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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Astronomie

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Astronomie (Brahe, Kepler, Galilei, Newton etc.).

feln. Mannigfache Verbesserungen erfuhren in dieser Zeit die astronomischen Instrumente und die Beobachtungsmethoden. Besonders sind die Erfindungen des Transversalmaßstabs, des Nonius und des Proportionalzirkels hervorzuheben. Auf der vom Landgrafen Wilhelm IV. zu Kassel errichteten Sternwarte arbeiteten Christ. Rothmann und Justus Byrg mit außerordentlicher Thätigkeit. Sie bestimmten 900 Sterne, suchten eifrig nach der Sonnenparallaxe, gelangten aber zu der Überzeugung, sie sei für ihre Instrumente unmeßbar. Auch befolgten sie bereits die in neuerer Zeit von Bessel wieder zur Anwendung gebrachte Methode, das Passageinstrument im ersten Vertikal zu gebrauchen. In die zweite Hälfte des 16. Jahrh. gehört auch die Kalenderverbesserung Gregors XIII. (s. Kalender). Der größte Astronom des Jahrhunderts nächst Kopernikus ist aber Tycho Brahe.

Tycho Brahe (1546-1601) ist der Reformator der Beobachtungskunst, wie Kopernikus der des Weltsystems. Er war der erste, der die Breite seines Beobachtungsorts durch Zirkumpolarsterne bestimmte und zur Berichtigung seiner Instrumente anwendete, der erste, der die Refraktion bei seinen Beobachtungen in Rechnung brachte, obwohl er in Erklärung dieser Erscheinung nicht glücklich war. Er entdeckte die Variation und die jährliche Ungleichheit der Mondbahn. Auch zeigte er, besonders durch Beobachtungen an dem Kometen von 1577, daß diese Körper sich weit jenseit des Mondes befinden. Brahe ist auch der erste seit Hipparch, der eine Berichtigung sämtlicher Elemente unternahm und durchführte; er hat 777 Sterne mit Sorgfalt und einer mindestens sechsmal so großen Genauigkeit als Hipparch beobachtet. In Prag, das dem in seinem Vaterland in Ungnade gefallenen Astronomen eine Freistätte bot, fand der große Meister seinen noch größern Schüler. Johann Kepler (1571 bis 1630) benutzte Brahes und seine eignen Beobachtungen, um die wahre Gestalt der Planetenbahnen zu erforschen, und fand nach langen vergeblichen Versuchen das Rechte. Namentlich war es der Planet Mars, dessen Bewegung er mit der noch von Kopernikus festgehaltenen Theorie eines exzentrischen Kreises unvereinbar fand. In seinem Hauptwerk: "Astronomia nova de motibus stellae Martis" (Prag 1609), legte er seine mühsam, fast nur durch Versuche gewonnenen beiden ersten Gesetze nieder; neun Jahre später folgte in der "Harmonia mundi" das dritte. Die von ihm gefertigten sogen. Rudolfinischen Tafeln übertrafen alles in diesem Fach bisher Geleistete. Kepler erlebte noch die Anwendung des neuerfundenen Fernglases und machte selbst Vorschläge zu dessen Verbesserung. Die 1608 in Holland von Hans Lippershey zu Middelburg gemachte Erfindung verbreitete sich rasch im ganzen gebildeten Europa, und die wichtigsten Entdeckungen am Himmel folgten nun rasch aufeinander. Simon Marius fand die Jupitertrabanten, Scheiner die Sonnenflecke, Galilei die Sichelgestalten der Venus und die ersten Spuren des Saturnrings, die Ringgebirge des Mondes u. a. In wenigen Jahrzehnten hatten sich die Objekte der A. nach allen Seiten hin mehr als verdoppelt, und das bewaffnete leibliche Auge durchschaute Fernen, welche vorher selbst das geistige nicht geahnt hatte; dieses aber erhob sich erst jetzt zu einer einigermaßen würdigen Vorstellung vom Weltall. Galilei (1564 bis 1642) war der größte Naturforscher seiner Zeit, durch physikalische, mechanische und astronomische Entdeckungen gleich ausgezeichnet. Seine ersten großen, freilich erst später in ihrer wahren Bedeutung für die A. erkannten Entdeckungen waren die Gesetze der Pendelschwingungen und des freien Falles der Körper. Er zeigte ferner, daß das Gewicht der Körper keinen Einfluß auf die Gesetze des Falles habe, sondern nur der Widerstand der Luft. Als Astronom war er einer der unermüdlichsten Beobachter, aber viele seiner Entdeckungen sind nur in vertrauten Briefen an Freunde enthalten. Er schlug zuerst die Trabanten des Jupiter zu Längenbestimmungen vor, beobachtete und beschrieb drei Kometen und entdeckte mit dem letzten Rest seines Augenlichts noch 1637 die Libration des Mondes. René Descartes (Cartesius, 1596-1650) versuchte, die Natur und Bewegung der Himmelskörper durch seine berühmt gewordene, aber unhaltbare Wirbeltheorie zu erklären. Verdienter hat sich Cartesius um die Physik und auch um die A. durch seine Untersuchungen über das Licht gemacht. Was er über Strahlenbrechung und Reflexion sowie über Fern- und Vergrößerungsgläser gesagt hat, sichert ihm einen ehrenwerten Platz auch unter den Astronomen. Schon in Galileis Zeit fallen die ersten Versuche, die Mondoberfläche darzustellen: Galilei selbst, Scheiner, Rheita versuchten sich darin ohne sonderlichen Erfolg. Hevel in Danzig ist der erste, der 1643 ein Mondbild zu stande brachte; sein Sternkatalog wurde bald durch andre verdrängt, aber mehrere Sternbilder tragen bis heute die Namen, welche er ihnen gab. Riccioli, der Verfasser eines neuen "Almagest", gab wenige Jahre später eine neue, von Grimaldi verzeichnete Mondkarte heraus, die aber der Hevelschen nachstand.

In die zweite Hälfte des 17. Jahrh. fallen die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts durch Olaf Römer 1675; die Wahrnehmung und Erklärung der Abnahme der Länge des Sekundenpendels mit abnehmender geographischer Breite durch Richer; die wichtigen Arbeiten des ältern Cassini an der 1667 erbauten Pariser Sternwarte, der mit seinen bis über 62 m langen Fernrohren hauptsächlich die Planetenoberflächen untersuchte, ihre Flecke, ihre Rotationszeit, ihre Trabanten, ihre Abplattung etc. bestimmte, auch die genauere Form des Librationsgesetzes entdeckte und überhaupt der thätigste Astronom seiner Zeit war; ferner die Entdeckung der wahren Gestalt des Saturnrings und des ersten (in der Reihenfolge der Abstände vom Saturn sechsten) Saturntrabanten durch den großen Physiker Huygens; die Erkennung der wahren Gestalt der Kometenbahnen durch Dörfel; endlich die größte aller physischen Entdeckungen: das Newtonsche Gravitationsgesetz. Der Entdeckung des Gesetzes der Schwere war bereits mehrfach vorgearbeitet. So suchte der Italiener Borelli in seiner "Theorie der Mediceischen Planeten" (Flor. 1666) die Bewegungen der Himmelskörper von der gegenseitigen Anziehung abzuleiten und verglich diese Anziehung mit der des Magnets. In England hatte schon zu Anfang des 17. Jahrh. Gilbert an die gegenseitige Anziehung des Mondes und der Erde, der Planeten und der Sonne etc. geglaubt und diese Ansicht in der Schrift "De mundo nostro sublunari philosophia nova", welche erst nach seinem Tod 1651 erschien, ausgesprochen. Auch Kepler hatte schon ziemlich richtige Ansichten von der Anziehung der Himmelskörper. Als ein rein mechanisches Problem faßten dieselbe zuerst Wren und Hooke auf, Newtons ältere Zeitgenos-^[folgende Seite]