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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Asien

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Asien (Pflanzen- und Tierwelt).

Hierzu kommen auf den weiten Hochebenen die großen täglichen Schwankungen zwischen der heißen Tageszeit und den durch die Ausstrahlung abgekühlten Nächten. Schnee fällt in jedem Winter auf allen Gebirgen Asiens. In den Steppen Zentralasiens sind Schneestürme Menschen und Vieh sehr gefährlich; auf der nur 150-200 m hohen Wüste Usturt, unter gleicher Breite mit Venedig, gingen 1839 Tausende von Lasttieren und ein großer Teil der Mannschaft der Perowskischen Expedition nach Chiwa zu Grunde. Ebenso verderblich wurden jene Schneestürme 1842 den Engländern auf ihrem Rückzug aus Kabul (Afghanistan) über die Chaiberpässe nach Peschawar (Indien). Auch die südliche Mandschurei, ein großer Teil der Mongolei, Korea, ein Teil Japans, das nördliche China und Turkistan oder die östlich vom Aral- und Kaspisee gelegenen Länder, sodann die höhern Gegenden von Persien und Afghanistan, die Kaukasusländer und der südliche Teil Astrachans, Kleinasien und Armenien sind kälter als die entsprechende Zone im mittlern und südlichen Europa und in Nordafrika. In den Alpenländern dieser Erdstrecken herrschen Alpenklima und Alpenvegetation, aber die Hochthäler kennzeichnen sehr kalte Winter und glühende Sommer; Mannigfaltigkeit der Vegetation ist nur, wo Bewässerung möglich gemacht wurde. Von 35° nördl. Br. an bis 11° südl. Br. liegt der asiatische Kontinent mit seinen Inseln in der subtropischen und tropischen Zone. Dahin gehören das südliche China und Japan nebst ihren Inseln, ganz Indien und das dazu gehörige Inselmeer, die südlichen Teile von Afghanistan und Iran, Arabien und das osmanische A. in seinem südlichen Teil. In den Grenzgebirgsketten und Alpenländern, welche in diese Zone fallen, herrscht auf den höchsten Spitzen immer noch der ewige Winter, in den Hochthälern alpines Klima, in den Thälern subtropischer Sommer, die größten Kontraste oft dicht nebeneinander. Die an diese Gebirgsmauern gelagerten Landstriche genießen von ihnen erfrischende Kühlung; die weiten an die See hingestreckten Flachländer dagegen werden von den Monsunen in der Regenzeit erquickt. Der Niederschlag der tropischen Sommerregen hält mit europäischen Verhältnissen keinen Vergleich aus; zu Tscherrapundschi im Khassiagebirge im östlichen Assam (Vorderindien), in 1256 m Höhe, beträgt derselbe die ungeheure Menge von 14,198 mm oder 524,5 Par. Zoll, in Mahabaleschwar, der regenreichsten Gegend des Dekhan, 6453 mm oder 238,4 Zoll. Das südasiatische Klima ist deshalb an vielen Orten warmfeucht; in Japan z. B. ist die Luft so feucht, daß nur die Hälfte aller Tage hell ist.

Pflanzen- und Tierwelt.

Beide vereinigen ebenso wie das Klima Asiens in sich die Gegensätze der Mannigfaltigkeit und Einförmigkeit. Jene wird erzeugt durch die Erhebung von Ländermassen in der Richtung der Parallelkreise hoch über das Meeresniveau. Länder, die einer und derselben klimatischen Zone angehören, zerfallen dadurch in Beziehung auf ihre Produkte in mehrere Striche. Umgekehrt entsteht Einförmigkeit durch die große Übereinstimmung, welche ausgedehnte Länderstriche, die durch mehrere klimatische Zonen reichen, in ihrer ganzen Bodenbeschaffenheit miteinander besitzen. In Bezug auf die Tierwelt ward in neuerer Zeit die Zugehörigkeit des nördlichen und zentralen A. hinab bis zum Himalaja zu Europa hinauf bis Skandinaviern und hinüber bis Grönland erwiesen. - Den ausgedehnten Gürtel der arktisch-alpinen Flora und Fauna kennzeichnen graugrüne Torfmoose, roter Widerthon (Polytrichum) und blendend weiße Renntierflechten; sie bedecken in trostloser Einförmigkeit den Boden der schwammigen, nur im Winterfrost festen, seenreichen sibirischen Tundra, die auf ewigem Eis ruht. Nur hier und da bringt ein kleiner Fleck mit Riedgräsern einige Mannigfaltigkeit in ihr gleichförmiges Kolorit. Wo die Sonne während des kurzen, vom Juni bis Mitte August reichenden Sommers mit seiner Temperatur von 28° R. (gegen -30° im Winter) den Felsboden erwärmt, da kriechen die krautartige und die Polarweide (Salix herbacea und polaris) durch das Moos, lockt der kurze Sommer ausdauernde Kräuter mit großen, schönen Blüten hervor: Ranunkeln, Sieversien, Mohne, Saxifragen u. a.; aber nur unter den Kruciferen gibt es einjährige Pflanzen. In wärmern, feuchten Strichen erhebt sich das blaue Polemonium zu Fußgröße; Zwergbirken, Zwergerlen, Zwergzedern (Pinus daūrica), in deren Zone selbst die nordischen Beerensträucher reichen, erscheinen in den südlichen Teilen der Tundra. Die Baumgrenze liegt östlich vom Ural unter 67° nördl. Br., am Jenissei unter 69½, an der Lena unter 71 und an der Küste des Tschuktschenlands unter 64° nördl. Br. Entsprechend einförmig ist auch die Tierwelt; fast ganze Klassen fehlen. Am größten ist die Menge der Fische und Seevögel an der Küste, die auch die Heimat des Eisbären ist.

Im südlich sich anschließenden Gürtel der europäisch-sibirischen Flora sind die nördlichen Waldungen gebildet aus der Zirbelkiefer (Pinus Cembra), der sibirischen Lärche (Larix sibirica) und der sich hinzugesellenden Weißbirke. Dichte Nadelwälder, zusammengesetzt aus Lärchen, Zirbeln, sibirischen Fichten (Abies obovata), Weißtannen und südlicher von Kiefern (Pinus sylvestris), bedecken bis gegen den Gebirgsfuß hin große Flächen. Moos und Flechten halten den Boden feucht. Erlen, Weiden und Pappeln treten vornehmlich an den Flüssen auf; das Unterholz besteht aus Spiräen, Vogelbeeren (auf Kamtschatka außer der gewöhnlichen noch Pirus sorbifolia), auch Rosen; sie machen am Nordufer des Amur den Wald beinahe undurchdringlich. Diese Wälder sind die Standorte für zahlreiche Pelztiere. Hier hausen braune und schwarze Bären, Wölfe, verschiedene Füchse, der Zobel, das Hermelin, der Nerz und die Fischotter, der fast ausgerottete Biber, Eichhörnchen, Ziesel, das sibirische Murmeltier und der Pfeifhase, auf den Gebirgen im O. das wilde Renntier, südlicher auch das Elen. Dazu kommen zahlreiche Waldhühner, der Auerhahn, das Birk- und Haselhuhn; in den Flüssen eine Fülle von Fischen, vornehmlich zur Wanderungszeit die in vielen Arten vertretenen Geschlechter der Salme und der Störe. Auf den Weiden schwärmen zahllose lästige Mückenvölker, Bremsen und Bremen. Der südsibirischen Flora im Altai und in Daurien ist eine Menge schön blühender Sträucher eigen, viele gegenwärtig eine Zierde unsrer Gärten: der Zwergapfel (Pirus baccata), die Strauchrobinien (Robinia Caraghana u. a.), Jelängerjelieberarten (Lonicera tatarica, coerulea), Clematis integrifolia sind sämtlich vom Altai bei uns eingeführt worden. Reich ist diese Flora besonders an Orchideen. Die großblätterigen Rhabarber und Herakleen (Heracleum dauricum) unsrer Gärten geben ein anschauliches Bild von der Entwickelung der Kräuterwiesen in beiden Gebirgen. Getreidebau, Bau von Kartoffeln und Küchenkräutern gehen durch ganz Südsibirien, selbst in Kamtschatka wird noch Gerste gebaut; in der sibirischen Tiefebene gilt das zehnte Korn als schlechte Ernte. Das euro-^[folgende Seite]