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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Belgien

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Belgien (Bodenbeschaffenheit, Areal und Bevölkerung).

den Gewässern berührten Gegenden liegen an manchen Stellen so tief, daß das Land nur durch Dämme vor Überschwemmungen geschützt werden kann. Diese an den Ufern der Nordsee wie der Binnenflüsse befindlichen dammgeschützten Strecken, Polders genannt, nehmen zusammen einen Flächenraum von 500 qkm ein, also fast 1/60 des Gesamtareals. In den höher gelegenen Gegenden herrschen Schiefer- und Quarzmassen vor, welche der Vegetation nur eine höchst ärmliche Entwickelung gestatten. Der größte Teil des Bodens ist von sumpfigen, nie kultivierten Steppen oder von schlechten Weiden, die Hügelabhänge sind von Wäldern und Wiesen bedeckt, und Feldbau wird nur an jenen wenigen Orten betrieben, wo die Nähe von Kalkfabriken die Bodendüngung erleichtert. Mit der allmählichen Senkung des Bodens lichten sich die Wälder; Roggen-, Hafer- und Kartoffelpflanzungen beginnen die unfruchtbaren Steppen zu ersetzen und gehen schließlich in jene fruchtbaren, von zahlreichen Flüssen bewässerten Gefilde über, welche den Reichtum und Stolz Belgiens bilden. Doch zeigt auch dieser ebene Teil nicht durchgehends gleiche Fruchtbarkeit, vielmehr finden sich in den Provinzen Antwerpen u. Limburg noch bedeutende Heidestrecken, die erst allmählich in nutzbaren Boden umgewandelt werden.

Bemerkenswert sind die durch besondere Namen unterschiedenen natürlichen Landschaften hinsichtlich der Bodenerhebung; so Flandern, begrenzt durch die untere Schelde und die Dender, gegen das Meer hin von Dünen und gegen Zeeland durch Polders umsäumt; das Land Waes, zwischen der Schelde unterhalb Gent und der holländischen Grenze; die Campine (Kempenland), von der untern Schelde, der Rupel, Demer und der Maas begrenzt, den Norden der Provinzen Antwerpen und Limburg umfassend; Brabant zwischen der Rupel, Demer, Gette und Dender. Der nordöstliche Teil von Brabant heißt das Hageland, der südliche Wallonisch-Brabant. Der Hennegau wird durch Flandern, Brabant, die Orneau und Sambre begrenzt; Marlagne heißt der nordöstlichste Teil des Landstrichs zwischen Sambre und Maas, der südliche Fagne. Zwischen der Maas von Dinant bis Lüttich und der Ourthe von Lüttich bis Hamoir liegt die Landschaft Condroz, deren südwestlicher Teil den besondern Namen Famene führt. Ardenne ist durch die Vesdre, durch Condroz und die Semoy begrenzt. Die feuchte Nordebene im N. der Ardennen heißt Hautes Fagnes (Hohes Venn). Südlich von den Ardennen liegt die Lorraine.

Die reiche Bewässerung des Landes geschieht, mit Ausnahme der unterhalb Nieuport mündenden Yser mit Yperle, durch die Systeme der Schelde und Maas, welche beide Flüsse das Land von Frankreich aus schiffbar betreten, aber beide im Königreich der Niederlande münden. Die Schelde durchfließt den westlichen Teil Belgiens von SW. nach NO., nimmt bei Gent die aus Frankreich kommende Lys, bei Dendermonde die Dender und bei Rupelmonde die (aus der Vereinigung der Dyle, Großen und Kleinen Nethe entstehende) Rupel auf und tritt unterhalb Antwerpen in das niederländische Gebiet ein. Ihr durchgängig schiffbarer Lauf in B. beträgt 240 km. Die Maas durchfließt auf 128 km, ebenfalls ganz schiffbar, der Schelde parallel laufend, den östlichen Teil Belgiens, nimmt bei Namur die gleichfalls aus Frankreich kommende Sambre, bei Lüttich die aus Luxemburg kommende Ourthe auf und bildet dann auf 53 km die Grenze gegen Holland. Diese Flüsse sind als stark benutzte Triebkraft von Industriewerken und zur Beförderung des Verkehrs für das Land von größter Wichtigkeit, um so mehr, als sie durch zahlreiche Kanäle teils unter sich verbunden, teils in ihrem Lauf reguliert werden (s. unten). Seen hat B. nicht, dagegen sind Weiher in großer Menge vorhanden. Sümpfe gibt es viel, z. B. bei Furnes, besonders aber in der sogen. Campine, am Saum des Plateaus, welches das Gebiet der Maas von dem der Schelde trennt. Auch an Mineralquellen ist B., namentlich im Gebiet der Maas, sehr reich. Die berühmtesten sind die säuerlich-eisenhaltigen Quellen von Spaa und die warmen von Chaudfontaine; außerdem gibt es eisenhaltige Quellen bei Stavelot, Aubel, Jupille, Huy, Courrière, Brée, Tongern, Namur, Rièzes, Kain, Renaix etc., Schwefelquellen bei Aywaille, Grivegnée, Florée, Lüttich, Ougrée etc. und versteinernde Quellen bei Cornesse, Nessonvaux, Hollogne aux Pierres, Sprimont etc. Das Klima trägt in den der See benachbarten Ebenen einen fast britisch-ozeanischen Charakter. Hier ist es sehr feucht und nebelig, und die Temperatur wechselt sehr schnell. Der Sommer bringt häufig Stürme, welche an Wut denen auf dem Meer nichts nachgeben. Nach dem Süden und Osten zu ist das Klima ein andres. Die Luft wird reiner, weniger von Nebeln gedrückt; die Temperatur des Sommers und des Winters ist durch die Nähe der Gebirge auffallender verschieden, die Sommer sind heißer, die Winter kälter. Noch weiter östlich in den Ardennen herrscht vollkommenes Gebirgsklima. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Brüssel 9,94°, im Frühling 9,13°, Sommer 17,36°, Herbst 10,27°, Winter 2,87° C. Die gewöhnlichste Windrichtung ist SW., die seltenere SO. Die Menge der Niederschläge ist beträchtlich; in der westlichen Ebene beträgt die Regenhöhe zwischen 70 und 80 cm jährlich, im O. der Maas wächst sie erheblich (in Stavelot auf 102,9 cm). In Brüssel gibt es durchschnittlich an 197 Tagen Regen, an 25 Schnee, an 10 Hagel, an 60 Nebel, nur an 12 Tagen ganz unbewölkten Himmel.

Areal und Bevölkerung.

Das Gesamtareal beträgt 29,455 qkm (534,94 QM.), und die Gesamtbevölkerung belief sich Ende 1883 auf 5,720,807 Seelen. Eingeteilt ist das Land in 9 Provinzen mit 41 Arrondissements, auf welche sich Flächeninhalt u. Bevölkerung folgendermaßen verteilen:

QKilom. QMeilen Einwohner Ende 1883 auf 1 QKilom.

Antwerpen 2831,73 51,4 614042 217

Brabant 3282,96 59,6 1031319 314

Westflandern 3234,67 58,7 708896 219

Ostflandern 2999,95 54,5 906791 302

Hennegau 3721,62 67,6 1011273 271

Lüttich 2893,88 52,6 693252 239

Limburg 2412,34 43,8 214875 89

Luxemburg 4417,76 80,2 211914 48

Namur 3660,25 66,5 328445 89

Zusammen 29455,16 534,9 5720807 194

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Zunahme seit 1831: 1,934,993 Seelen, seit der Volkszählung von 1880: 200,798 Seelen (3,6 Proz.). Die Einwanderung gibt schon seit Jahren Überschüsse über die Auswanderung, 1882 von 1852 Seelen (18,104 ein- und 16,252 ausgewandert). Vergleicht man B. mit den andern Staaten Europas, so steht es hinsichtlich der Dichtigkeit der Bevölkerung nur hinter Sachsen zurück. Im ganzen kamen Ende 1883 durchschnittlich 194 Einw. aus 1 qkm. Unter den einzelnen Provinzen sind Brabant, wo 314, und Ostflandern, wo 302 Menschen auf 1 qkm wohnen, die am stärksten, Luxem-^[folgende Seite]