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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Auge

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Auge (des Menschen).

gallertartige Substanz, welche durch eine eigne zarte Membran, die Glashaut, zusammengehalten wird. Letztere heftet sich, indem sie sich in zwei Blätter spaltet, sowohl an die vordere als auch an die hintere Wand der Linsenkapsel an und verschmilzt mit ihnen, jedoch nicht so vollständig, daß nicht ein um die Linsenkapsel herumlaufender, mit einer wasserhellen Flüssigkeit gefüllter Kanal, der Petitsche Kanal, übrigbliebe. Der Raum vor der Linse und der Iris heißt die vordere, der seitlich von der Linse und hinter der Iris gelegene die hintere Augenkammer; beide sind mit der klaren, sogen. wässerigen Augenflüssigkeit (Humor aqueus) ausgefüllt, welche von den Gefäßen der Ciliarfortsätze abgesondert wird und die beiden Augenkammern sowie besonders die Hornhaut in Spannung zu erhalten hat.

Die von einem zu sehenden Gegenstand ausgesandten Lichtstrahlen gelangen, nachdem sie durch die Linse und den gleichfalls durchsichtigen Glaskörper in besonderer Weise gebrochen sind, auf die im Hintergrund des Auges befindliche Netzhaut (Retina, Fig. 7), wo sie unter normalen Verhältnissen sich zu einem Bildchen des Gegenstandes vereinigen. Die Netzhaut, nach hinten zu von der undurchsichtigen Aderhaut umgeben, ist nichts weiter als die flächenhafte Ausbreitung des Sehnervs in Gestalt einer zarten Haut, welche sich nach vorn bis an die Ciliarfortsätze erstreckt, jedoch nur bis etwa zur Augenmitte der Lichtempfindung dient. Der Sehnerv (Nervus opticus, Fig. 1, 2, 3, 4, 6, 10) entspringt im vordern Teil des Gehirns und zwar so, daß derjenige für das rechte Auge von der linken Hirnhälfte und umgekehrt herstammt. Es findet daher beim Austritt der beiden Nerven aus dem Gehirn eine vollständige Kreuzung aller Fasern (Chiasma nervorum opticorum, Fig. 1 b) statt. Darauf tritt der Nerv, indem seine Umhüllung mit der weißen Augenhaut verschmilzt, durch ein Loch in der letztern in das A. ein und breitet sich hier als Netzhaut aus; indessen liegt die Eintrittsstelle (die sogen. Papilla optica oder der blinde Fleck, Fig. 7 b) nicht genau in der Mittellinie (Achse) des Auges, sondern mehr nach innen zu. Dem Achsenpunkt der Netzhaut entspricht eine etwas verdünnte Stelle, deren Umfang gelblich gefärbt ist (Macula lutea retinae, gelber Fleck, Fig. 7 a). Hier findet das schärfste Sehen statt (s. Gesicht). Die Netzhaut hat einen außerordentlich komplizierten Bau, der jedoch im einzelnen trotz aller Bemühungen noch nicht völlig aufgeklärt ist (s. Gesicht).

Die sechs Augenmuskeln ermöglichen die Bewegung des Augapfels in allen Richtungen: der gerade äußere und innere (Fig. 1 d, e; Fig. 3 a) dienen zur horizontalen, der gerade obere und untere (Fig. 2; 3 b, c) zur vertikalen und der schiefe obere und untere (Fig. 2; 3 d, e) zur schrägen Bewegung. Der schiefe obere Muskel läuft hierbei durch eine besondere sehnige Schleife (Rolle, Fig. 3 f). Da die zwei schiefen Muskeln von vorn, die vier geraden von hinten her am Augapfel ziehen, so wird bei Anspannung von allen zusammen (d. h. beim Blicke geradeaus) ein Zurückweichen desselben in die Augenhöhle vermieden; überdies ruht der Augapfel auf dem Fettpolster (Fig. 2), welches im Hintergrund der Augenhöhle alle Lücken ausfüllt. Gewöhnlich bewegen sich beide Augen stets zusammen in gleicher Richtung; überwiegt der äußere oder innere gerade Muskel über den innern oder äußern, so findet Schielen statt. Die Augenlider (Palpebrae, Fig. 2 a, b) sind zwei bewegliche, faltenartige Fortsetzungen der äußern Haut, welche den Augapfel von vorn her bedecken und sich beim Schluß mit ihren Rändern berühren; im Innern hat jedes zwei halbmondförmige Bindegewebsscheiben (sogen. Knorpel) und wird dadurch steif erhalten. Nahe dem Vorderrand ragen die Augenwimpern (Cilia) hervor (oben 100-150, unten 50-75), mehr nach hinten liegt eine Reihe feinster Öffnungen von etwa 30 eigentümlichen Talgdrüsen (Meibomsche Drüsen, s. d. und Fig. 9). Zur willkürlichen oder unwillkürlichen (sogen. Blinzeln) Bewegung der Lider dient der Öffner der Augenlidspalte oder Hebemuskel (Levator palpebrae superioris, Fig. 2 c, 9), welcher das obere Lid in die Höhe hebt, sowie der ringförmige Schließmuskel (Orbicularis palpebrarum, s. Tafel "Muskeln des Menschen", Fig. 1, und Tafel "Nerven I", Fig. 2). Die innere Haut der Lider setzt sich auf den Augapfel als sogen. Bindehaut (Conjunctiva, Textfig. 3) fort und überkleidet ihn mit Ausnahme der Hornhaut, welche nur einen ganz feinen Überzug erhält, von vorn. Eine besondere Falte im innern Augenwinkel (Fig. 8) ist ein Überrest des schon oben erwähnten dritten Augenlides, der Nickhaut (s. d.). Der Thränenapparat (Fig. 9), zur Absonderung und Wegleitung der Thränen (Lacrymae), besteht aus der Thränendrüse und der Thränenleitung. Erstere (Fig. 9 a) ist im äußern Augenwinkel an das Dach der knöchernen Augenhöhle (s. unten) befestigt; die von ihr abgesonderten Thränen (sie enthalten ungefähr 1 Proz. feste Substanz) gelangen durch 7-10 enge Ausführungsgänge im äußern Augenwinkel auf die Hornhaut, benetzen diese und die Innenfläche der Lider und fließen im innern Augenwinkel durch zwei trichterförmige Öffnungen (Thränenpunkte) in den Thränengang, von da in den Thränensack und so in die Nasenhöhle.

Die knöcherne Augenhöhle (Orbita, Fig. 1, 3), in welcher das A. liegt, wird von Teilen verschiedener Schädelknochen, die hier zusammenstoßen, gebildet (s. Tafel "Skelett II", Fig. 1). Die Blutgefäße des Auges treten mit dem Sehnerv in sie ein; zum Teil verlaufen sie im Innern des Sehnervs als dessen Zentralgefäße und gelangen so zur Netzhaut, wo ihre Verzweigungen (Fig. 7) mit dem Augenspiegel sichtbar sind, ferner gehen sie zu der äußerst blutreichen Aderhaut und bilden dort dichte Netze von Kapillaren, endlich zu den Muskeln etc. der Augenhöhle. Die Venen der Netzhaut haben denselben Verlauf wie die Arterien (Fig. 7); diejenigen der Aderhaut heißen Strudelgefäße (Vasa vorticosa, Fig. 6 a) wegen ihres eigentümlich geschlängelten Verlaufs; einige aus dem Ciliarmuskel kommende kleine Venen vereinigen sich zu einer ringförmigen Vene, dem sogen. Schlemmschen Kanal. Als Bewegungsnerven dienen das 3., 4. und 6. Hirnnervenpaar (s. Gehirn und Tafel "Nerven I", Fig. 1), von denen das letztere (Nervus abducens) zum äußern geraden, das 4. Paar (Nervus trochlearis) zum obern schiefen Augenmuskel und das 3. Paar (Nervus oculomotorius) zu den übrigen Muskeln geht. Besonders stark sind unter seinen Zweigen die Ciliar- oder Blendungsnerven (Nervi ciliares, Fig. 6, 11), welche die Verengerung und Erweiterung der Pupille herbeiführen. Der Schließmuskel der Augenlider bekommt seine Bewegungsnervenfasern von dem Gesichtsnerv (Nervus facialis). Die Empfindungsnerven des Auges kommen von der größern Portion des 5. Gehirnnervenpaars (Nervus trigeminus) her. Über den Sehnerv s. oben. Die Farbe des Auges rührt, wie oben erwähnt, von der Verteilung des Farbstoffs in der Regenbogenhaut her. Der Glanz