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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Anima - Aniridie.

gurie. In den meisten Fällen bleibt die Krankheit auf dieser Stufe stehen, und nur bei sehr intensiver Mitwirkung des Anilins treten alle Symptome in verstärktem Maß auf, es schwindet das Bewußtsein auf kürzere oder längere Zeit, und nach Rückkehr desselben treten Erbrechen und heftiger Kopfschmerz ein. Die chronische Vergiftung ist in den leichtern Fällen charakterisiert durch die erwähnte bläuliche Färbung, Schwäche, Magenkatarrh und Eingenommenheit des Kopfes, und in den schwerern treten allerlei nervöse Störungen hinzu. Die Behandlung des A. besteht in allen Fällen in der Sorge für frische Luft, außerdem gibt man ein salinisches Abführmittel und in den schwerern Fällen ein Reizmittel: kalte Übergießung, Moschus etc.; Alkohol steigert die Symptome. In den leichtern chronischen Fällen wirken am besten mehrere Tage hindurch fortgesetzte Gaben von Karlsbader Salz. Als Vorbeugungsmaßregel ist ausgiebige Ventilation und sorgfältige Beobachtung der Arbeiter zu empfehlen.

Anĭma (lat.), Seele, Geist. A. mundi, die Weltseele, der Weltgeist.

Animadversion (lat.), Bemerkung, Ahndung, Rüge; animadvertieren, bemerken, rügen.

Animal (lat.), Tier.

Animalĭen (lat.), tierische Stoffe, namentlich als Speise dienende (Gegensatz: Vegetabilien, s. d.).

Animalisation, Vertierung; Umwandlung des Genossenen in tierischen Stoff.

Animālisch, tierisch, was aus dem Tierreich stammt, den Tieren eigentümlich ist, im Gegensatz zu den Pflanzen und Mineralien, z. B. animalische Kost, animalisches Gift, animalische Wärme. Animalische Funktionen sind diejenigen Thätigkeiten, welche dem Tierleben eigentümlich sind, also Empfindung, willkürliche Bewegung, Vorstellung. Ihnen gegenüber stehen die vegetativen Funktionen, welche der Ernährung und dem Wachstum des Körpers vorstehen und auch den Pflanzen zukommen. Animalisches Bad, s. Bad.

Animalisieren (franz.), vertieren; Genossenes in tierischen Stoff umwandeln; auch ein besonderes Verfahren in der Färberei (s. d.).

Animalität (Animalismus), das tierische Sein, namentlich im Gegensatz zum höhern geistigen.

Anĭmam debet, "er ist seine Seele schuldig", hat Leib und Seele verpfändet, lateinisches Sprichwort des Terenz von solchen, die tief verschuldet sind.

Animārum dies (lat.), Allerseelentag.

Animāto (auch con anima, ital.), musikal. Vortragsbezeichnung: "beseelt, belebt, feurig", erfordert einen muntern und bestimmt accentuierten Vortrag.

Anime (Flußharz) bildet meist haselnußgroße, gelbliche oder rötlichweiße, außen weiß bestäubte, leicht zerbrechliche Stücke, riecht schwach aromatisch, erweicht beim Kauen, riecht beim Erhitzen angenehm aromatisch, löslich in Terpentinöl, Benzol und Ammoniak, nur teilweise in kaltem, leicht in heißem Alkohol. Die Abstammung des Animeharzes ist noch nicht sicher ermittelt. Früher leitete man es von Hymenaea Courbaril ab, doch liefert dieser Baum den größten Teil des südamerikanischen Kopals, und die Verwechselung hat jedenfalls darin ihren Ursprung, daß diese weichen Kopale oft auch A. (z. B. in England) genannt werden. Das echte A. wird gegenwärtig von Icica icicariba, dem Baum, welcher auch Elemi liefert, abgeleitet. A. dient zu Räucherungen, zur Lack- und Siegellackfabrikation, zu Pflastern, Firnissen etc., ist aber nur wenig gebräuchlich. Im Mittelalter war A. s. v. w. Elemi.

Animieren (lat.), anregen, ermuntern, beseelen; animiert, aufgeweckt, heiter.

Animismus (lat.), philosophisches und physiologisches System, nach welchem die denkende Seele Lebensprinzip jeder Thätigkeit im Körper sein und demgemäß ebensowohl ohne Bewußtsein das Wachstum des Körpers bewirken, wie mit Bewußtsein Schlüsse bilden soll. Hauptvertreter dieses Systems war G. E. Stahl (1660-1734), dessen Anhänger daher Animisten genannt wurden; der hauptsächlichste Gegner Stahls war Friedr. Hoffmann (s. d.), A. wird auch die Weltanschauung der niedern Naturvölker genannt, nach welcher alle Dinge für beseelt gelten, wobei also alles Wirken und Geschehen in der Natur von innewohnenden Elementargeistern und Dämonen abgeleitet wird.

Anĭmo deliberāto (lat.), mit gehöriger Überlegung, mit gutem Vorbedacht.

Animōs (lat.), leidenschaftlich erregt, aufgebracht; Animosität, solche Stimmung.

Animuccia (spr. -mútscha), Giovanni, ital. Kirchenkomponist, geb. 1490 oder 1500 zu Florenz, war seit 1555 Kapellmeister an St. Peter im Vatikan und starb 1571 zu Rom, worauf Palestrina, der von 1551 bis 1554 sein Vorgänger in jenem Amt gewesen war, wiederum sein Nachfolger wurde. A. gehört zu den ältesten und hervorragendsten Meistern der römischen Schule, welche berufen war, die von den Niederländern ausgebildete Technik des Kontrapunktes im Dienste der höchsten Kunstaufgaben zu verwerten. Unter seinen zahlreichen Vokalkompositionen aller Art sind die für die Erbauungsstunden des Filippo Neri komponierten "Laudi spirituali" hervorzuheben (2 Bücher, 1565 und 1570), vierstimmige hymnenartige Gesänge, welche, durch den Wechsel des Chors mit der Solostimme dramatisch belebt, als die ersten Anfänge des Oratoriums (s. d.) zu betrachten sind.

Anĭmus (lat.), Seele, Gemüt, Neigung, Wille, Absicht, Vorsatz; daher in der Rechtswissenschaft die rechtswidrige Absicht, z. B. A. injuriandi, Absicht, zu beleidigen; A. lucri faciendi oder rem sibi habendi, die Absicht, eine Sache sich zuzueignen; A. occidendi, Absicht, zu morden; A. nocendi, Absicht, zu schaden.

Anĭo (jetzt Aniēne, Teverone), ein schon im Altertum wegen seiner romantischen Uferlandschaften und Wasserfälle berühmter Fluß in Mittelitalien. Er entspringt östlich von Rom am Monte Cantaro (im alten Hernikergebirge), drängt sich, an Subiaco vorbei, in wildem Lauf durch enge und tiefe, erst gegen NW., dann gegen SW. gerichtete Gebirgsthäler und bildet bei Tivoli (Tibur) die berühmten, schon von den Klassikern gepriesenen Wasserfälle, die indes, da sie die Stadt zu gefährden begannen, von Papst Leo XII. 1835 durch einen doppelten Tunnel abgelenkt wurden, so daß sie jetzt ihre Bedeutung verloren haben und an ihre Stelle die sogen. Gran Cascata, die sich 96 m tief in die Schlucht stürzt, getreten ist. Ein vom Hauptstrom abgegrenzter Arm des A. bildet die malerischen Kaskadellen, kleinere Wasserfälle, die teils über baumreiche Felsen hinströmen, teils bei der sogen. Villa des Mäcen (jetzt Eisenhammer) 30 m hoch hinabstürzen (s. Tivoli). Unterhalb Tivoli fließt der A. langsam in weitem Thal durch die Campagna zum Tiber, 3 km oberhalb Roms. Seine Länge beträgt 110 km. Von Tibur aus führte einer der ältesten Aquädukte (angelegt 265 v. Chr. von M' Curius Dentatus aus der Beute des Pyrrhischen Kriegs) Wasser nach Rom.

Aniridīe (Irideremie, griech.), Fehlender Iris (s. Auge). Sie ist entweder eine teilweise, so daß nur