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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Ansitz - Ansteckung.

und von einem entweder wirklich behaupteten (perspektivische A.) oder scheinbar eingenommenen (perspektivische Täuschung) Standpunkt aus gewährt.

Ansitz, s. Anstand.

Anson (spr. änns'n), 1) George, Lord, Baron von Soberton, brit. Admiral, geb. 23. April 1697 zu Shugborough in der engl. Grafschaft Stafford, trat früh in den Marinedienst, focht 1717 und 1718 unter Sir George Byng gegen die Spanier, ward 1723 Fregattenkapitän und diente dann längere Zeit in den amerikanischen Gewässern, wobei er 1735 in Südcarolina die Stadt Anson gründete. In dem 1739 ausbrechenden Krieg zwischen Spanien und Großbritannien sollte er die spanischen Kolonien im Westen Amerikas angreifen. A. umsegelte mit acht meist kleinen Kriegsschiffen 1740 das Kap Horn, landete in Peru und Chile, eroberte und verbrannte Payta und erbeutete mehrere Galeonen mit reicher Ladung, steuerte dann durch die Südsee, verweilte einige Zeit auf den Ladronen und auf Macao, umschiffte das Vorgebirge der Guten Hoffnung und langte 15. Juni 1744 wieder in Spithead an. Ansons beispiellos kühne Expedition wurde von dem Schiffsprediger Richard Walter und dem Mathematiker Robins unter dem Titel: "George Anson's voyage round the world in the years 1740-44" (Lond. 1748; deutsch von Totze, 2. Aufl., Götting. 1763) beschrieben. Das britische Parlament votierte A. den Dank der Nation, der König ernannte ihn zum Konteradmiral der Blauen, 1745 der Weißen und 1746 zum Vizeadmiral der Blauen Flagge. Als solcher errang er 3. Mai 1747 mit Admiral Warren den großen Seesieg beim Kap Finisterre über eine nach Westindien bestimmte Flotte der Franzosen unter Jonquière, wurde hierauf zum Peer mit dem Titel Baron v. Soberton erhoben, 1748 zum Admiral der Blauen Flagge und 1751 zum ersten Lord der Admiralität ernannt. In dem 1755 ausgebrochenen Krieg mit Frankreich blockierte A. 1758 Brest und deckte die Landungen der Briten bei St.-Malo und Cherbourg. Im J. 1761 ward er Admiral der Flotte. Er starb 6. Juni 1762 auf seinem Landsitz Moor Park in Hertfordshire. Vgl. Barrow, Life of George Lord A. (Lond. 1839).

2) George, engl. General, geb. 13. Okt. 1797, focht bei Waterloo und avancierte bis 1825 zum Oberstleutnant. Seit 1818 Mitglied des Unterhauses, hielt er sich zu den Whigs und bekleidete 1846-1852 unter Russell das Amt eines Kanzleichefs im Feldzeugamt. Im J. 1855 mit dem Charakter als Generalleutnant zum Oberbefehlshaber in Indien ernannt, starb er nach Ausbruch des Sipoyaufstandes 27. Mai 1857 in Kurnaul.

Anspielung (lat. Allusion), in der Rede eine abgekürzte Vergleichung, indem man die Vergleichungspartikel wegläßt und auf den ähnlichen Gegenstand direkt hinweist (z. B.: "Er ist ein Salomo" für: "Er ist ein Weiser wie Salomo"; "Er ist über den Rubikon gegangen" für: "Er hat das Äußerste gewagt wie Cäsar, da er über den Rubikon ging"). Zuweilen bezeichnet sie die versteckte Hindeutung auf etwas, wodurch dasselbe scheinbar zufällig und ohne bestimmte Bezeichnung in Erinnerung gebracht wird, z. B. bei Schiller ("Maria Stuart", IV, 3):

^[Liste]

Die Königin hättet Ihr nach Fotheringay ^[richtig: Fotherinhay]

Geführt? Nicht doch! Ihr habt die Königin

Nicht hingeführt! - Die Königin war es,

Die so gefällig war, Euch hinzuführen.

Dieser Stelle liegt eine versteckte Hindeutung auf das zwischen Maria Stuart und Leicester bestehende Verhältnis zu Grunde. Die A. setzt stets genaue Bekanntschaft mit dem Gegenstand, worauf angespielt wird, voraus, weil sie sonst unverständlich sein würde.

Ansprache, Ansprechen sind in der Musik Ausdrücke, die sich auf das prompte Erklingen eines Tons beziehen, den man auf einem Instrument hervorzubringen sucht. Ein Ton spricht nicht an, wenn er entweder gar nicht erscheint (z. B. auf dem Klavier oder der Orgel, wenn an der Mechanik etwas in Unordnung ist), oder umschlägt (bei Blasinstrumenten), oder störende Geräusche mit sich führt (bei der Singstimme, bei Streichinstrumenten, wenn die Saite nicht "rein" ist, etc.). Unter präziser Ansprache versteht man bei der Orgel, daß die Mechanik so exakt wirkt, daß kein merklicher Zwischenraum zwischen dem Niederdrücken der Taste und dem Erklingen des Tons ist. Zur Erzielung dieses Resultats wendet man in neuester Zeit Elektrizität an.

Ansprechen, in der Jägersprache ein Wild nach direkter Anschauung oder nach der Fährte richtig bezeichnen, mit Angabe von Alter, Geschlecht und Körperbeschaffenheit.

Ansprung, s. Milchschorf und Flechtengrind.

Anstand (lat. Decōrum), die Wahrung einer nach allgemeinen Gesetzen des Sittlichen geregelten äußerlichen Form gegen die Kundgebungen und gewaltsamen Tendenzen des Naturells im Individuum. Die Basis des Anstandes ist die Humanität, aber auch die Gediegenheit des Charakters. Je mehr der A. am Äußerlichen und Konventionellen hängt, desto hohler und wertloser wird er. Das Anstandsgefühl ist seine Quelle, nationale Eigentümlichkeiten bestimmen jedoch die Vollendung dieser individuellen Anlage. Der A. bethätigt sich in den höchsten Kundgebungen des menschlichen Ingeniums: in der Kunst, Poesie etc., wie in minder bedeutenden: in Tracht, Haltung, Benehmen. Unter Anstandsrollen versteht man im Theaterwesen solche Rollen, welche Haltung und Benehmen der höhern Gesellschaft und feinern Bildung und zwar meist leidenschaftslose Charaktere zur Darstellung bringen.

Anstand (Ansitz), in der Jägersprache jene Jagdart, wobei der Jäger frühmorgens oder am Abend dem wechselnden Wild an einem geeigneten Ort stehend oder sitzend mit dem Gewehr auflauert. Man unterscheidet nach den Tageszeiten den Abendanstand auf dem Auswechsel und den Morgenanstand auf dem Ein- oder Heimwechsel. Wichtig ist beim A. vor allem die rechte Wahl des Stand- oder Sitzorts; er gehört dazu eine genaue Kenntnis des Wildwechsels sowie sorgsame Berücksichtigung des Windes, indem der Jäger sich gegen das ankommende Wild stets unter dem Wind befinden muß. Während des Lauerns selbst sind Verborgenheit, Bewegungslosigkeit, Geduld und scharfe Aufmerksamkeit auf alles, was vorgeht, unerläßlich.

Anstandsbrief, s. Moratorium.

Ansteckende Krankheiten, s. Ansteckung.

Ansteckung (lat. Infectio), die Übertragung eines eigentümlichen, nach Art eines Giftes wirkenden Stoffs von außen her auf den tierischen Organismus, ist die Ursache zahlreicher, überaus wichtiger Erkrankungen, welche im allgemeinen mit dem Namen der Infektionskrankheiten belegt werden. Die A. geschieht entweder von Person zu Person, durch Kontagium, oder sie erfolgt ohne direkte Berührung mit Kranken vom Boden oder der Luft her, Miasma, oder es findet bei einer und derselben Krankheit bald die eine, bald die andre Art der Aufnahme oder beide zusammen statt, also eine kontagiös-miasmatische A.