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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baden

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Baden (Verkehrswesen, Handel; Staatsverfassung).

Freiburg, Waldkirch und Ettlingen, auch in Offenburg, Lahr und Konstanz vornehmlich als Baumwollspinnerei und -Weberei (als Druckerei besonders in Lörrach) und als Seidenzwirnerei und -Weberei (Bandweberei in Säckingen); danach folgt an Umfang die Zigarren- und Tabaksfabrikation, anschließend an den Tabaksbau der Pfalz und der Ortenau, vornehmlich in der Gegend von Mannheim und Lahr; die chemische Großindustrie, welche sich hauptsächlich in Mannheim und Umgegend mächtig entwickelt hat und Säuren, Soda, Chinin, Farben, künstlichen Dünger etc. produziert; die Maschinenfabrikation (Lokomotiven, Nähmaschinen, landwirtschaftliche Maschinen etc.) vornehmlich in Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim und Durlach; die Bijouteriefabrikation in Pforzheim, als bedeutendste ihrer Art in Deutschland, mit Ausfuhr nach allen Weltteilen; die Lederfabrikation von Weinheim und Lahr; die Papierfabrikation in Freiburg, Ettlingen, Emmendingen, Schopfheim; Tapetenfabrikation in Mannheim, Kehl, Breisach, Karlsruhe; Kartonagenfabrikation in Lahr; Hart- und Weichgummi- und Kautschukfabrikation in Mannheim; Steingut- und Porzellanfabrikation im Kinzigthal; Porzellanknöpfefabrikation in Freiburg; Spiegelglas und Spiegel werden in einer großen Anstalt bei Mannheim (Waldhof) hergestellt; Schleifereien von Granaten und andern harten Steinen sind in Waldkirch und Zell am Harmersbach, Zichorienfabrikation in Lahr und Durlach, und die einzige, aber besonders große Zuckerfabrik besitzt Waghäusel unweit Schwetzingen. - Bier wird in vielen, zum Teil großen Brauereien gebraut (Karlsruhe, Mannheim, Donaueschingen); zahlreiche Sägemühlen richten den Reichtum des Waldes zu Handelsware her. Eigentümlich und zugleich bedeutend ist die Industrie des Schwarzwaldes; dort ist eine lebhafte Uhrenfabrikation mit den Mittelpunkten Furtwangen, Lenzkirch, Triberg, Neustadt und eine als Hausindustrie weitverzweigte Strohflechterei im Gange; Villingen, auch Waldkirch fertigen Musikwerke und Drehorgeln; Todtnau, das sich zugleich der Textilindustrie des Wiesenthals anschließt, liefert Bürsten und Pinsel, der übrige südliche Schwarzwald grobe Holzwaren.

Inmitten des volk- und gewerbreichsten Teils Europas und an Hauptverkehrslinien von O. nach W. und von S. nach N. gelegen, selbst von einer dichten Bevölkerung besetzt, hat B. einen starken Verkehr zu vermitteln und zu führen. Hierfür dienen einige schiff- und flößbare Flüsse, ein vorzügliches Netz gut unterhaltener Straßen (9000 km unter Staatsverwaltung und -Aufsicht) und (1884) 1328 km Eisenbahnen. Die schiffbaren Flüsse sind der Rhein, Main und Neckar; bis Mannheim reicht die große Rheinschiffahrt (mit Fahrzeugen von bis 1000 Ton. Tragfähigkeit), von dort aufwärts ist sie wegen des Gefälles und der beweglichen Sandbänke unerheblich; oberhalb Maxau hört sie fast ganz auf. Die internationale Rheinschiffahrts-Zentralkommission hat ihren Sitz in Mannheim. Wichtig ist die Dampfschiffahrt des Bodensees. Flößbar sind außer den übrigen Rheinstrecken die Kinzig, Murg, Enz und Nagold. Die Eisenbahnen sind fast ausschließlich (1225 km) Staatsbahnen; einige kleine Privatbahnen stehen unter Staatsverwaltung. Hauptlinien oder Teile von solchen sind die Main-Neckarbahn (an welcher B. gleichfalls als Eigentümer teilhat) von Frankfurt nach Heidelberg; die Linien Mannheim-Basel, Basel-Konstanz, Würzburg-Heidelberg (Odenwaldbahn), Mannheim-Karlsruhe (Rheinthalbahn), Bruchsal-Bretten und Karlsruhe-Mühlacker, beide an die Württemberger Bahn anschließend; Appenweier-Straßburg, Offenburg-Singen (Schwarzwaldbahn). Das Anlagekapital der badischen Eisenbahnen beträgt 406 Mill. Mk. Auf denselben wurden 1883 über 52 Mill. metr. Ztr. Güter befördert. Dem Korrespondenzverkehr dienen (1883) 768 Postanstalten und 682 Telegraphenstationen (einschließlich derjenigen des Bahntelegraphen). Haupthandelsplatz Badens und zugleich Süddeutschlands ist Mannheim; als Endpunkt der großen Rheinschiffahrt, zugleich am schiffbaren Neckar und an der Kreuzung wichtiger Schienenwege gelegen, mit großartigen Hafen- und Lageranstalten ausgestattet, gewinnt es immer mehr Bedeutung (1883 Warenverkehr auf dem Rhein aufwärts nahezu 11 Mill., abwärts nahezu 3 Mill., auf der Eisenbahn nahezu 10 Mill. metr. Ztr.). An öffentlichen Kredit- und Versicherungsanstalten sind unter andern zu nennen: Badische Bank (mit Notenausgabe), Rheinische Kreditbank und Rheinische Hypothekenbank in Mannheim, Badische Versorgungsanstalt (Lebensversicherung) in Karlsruhe, 106 Vorschuß- und Kreditvereine, 50 ländliche Kreditvereine (deren Zahl in raschem Anwachsen begriffen ist), endlich 111 öffentliche Sparkassen mit 193,382 Einlegern und einem Einlageguthaben von 155 Mill. Mk. In Mannheim befindet sich eine Reichsbankhauptstelle, in Karlsruhe eine Reichsbankstelle. Vom Zollvereinsgebiet sind wegen der Lage ausgeschlossen: Büsingen (östlich von Schaffhausen) und Jestetten nebst einigen Gemeinden (westlich von Schaffhausen). - B. hat selbstverständlich deutsche Münze und das für das Reich angenommene metrische Maß und Gewicht. Zuvor rechnete es nach Gulden zu 60 Kreuzer (1 Fl. = 1,71 Mk.) und nach Fußen = 30 cm, nach Maß = 1½ Lit., Ohm = 1½ hl, Morgen = 36 Ar etc.

Staatsverfassung und Verwaltung.

Die Stammlande des Großherzogtums, das erst nach und nach durch Vereinigung verschiedener Gebiete seinen jetzigen Umfang erhielt, sind die Baden-Durlachschen: Markgrafschaft Baden-Durlach mit den Herrschaften Hochberg, Badenweiler, Sausenberg und Rötteln (etwa 1600 qkm = 29 QM.) und die Baden-Badenschen: Markgrafschaft Baden-Baden, Grafschaft Eberstein, Amt Kehl, Herrschaften Mahlberg und Staufenberg (etwa 1200 qkm = 22 QM.). Alle übrigen Landesteile sind neuere Erwerbungen, besonders durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803, den Preßburger Frieden von 1805 und die Rheinbundsakte von 1806, und setzen sich aus vormaligen hessischen (Hanauerland), nassauischen (Lahr), österreichischen (Breisgau, Ortenau, Stadt Konstanz etc.), kurpfälzischen (Mannheim, Heidelberg), geistlichen (Speier, Mainz, Würzburg, Straßburg, Konstanz, St. Blasien u. a.), fürstlichen (Fürstenberg, Löwenstein, von der Leyen, Leiningen etc.), Deutschordens-, reichsritterschaftlichen und andern Besitzungen sowie verschiedenen Reichsstädten etc. zusammen.

B. ist eine konstitutionelle Monarchie, erblich nach dem Erstgeburtsrecht und der Linearerbfolge im Mannesstamm, im Fall des Erlöschens des Mannesstamms auf männliche Nachkommen badischer Prinzessinen ^[richtig: Prinzessinnen] übergehend. Landesfürst ist gegenwärtig Großherzog Friedrich, geb. 9. Sept. 1826 (seit 24. April 1852). Derselbe führt den Titel: Großherzog von Baden, Herzog von Zähringen. Er bekennt sich mit dem großherzoglichen Haus zur evangelischen Konfession. Die badische Verfassung wurde vom Großherzog Karl 22. Aug. 1818 verliehen. Nach derselben steht dem Großherzog die ausübende Gewalt zu, während er die gesetzgebende mit den aus zwei Kammern zusammengesetzten