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Augsburg (Beschreibung der Stadt).
Dom verdient die katholische St. Ulrichs- und Afrakirche, 1477-1607 erbaut und auf einer Anhöhe in der Nähe des Roten Thors gelegen, Erwähnung. Es ist ein spätgotischer Bau, der ein prächtiges, hoch gewölbtes Mittelschiff, daneben sehr niedrige Seitenschiffe enthält; der 102 m hohe Turm wurde gegen Ende des 16. Jahrh. ausgebaut. Die Kirche steht auf dem Platz, wo die ersten Christen der Gegend den Märtyrertod erlitten, und wo man über der Gruft der heil. Afra bereits im 6. Jahrh. eine Kapelle errichtet hatte. Die Hauptpfarrkirche der Protestanten ist die St. Annenkirche, welche in Gemäßheit des Westfälischen Friedensschlusses 1649 in den Besitz der Evangelischen kam, aber ihre gegenwärtige Gestalt erst 1747 erhielt. Im ganzen hat A. 19 Kirchen, darunter 5 katholische und 5 prot. Pfarrkirchen. Eine Hauptmerkwürdigkeit der Stadt ist das Rathaus, 1615-20 im elegantesten Renaissancestil von Elias Holl erbaut. Das Gebäude ist 43 m breit, auf der Ostseite 44,5, auf der Westseite 51 m hoch. Ein weites, 6,4 m hohes und 3,8 m breites Portal von rotem polierten Marmor bildet den Eingang; über den Thorflügeln halten zwei Greife das aus Metall gegossene Stadtwappen. Die beiden Türme, das Dach und die Altane sind mit Kupfer gedeckt. Die größte Zierde des ganzen Hauses ist der sogen. "goldene Saal", welcher 14,22 m hoch, 17,3 m breit und 32,65 m lang ist. Die Decke, durch ein Hängewerk getragen, prangt mit vergoldetem Schnitzwerk, und der Fußboden des Saals ist mit weißen, roten und grauen Marmorplatten belegt. Ehedem versammelte sich hier der Große Rat an den jährlichen Ratswahltagen, um pro forma die beiden Stadtpfleger zu bestätigen. An den Ecken des Saals befinden sich die vier sogen. Fürstenzimmer. Nördlich vom Rathaus erhebt sich der einzeln stehende Perlachturm, aus dem 11. Jahrh. stammend; seine Windfahne stellt "Cisa", die alte heidnische Schutzgöttin der Stadt, dar. Unweit des Rathauses steht auch das 1607 erbaute Zeughaus. Ferner verdient die ehemalige bischöfliche Pfalz oder sogen. Residenz am Paradeplatz (Fronhof) Erwähnung, die ihre gegenwärtige Gestalt 1743 erhielt und jetzt als Sitz der königlichen Kreisregierung dient. In einem jetzt verbauten Zimmer des Gebäudes überreichten die protestantischen Fürsten 25. Juni 1530 dem Kaiser Karl V. die "Augsburgische Konfession"; der Platz davor (Fronhof) diente ehedem zu Ritterturnieren und andern Festlichkeiten. Auf demselben steht seit 1876 das Siegesdenkmal. Besondere Beachtung verdienen noch das Maximiliansmuseum in der Philippine Welser-Straße, mit den Sammlungen des Historischen und des Naturhistorischen Vereins und einer Gewerbehalle, und das alte prächtige Fuggerhaus, seit Jahrhunderten Wohnsitz des mächtigen, heute noch blühenden Geschlechts der Fugger und gegenwärtig Eigentum des Fürsten Leopold von Fugger-Babenhausen. Die Wandflächen des Gebäudes sind mit einer Reihe vortrefflicher Fresken aus der Augsburger Geschichte geschmückt; das Innere enthält unter anderm die ebenfalls mit Fresken (von Ant. Ponzano) gezierten Räume des Kunstvereins. Nennenswert sind endlich noch die Börse, das Bäcker-, Weber- und Metzgerhaus, der an die Stelle des uralten Imhofschen Hauses getretene Prachtbau des Finanzrats Riedinger, die neue Synagoge (seit 1865), die Wasserwerke am Roten Thor, die "Drei Mohren", einer der berühmtesten Gasthöfe Deutschlands mit interessantem Fremdenbuch. Die Jakober Vorstadt umschließt auch die Fuggerei, eine kleine Binnenstadt mit 3 Haupt- und 3 Nebengassen, 3 Thoren, einer eignen Kirche und 53 Häusern mit 106 Wohnungen, worin arme Bürger Augsburgs für den geringen Mietzins von jährlich 2 Fl. Wohnung finden. Diese Anstalt wurde 1519 von den Brüdern Ulrich, Georg und Jakob Fugger gestiftet.
Die Zahl der Einwohner betrug 1880: 61,408 Seelen, darunter 19,326 Evangelische, 40,966 Katholiken und 1031 Juden (2 Bat. Inf., 1 Chevau-leger-Reg., 1 Feldart.-Reg.). Die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung bilden Industrie und Handel. In der gewerblichen Thätigkeit nimmt die Baumwollindustrie die erste Stelle ein, die sich sowohl auf mechanische Baumwollspinnerei als auf mechanische Weberei, Zwirnerei und Nähfadenfabrikation erstreckt und großartige Etablissements hervorgerufen hat. Die bedeutendsten derselben sind: die Baumwollspinnerei am Stadtbach (mit 110,000 Spindeln), die mechanische Baumwollspinnerei und -Weberei (mit 50,000 Spindeln und 1200 Webstühlen), die Baumwollfeinspinnerei (mit 40,000 Spindeln), die Baumwollspinnerei Senkelbach (mit 36,000 Spindeln), die Spinnerei Wertach (mit 30,000 Spindeln), die mechanische Weberei Fichtelbach (mit 660 Webstühlen), die Haunstetter Weberei (mit 620 Webstühlen); mehrere Zwirnereien und Nähfadenfabriken (die bedeutendste im nahen Göggingen mit 23,700 Spindeln), eine Kattunfabrik, Buntwebereien (eine im nahen Pfersee mit 38,000 Spindeln und 700 Webstühlen). Die Wollindustrie ist durch eine großartige Kammgarnspinnerei (45,000 Spindeln) vertreten. Wichtig sind auch die Anstalten für Bleicherei, Färberei und Appretierung von Baumwoll- und Wollgeweben. Daneben ist die Metallindustrie Augsburgs von stets wachsender Bedeutung; es besitzt Maschinenfabriken, mehrere Eisengießereien und eine große Messingfabrik, ferner Fabriken für landwirtschaftliche Geräte, Papier, Buntpapier, Filz, Pergament, Uhrfedern, Laubsägen, Tapeten, Chemikalien, Wachstuch, Leder, Tabak, Gold- und Silberwaren etc. Bier liefern über 70 Brauhäuser. Hinter dieser Fabrikthätigkeit steht der Handel Augsburgs, für den es durch seine Lage am Kreuzungspunkt alter, wichtiger Verkehrsstraßen (jetzt Eisenbahnen: Linien Ulm-A.-München, Pleinfeld-A.-Buchloe, Ingolstadt-A. und A.-Landsberg der Bayrischen Staatseisenbahn) von S. nach N. und von O. nach W. von alters her vorzüglich begünstigt ist, nicht zurück. Wenn auch nicht so großartig wie im Mittelalter, so ist sein Warenhandel auch jetzt noch von hervorragender Bedeutung, und als Geldplatz nimmt A. noch immer eine wichtige Stelle ein. Es besitzt an Handelsanstalten eine Börse, eine Reichsbankstelle, Filialen der Königlichen Bank und der Bayrischen Notenbank etc. sowie eine Anzahl Bankfirmen. Zwei "Messen", jetzt freilich nur noch größere Jahrmärkte, finden im Mai und Oktober, ein Wollmarkt im Juni statt. Der sehr ansehnliche Buchhandel beschäftigt mit Einschluß der Musikalien-, Antiquar- und Kunsthandlungen über 30 Etablissements und 11 Buchdruckereien. Außer mehreren Lokalblättern erscheinen in A. noch die "Augsburger Abendzeitung" und die "Postzeitung", nachdem die 1798 von Cotta begründete "Allgemeine Zeitung" 1882 nach München verlegt worden ist. Als gemeinnützige und Wohlthätigkeitsanstalten sind zu bemerken: der Landwirtschaftliche Verein des Regierungsbezirks, ein technischer, naturhistorischer, historischer und Kunstverein, mehrere Waisenhäuser, ein neues, vortrefflich eingerichtetes Krankenhaus, verschiedene Versorgungsanstalten (darunter die St. Jakobs- und sogen. Reiche Pfründe und das Hospital zum Heiligen Geist).