712
Äquatorial.
zur Ablesung der Deklination. Ist das Fernrohr einmal auf einen Fixstern eingestellt, und erteilt man der Polarachse eine gleichförmige Bewegung, so daß sie in 24 Sternstunden eine Umdrehung macht, so bleibt das Fernrohr beständig auf den Stern gerichtet. Die spezielle Anordnung ist ziemlich verschieden, hauptsächlich unterscheidet man die englische und die deutsche Aufstellung. Bei der erstern ist die Polarachse an beiden Enden unterstützt, und dazwischen sind auf ihr die Lager für die Deklinationsachse angebracht; bei der deutschen Aufstellung aber, welche die verbreitetere ist, befindet sich die Deklinationsachse am obern Ende der Polarachse, wie dies die untenstehende Skizze des großen, von Grubb in Dublin gebauten Äquatorials der neuen Wiener Sternwarte zeigt. M ist das eiserne Gestell, AB die Polar- und CD die Deklinationsachse. Größere Fernrohre, Refraktoren wie Reflektoren, werden in der Regel als Äquatoriale aufgestellt oder, wie man auch sagt, parallaktisch montiert, damit sie der Bewegung der Sterne folgen können. Zu dem Zweck sind sie unter einem auf Rädern oder Kugeln beweglichen Kuppeldach aufgestellt, welches einen durch Klappen verschließbaren Einschnitt hat (vgl. Sternwarte). Die Drehung des Äquatorials um die Stundenachse erfolgt bei größern Instrumenten gewöhnlich durch ein kräftiges Uhrwerk. Bei dem großen Refraktor der Straßburger Sternwarte (s. Tafel "Astronomische Instrumente", Fig. 1), der auf einer 4 m hohen Säule ruht, die wieder auf einem großen Dreifuß unterhalb des Fußbodens auf einem Gewölbe steht, ist die Polarachse durch eine kräftige Stahlachse verkörpert, die sich im Innern des auf der abgeschrägten Fläche liegenden eisernen Hohlcylinders a befindet; b ist der Stundenkreis, und am obern Ende der Polarachse befindet sich dazu senkrecht die Deklinationsachse, die im Innern des in der Figur sichtbaren eisernen Hohlkörpers c drehbar ist und am einen Ende das damit fest verbundene Fernrohr und daneben den Deklinationskreis d sowie am andern Ende schwere Gegengewichte zur Herstellung des Gleichgewichts trägt. Das Uhrwerk, welches die erforderliche gleichmäßige Bewegung des Instruments hervorbringt, ist zur Vermeidung von Schwankungen des ganzen Instruments durch die Bewegung des Pendels, nicht wie bei ältern Instrumenten, an der Säule befestigt, sondern seitwärts in einer Nische der Turmwand aufgestellt und wirkt durch eine Verbindung von Zahnrädern und langen Triebstangen unterhalb des Fußbodens und im Innern der Säule sowie durch eine Schraube ohne Ende auf die am Stundenkreis angebrachte Zahnung ein; am Okularende e des Fernrohrs ist ein Fadenmikrometer angebracht. Soll der scheinbare Winkelabstand zweier im Gesichtsfeld des Fernrohrs sichtbarer Sterne bestimmt werden, so stellt man einen Spinnfaden des Fadennetzes auf den einen Stern und auf den andern einen mit ersterm parallelen Faden, der an einem in der Ebene senkrecht zur optischen Achse des Fernrohrs beweglichen Schieber befestigt ist. Das Fortrücken des Schiebers geschieht durch Drehung einer sehr fein geschnittenen Schraube, die am Ende eine Scheibe (Mikrometertrommel) trägt, deren versilberter Rand in eine gewisse Anzahl gleicher Teile, meistens 60 oder 100, eingeteilt ist. Die Größe der Verschiebung des Fadens wird dann durch die Anzahl der Umdrehungen der Schraube und die an der Trommel abgelesene Unterabteilung einer Umdrehung bestimmt, und wenn man den Wert einer Umdrehung in Bogenmaß kennt, so ist damit auch der scheinbare Winkelabstand bekannt, wenn man außerdem auch diejenige Ablesung der Trommel ermittelt, welche dem Zusammenfallen des festen und des beweglichen Fadens entspricht, und diese Zahl von der obigen subtrahiert. Zur Bestimmung der scheinbaren Lage zweier Sterne zu einander ist außer dem Abstand noch die Kenntnis des Winkels der Verbindungslinie beider Sterne gegen eine feste Richtung am Himmel, z. B. einen durch die Himmelspole gelegten größten Kreis, erforderlich, welcher Winkel der Positionswinkel genannt wird; derselbe wird dadurch bestimmt, daß man den ganzen Okularkopf des Fernrohrs um die optische Achse so weit dreht, bis einer der Spinnfäden durch beide Sterne hindurchgeht, und die entsprechende Stellung des Okularkopfs an einem Kreis, dem Positionskreis f, abliest. Der Positionskreis ist in der Figur am Okularende sichtbar, und der dem Okular noch nähere Messingring g dient zur Bewegung aus freier Hand; die genaue Einstellung geschieht dann durch eine feine Schraube. Die Äquatoriale dienen zu astrophysikalischen Forschungen und sind außerdem bestimmt, die gegenseitige Lage zweier im Gesichtsfeld sichtbarer Sterne und nicht etwa die absolute Stellung des Sterns am Himmel durch die Angaben der beiden Kreise zu liefern; aus diesem Grund sind auch die Kreise nicht mit der Sorgfalt wie am Meridiankreis geteilt, sondern dieselben dienen hauptsächlich zur Aufsuchung des Sterns am Himmel. Um das Einstellen des Fernrohrs zu bewirken, ohne die Ablesungen der Kreise direkt auszuführen, was bei den großen Dimensionen des Instruments sich nur durch hohe Leitern bewerkstelligen ließe, liegen parallel neben dem Fernrohr und mit diesem fest verbunden lange Mikroskope h, welche in Verbindung mit Spiegeln und Prismen i ein Bild der Teilung der Aufsuchungskreise zum Okularende des Fernrohrs führen, so daß der Beobachter von seinem Platz aus das Fernrohr richten kann. Damit der Beobachter bei jeder Richtung des Fernrohrs einen bequemen Sitz am Okular hat, läßt sich ein großer Fahrstuhl auf Schienen im Fußboden um das Instrument herumfahren, der eine auch in vertikaler Richtung verstellbare Plattform trägt. Die Beleuchtung des Fadennetzes und der in den Mikroskopen sichtbaren Stellen des Stunden- und Deklinations- sowie des Positionskreises wird durch eine mit einem Metallcylinder umgebene Petroleumlampe k bewirkt, die in der Figur gerade oberhalb des Okulars sichtbar ist. Vgl. Hansen, Theorie des Äquatorials (Leipz. 1855). Über ein wesentlich anders eingerichtetes A., welches Loewy nach einer Idee von Delaunay bauen ließ, vgl. "Comptes rendus", Bd. 96, S. 735.
^[Abb.: Äquatorial der Wiener Sternwarte.]