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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bernsteinsaure Ammoniakflüssigkeit; Bernstorff

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Bernsteinsaure Ammoniakflüssigkeit - Bernstorff.

löst sich leicht in kochendem Wasser, schwerer in Alkohol, kaum in Äther, schmilzt bei 180° und destilliert bei 235°. Mit schmelzendem Kalihydrat gibt sie Oxalsäure, mit reduzierenden Körpern Buttersäure. Sie bildet beständige Salze (Succinate), von denen nur die der Alkalien in Wasser löslich sind; aus bernsteinsaurem Ammoniak fällt Eisenchlorid braunes, bernsteinsaures Eisenoxyd. B. wird nur noch selten in der Medizin benutzt, meist in Form einer Lösung des Ammoniaksalzes (Liquor ammonii succinici, Liquor cornu cervi succinatus); die mit Bernsteinöl durchtränkte Säure galt früher als ein kräftiges, die Nerventhätigkeit belebendes, krampfstillendes Mittel; reine B. wird in der Photographie benutzt.

Bernsteinsaure Ammoniakflüssigkeit (Liquor ammonii succinici, Ammoniacum succinicum solutum, Liquor cornu cervi succinatus), von Ducallon zu Paris in der Mitte des 18. Jahrh. zuerst als Geheimmittel angegeben, später von Luce in Lille abgeändert (daher Eau de Luce), besteht aus 1 Teil Bernsteinsäure, 8 Teilen Wasser und 1 Teil empyreumatischem, kohlensaurem Ammoniak und wird als erregendes Nervenmittel, gegen Cholera etc. angewandt.

Bernstorff, 1) Johann Hartwig Ernst, Graf von, dän. Staatsmann, geb. 13. Mai 1712 zu Hannover, trat, auf den Universitäten Göttingen und Tübingen und durch Reisen tüchtig gebildet, in den dänischen Staatsdienst, wurde 1738 dänischer Gesandter am Reichstag zu Regensburg und 1744 in Paris. 1751 übernahm er das auswärtige Ministerium und die Verwaltung von Schleswig-Holstein. Seiner vorsichtigen und festen Politik gelang es, während des Siebenjährigen Kriegs die Neutralität Dänemarks aufrecht zu erhalten und dann die Differenzen mit Rußland (wegen Plön und Holstein-Gottorp) in solcher Weise auszugleichen, daß Dänemarks Interessen dabei aufs beste gewahrt wurden. Christian VII. belohnte ihn mit der Erhebung in den dänischen Reichsgrafenstand (1767). Nicht weniger erfolgreich war seine Wirksamkeit im Innern. Es gelang ihm durch Unterstützung des Fabrikwesens und namentlich des für Dänemark sehr wichtigen Frachthandels, den Wohlstand des Landes erheblich zu befördern. Zugleich suchte er die Lasten des Landmannes zu erleichtern, den Druck des Heerwesens zu mildern und den Volksunterricht zu heben. Er übernahm die Direktion des gesamten Armenwesens, unterwarf dasselbe einer vollständigen Neuordnung und gründete das große Hospital in Kopenhagen. Seinen menschenfreundlichen Sinn bewährte er auch darin, daß er auf den ihm vom König 1764 geschenkten Gütern die Leibeigenschaft aufhob und seine Unterthanen durch gleichmäßige Verteilung der Ländereien und durch väterliche Fürsorge zu freien, wohlhabenden Bauern machte. Unter dem schwachen Christian VII. wurde er 1770 durch Struensee verdrängt. Von Klopstock, der bei ihm gelebt hatte, begleitet, begab er sich nach Holstein. Als er nach Struensees Sturz wieder an die Spitze der Geschäfte treten sollte, starb er, im Begriff, nach Kopenhagen zu reisen, 19. Febr. 1772. B. war ein Kenner und Förderer der Künste und Wissenschaften, die er aus seinen und des Staates Mitteln in liberalster Weise unterstützte, wie er sich denn besonders gegen Klopstock höchst liberal bewies. Vgl. Navarro, Vie du comte J. H. E. de B. (Neapel 1822); Vedel, Den aeldre Grev Bernstorffs Ministerium (Kopenh. 1882); Derselbe, Correspondance ministerielle du comte B. (das. 1882, 2 Bde.).

2) Andreas Peter, Graf von, Neffe des vorigen, geb. 28. Aug. 1735 zu Hannover, studierte in Leipzig und Göttingen und bereiste dann England, die Schweiz, Frankreich und Italien, trat 1759 in den dänischen Staatsdienst und ward 1769 zum Geheimrat befördert. 1770 durch Struensee aus seiner Stellung verdrängt, trat er schon 1772 wieder in dieselbe ein und ward 1773 Staatsminister und Direktor der deutschen Kanzlei. Ein bedeutendes Verdienst erwarb er sich damals sogleich dadurch, daß er die schon von seinem Onkel begonnene Unterhandlung mit Rußland über den Austausch des Gottorpschen Anteils an Holstein gegen Oldenburg und Delmenhorst zu dem gewünschten Ende führte. Während des englisch-französisch-spanischen Seekriegs brachte er, in Verbindung mit Rußland, Schweden und Preußen, die bewaffnete Neutralität zu stande, welcher Dänemark während verderblicher Kriege zwischen andern Völkern einen langjährigen Frieden verdankte. Aber infolge von Differenzen mit der verwitweten Königin Juliane und deren Ministerium Guldberg legte B. 1780 seine Stelle nieder, um sich auf seine Güter im Mecklenburgischen zurückzuziehen. Sobald jedoch der junge Kronprinz 1784 eine Änderung des Staatsrats durchgesetzt und den Einfluß der Königin gebrochen hatte, wurde B. zurückgerufen und in alle seine Ämter und Würden wieder eingesetzt. Von da an blieb er bis zu seinem Tode der leitende Mittelpunkt der äußern und innern Verwaltung und erhob Dänemark unter den schwierigsten Verhältnissen zu einer hohen Blüte. Den unvermeidlichen Krieg mit Schweden wußte er wenigstens schnell zu beendigen. Dänemark trat durch Bernstorffs Veranstaltung 1791 sogar mit dem glücklichsten Erfolg als Vermittler zwischen Rußland und England im Türkenkrieg auf. Die 1792 von seiten der gegen Frankreich alliierten Mächte an Dänemark ergangene Einladung zur Teilnahme an dem Kriege gegen die Republik lehnte B. ab, wie er auch später den Koalitionen gegen Frankreich nicht beitrat. Durch dieses Friedens- und Neutralitätssystem sowie durch wahrhaft wohlthätige, alle Gegenstände der Administration, Finanzen, Handel, Schiffahrt, Manufaktur- und Fabrikwesen sowie militärische Angelegenheiten betreffende Maßregeln ist B. der Wohlthäter Dänemarks geworden. Ihm ist besonders die Befreiung des Bauernstandes in Dänemark von persönlichen und wirtschaftlichen Fesseln zu danken. Auch an der Aufhebung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein hatte er einen bedeutenden Anteil, obwohl sie erst nach seinem Tod erfolgte. Dabei war er ein standhafter Verteidiger liberaler Regierungsprinzipien und erklärte sich stets entschieden gegen jede Beschränkung der Preßfreiheit. Bernstorffs Privatcharakter erscheint überall in dem günstigsten Licht. Er starb 21. Juni 1797. Vgl. Eggers, Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Staatsministers von B. (Kopenh. 1800).

3) Christian Günther, Graf von, der älteste Sohn des vorigen, geb. 3. April 1769 zu Kopenhagen, begann seine staatsmännische Karriere bei der dänischen Gesandtschaft in Berlin, ging später als Gesandter nach Stockholm und privatisierte dann eine Zeitlang in Kopenhagen. Nach dem Tode des Vaters (1797) folgte er diesem im Ministerium des Auswärtigen, bewies aber nicht dessen administrative und politische Umsicht, indem er besonders durch sein hartnäckiges Festhalten einer bewaffneten Begleitung der neutralen dänischen Handelsschiffe, welche sein Vater noch auf dem Sterbebett widerraten, 1798 England zu Feindseligkeiten herausforderte, welche für Dänemark höchst nachteilig endeten. B. trat daher 1810 vom Ministerium zurück und ging als Ge-^[folgende Seite]