachufern sind meist vom Waldgebiet aus eingewandert. Charakteristisch sind noch Mimosengesträuche (Prosopis), welche für sich allein die Formation der Mezquite, mit andern Dornsträuchern vermischt die der Chaparals bilden. Im W. und NW. breiten sich unwirtliche Salzwüsten aus, deren Boden fast völlig nackt ist oder eine Vegetation zeigt, welche fast nur aus zerstreut wachsenden Gänsefuß- und geselligen Beifußgewächsen besteht. Hier und dort unterbrechen aber auch Oasen (z. B. die der Mormonen von Utah) diese Öde. Das kalifornische