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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Augenfell; Augengeschwülste; Augenglas; Augenheilkunde

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Augenfell - Augenheilkunde.

matismus, Katarrhen etc. leiden. Im Beginn rötet sich die Bindehaut (d. h. die innere Fläche der Augenlider und das Weiße im Auge), sie verliert ihren Glanz und ihre Durchsichtigkeit und schwillt an. Die Röte breitet sich allmählich aus und wird immer lebhafter. Das Auge fühlt sich je nach dem Grade der Entzündung wärmer an als im normalen Zustand. Stets ist es empfindlicher gegen helles Licht, oft selbst in hohem Grad lichtscheu und in der Regel schmerzhaft, häufig beobachtet man kleine Eiterpusteln (Phlyktänen) auf der Bindehaut (s. Tafel "Augenkrankheiten", Fig. 1). Die Empfindung ist in geringen Graden bloß juckend oder schabend, als ob ein Sandkorn im Auge wäre, in höhern Graden drückend und spannend oder stechend und klopfend. Fast stets findet eine reichlichere Abänderung von teils wässeriger (Thränen), teils schleimiger Feuchtigkeit auf der Bindehaut statt. Beim Erwachen aus dem Schlaf pflegen die Augenlider solcher Patienten durch die eingetrocknete Feuchtigkeit zusammengeklebt zu sein. Zweifellos ansteckend und wohl immer durch Ansteckung hervorgerufen sind die schweren, sogen. blennorrhöischen Formen der A., welche mit starker Schwellung und Eiterbildung einhergehen und sich in höchsten Graden zu kruppösen oder diphtheritischen Formen steigern können. Im letztern Fall erfolgt Geschwürbildung und nicht selten Verlust des ganzen Auges. Dauert der Entzündungsreiz fort, was namentlich bei der durch Ansteckung entstandenen ägyptischen A. stattfindet, bei welcher unter Vermittelung niederster Organismen der Eiter immer von neuem als Reizmittel wirkt, so kommt es im chronischen Stadium der Blennorrhöe zur Bildung sogen. Granulationen aus der Konjunktiva. Solange Eiter gebildet wird, besteht die Gefahr der Ansteckung. Ist die abgeänderte Flüssigkeit aber klar und wässerig geworden, so ist sie in der Regel nicht mehr ansteckend, auch wenn die Bindehaut noch gerötet und etwas aufgelockert sein sollte. Tritt die blennorrhöische A. in ein chronisches Stadium, so wird die Bindehaut gewulstet (Trachom), die stark erweiterten kleinen Gefäße verleihen dem Auge ein blutrotes Aussehen; der Schmerz nimmt allmählich ab, während die Thränenabsonderung fortbesteht. Es kann dann Trübung der Hornhaut, Geschwürbildung in derselben, ja völlige Blindheit den Ausgang der A. bilden. Zu den granulierenden ansteckenden Ophthalmien gehören die sogen. Ägyptische A. (s. d. und Tafel "Augenkrankheiten", Fig. 2, 3), der Augentripper (Ophthalmia gonorrhoica), welcher durch Ansteckung mit Trippereiter bei unreinlichen Personen hervorgerufen wird und sehr heftig aufzutreten pflegt, und die A. der Neugebornen (O. neonatorum), welche einzig durch Ansteckung mit unreinem Sekret während des Geburtsaktes entsteht. Alle diese Ophthalmien sind, wenn sie nicht rechtzeitig in die Behandlung eines tüchtigen Arztes kommen, äußerst gefährlich. Die Behandlung der A. besteht bei frischem Katarrh in anhaltenden eiskalten Umschlägen von dünnem Bleiwasser, Ruhe des Auges und des ganzen Körpers bei mäßiger Diät und kühlenden Abführmitteln (Glaubersalz). Vor allem ist zur Vermeidung weiterer Ansteckung äußerste Reinlichkeit in Schwämmen, Handtüchern, Händen und Wäsche geboten. Die schweren Formen erfordern möglichst frühzeitige ärztliche Hilfe. Über A. bei Tieren s. Augenkrankheiten; periodische A., s. v. w. Mondblindheit.

Augenfell (Flügelfell, Pterygium), eine Verdickung der Bindehaut des Auges in Form eines Dreieckes, das mit seiner Basis gegen den innern Augenwinkel gerichtet zu sein pflegt, mit seiner Spitze aber der Hornhaut aufliegt. Die Spitze des Augenfells wächst stets vom Rande der Hornhaut nach deren Zentrum hin, erreicht dasselbe aber nur sehr selten. Das A. kommt am häufigsten bei bejahrten Leuten vor, welche sich in einer mit Staub und scharfen Dünsten erfüllten Atmosphäre aufhalten müssen. Es sind gewöhnlich keine besondern Beschwerden damit verbunden; in den seltenen Fällen, wo das Sehvermögen darunter leidet, muß seine Heilung auf operativem Weg angestrebt werden.

Augengeschwülste. Die verschiedenen Gewebe des Auges bringen bei Entartungen zu krankhaften Neubildungen sehr verschiedene Geschwülste hervor. An den Lidern entstehen Blutmäler, Warzen, Bindegewebsgeschwülste, zuweilen mit Amyloidentartung, und im höhern Alter Krebsgeschwüre. An der Bindehaut kommen mehr weiche, zellenreiche Bindegewebsgeschwülste oder Sarkome vor. Die Hornhaut ist primär wohl nur mit kleinen Dermoidgeschwülsten behaftet. Dagegen neigen die Iris und Aderhaut vorzugsweise bei Kindern zur Bildung bösartiger Geschwülste (Sarkome, Krebse), welche entsprechend dem Mutterboden gefärbte pigmentierte Zellen enthalten und daher zu den melanotischen Tumoren gehören; sie sind unbestritten die bösartigsten Neubildungen, welche überhaupt vorkommen, so daß sie in ganz kurzer Frist sekundäre Knoten in der Nachbarschaft sowie in Lunge, Leber, Gehirn etc. setzen, welche den Tod an Lähmung dieser Organe oder an allgemeiner Schwäche herbeiführen. Die Netzhaut produziert weniger schlimme Sarkome und Gliome, eine weiche, zellenreiche, relativ gutartige Geschwulstart von dem Bau des Nervenzwischengewebes. Die Behandlung aller dieser A. ist nur durch Operation möglich, es ist aber besonders bei den melanotischen Augengeschwülsten zu beherzigen, daß jeder Tag Aufschub die Gefahr vergrößert, da es nicht selten beobachtet worden ist, daß zur Zeit, als das kranke und stets für immer verlorne Auge entfernt wurde, die Ausbreitung schon stattgefunden hatte, so daß der Tod nicht mehr verhütet werden konnte.

Augenglas, s. v. w. Okular.

Augenheilkunde (Ophthalmiatrik), die Lehre der Krankheiten des Auges und seiner zugehörigen Nebenorgane. Schon bei den alten Kulturvölkern, den Ägyptern, Indern, Griechen und Römern, gab es Augenärzte, welche sich mehr oder weniger ausschließlich mit Augenkrankheiten befaßten. Sie behandelten aber vorzugsweise nur die äußerlich sichtbaren Entzündungen und die Verletzungen des Auges; das übrige Heer der Augenkrankheiten, etwa mit Ausschluß der Starkrankheiten, war ihnen ganz unbekannt. Hippokrates, Celsus und Galen hatten eine eingehende Kenntnis von den Augenkrankheiten und ihrer Behandlung. Unter den spätern griechischen Ärzten haben Aetius und Paul von Ägina die Augenkrankheiten vortrefflich in ihren Werken abgehandelt. Unter den arabischen Ärzten sind Avicenna, Avenzoar und Abulkasem als Augenärzte ausgezeichnet, und ihre Schriften über Augenkrankheiten sind besonders beachtenswert. Mit dem Verfall der arabischen Medizin beginnt für die A. ein langer und trauriger Zeitraum, welcher bis in das 18. Jahrh. sich erstreckt und dadurch charakterisiert ist, daß die A. in die Hände unwissender Routiniers geriet, welche, in den Barbierstuben erzogen, gleich chirurgischen Handlangern ihr Fach behandelten. Die Ärzte betrachteten die A. als ein ihrer unwürdiges Studium. Marktschreier durchzogen das Land und boten den