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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arndt

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Arndt.

intendentur zu Celle übertragen wurde. A. starb hier 1621. Abgestoßen von dem unevangelischen Geiste der meisten Theologen seiner Zeit, führte er die Religion im Sinn der alten volkstümlichen Mystik auf das Herz und das Leben zurück und ward ein Lehrer "vom inwendigen Reiche Gottes". Seine asketischen Schriften sind daher noch jetzt beliebte Erbauungsbücher. Besonders gilt dies von seinen "Vier Büchern vom wahren Christentum" (1605), seitdem sehr oft in Druck erschienen und fast in alle europäischen Sprachen übersetzt. Fast gleichen Ruf erlangten sein "Paradiesgärtlein voller christlicher Tugenden" (1612), seine "Postille" (1615), seine "Auslegung des Katechismus Lutheri" (1616) u. a. Eine Gesamtausgabe seiner Schriften erschien in Leipzig und Görlitz 1734-36, 3 Bde. Vgl. F. Arndt, Johann A. (Berl. 1838), und H. Pertz, De Joh. Arndtio (Hannov. 1852).

2) Karl Eduard, Geschichtschreiber, geb. 23. Febr. 1802 zu Wagrowitz in der Provinz Posen, studierte in Breslau und Berlin, lebte während der 40er Jahre nach längern Reisen eine Zeitlang in Paris, später in Berlin und starb 3. Sept. 1874 in Charlottenburg. Seine Hauptschriften sind: "Geschichte des Ursprungs und der Entwickelung des französischen Volks" (Leipz. 1844-46, 3 Bde.); "Geschichte der französischen Revolution von 1789 bis 1799" (Braunschweig 1851, 6 Bde.); "Geschichte der französischen Nationallitteratur von der Renaissance bis zur Revolution" (Berl. 1856). Zu Beckers bekannter "Weltgeschichte" lieferte er eine Fortsetzung vom Ausbruch der französischen Revolution bis auf die neueste Zeit (bis 1871) in 9 Bänden, welche weniger weitschweifig als seine frühern Werke ist; ihr fehlen aber auch wie jenen Frische der Darstellung und tiefere Auffassung des geistigen Inhalts. In frühern Jahren veröffentlichte A. auch einige Tragödien und "Israelitische Gedichte" (Stuttg. 1829).

Arndt, Ernst Moritz, deutscher Patriot, wurde 26. Dez. 1769 zu Schoritz auf der Insel Rügen geboren, die noch schwedisch war. Sein noch als Leibeigner geborner Vater, damals Inspektor auf dem Gute des Grafen Malte-Putbus, ließ ihn die gelehrte Schule zu Stralsund besuchen; 1789 vollendete er im Vaterhaus seine Vorbereitung für die Universität. Er besuchte zuerst Greifswald, dann Jena, wo er neben der Theologie mit Vorliebe Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften trieb. Nachdem er dann wieder eine Zeitlang in der Heimat als Kandidat und Hauslehrer zugebracht hatte, machte er 1798-99 eine größere Reise nach Österreich, Oberitalien, Frankreich und zurück durch Belgien und einen Teil von Norddeutschland, die er in den "Reisen durch einen Teil Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs" (Leipzig 1804, 4 Bde.) beschrieb, nachdem er schon vorher mehrere Reisewerke ("Reise durch Schweden", Berlin 1797, 4 Bde.; "Bruchstücke einer Reise durch einen Teil Italiens", Leipzig 1799, 2 Bde.; "Reise durch einen Teil Frankreichs", das. 1799, 3 Bde.) herausgegeben hatte. Nach seiner Rückkehr habilitierte sich A. im Jahr 1800 zu Greifswald als Privatdozent der Geschichte und Philologie, verheiratete sich mit der Tochter des Professors Quistorp, die ihm aber bald wieder durch den Tod entrissen ward, und erhielt, nachdem er sich ein Jahr (1803-1804) in Schweden aufgehalten, 1805 eine außerordentliche Professur. Die 1803 erschienene "Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen" zog ihm eine Anklage von seiten mehrerer adliger Gutsbesitzer zu. Der König von Schweden urteilte aber, nachdem er das Buch gelesen, A. habe recht gehabt, so zu schreiben, und hob 1806 die Leibeigenschaft und die Patrimonialgerichte in Vorpommern auf. Aus derselben Zeit datiert das Schriftchen "Germanien und Europa" (1803), worin A. die von Frankreich drohenden Gefahren beleuchtete. Die "Fragmente über Menschenbildung" (Altona 1805, 2 Bde.; 3. Bd. 1819) empfahlen eine kräftige Vorbildung des künftigen Geschlechts zur Natürlichkeit und Tüchtigkeit. Im Jahr 1806 erschien der erste Teil desjenigen Werks, durch welches A. am meisten auf seine Zeit eingewirkt hat, und in welchem sich seine Eigentümlichkeit am treuesten abspiegelt. Es ist dies der "Geist der Zeit" (6. Auflage des Ganzen, Altona 1877), dessen erster Teil die kommenden Ereignisse prophetisch voraus verkündete. A. selbst arbeitete damals in der schwedischen Kanzlei zu Stralsund. In jener Zeit war es, wo er mit einem schwedischen Offizier, der geringschätzig von Deutschland gesprochen, einen Zweikampf hatte, in dem er schwer verwundet wurde. Nach der Schlacht bei Jena floh er nach Schweden und fand dort eine Anstellung, die ihm Zeit ließ, den zweiten Teil des Werks "Geist der Zeit" auszuarbeiten, der 1809 in London erschien und im feurigsten patriotischen Schwung auf die Wege hinwies, auf denen allein Deutschland aus der Erniedrigung erlöst werden könne. Der Sturz des Königs Gustav IV. von Schweden bewog ihn 1809, sein bisheriges Asyl zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren, wo er nach einem Aufenthalt zu Berlin sein Amt in Greifswald für kurze Zeit wieder antrat und enge Beziehungen mit hervorragenden preußischen Patrioten anknüpfte. Im Jahr 1812 begab er sich nach Prag und von da nach Petersburg, auf eine Einladung des Freiherrn vom Stein, der in ihm einen kräftigen Beistand in der Anfeuerung des deutschen Nationalgeistes gegen die Fremdherrschaft zu finden glaubte. In diesem Sinn und im Auftrag Steins verfaßte A. Pamphlete, Aufrufe, Verkündigungen, Gegenschriften und Widerlegungen französischer Verkündigungen und Berichte, sowie er auch zu dem sehr ausgebreiteten Briefwechsel mit England und Deutschland, besonders in Sachen der zu errichtenden russisch-deutschen Legion, einer Koalition Englands mit Rußland etc., gebraucht wurde. Nach der großen Katastrophe in Rußland kehrte A. mit Stein nach Deutschland zurück und fuhr fort, das deutsche Volk durch allerhand fliegende Blätter und Schriften, wie: "Was bedeutet Landwehr und Landsturm?", den "Deutschen Volkskatechismus", "Über Entstehung und Bestimmung der deutschen Legion", "Grundlinien einer deutschen Kriegsordnung" und die Schrift "Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze", zu patriotischen Thaten anzufeuern. Alle diese Schriften kennzeichnen A. als entschiedenen Gegner Frankreichs und des Franzosentums; so auch die Flugblätter: "Über Volkshaß und über den Gebrauch einer fremden Sprache" (1813), "Über das Verhältnis Englands und Frankreichs zu Europa" (1813), "Noch ein Wort über die Franzosen und über uns" (1814). In dem Schriftchen "Das preußische Volk und Heer" (1813) schildert er mit beredten Worten, wie Preußen aus tiefstem Sturz wieder auferstanden sei durch die zwei Mittel, welche die Staatsleiter mit wahrer Umsicht angewendet: "den Geist freizulassen und das Volk kriegsgeübt zu machen". Aus derselben Zeit stammen die schönsten seiner Lieder, die Kriegs- und Vaterlandslieder. Eine besondere Sammlung patriotischer Lieder Arndts erschien schon 1813 unter dem Titel: "Lieder für