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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bert.; Bertāni; Berth.; Bertha; Berthe; Bertheau; Berthelot

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Bert. - Berthelot.

logie an der Faculté des sciences in Paris befördert und erhielt 1875 für seine barometrischen Untersuchungen den großen Preis der Akademie von 20,000 Frank. Da er ein eifriger Republikaner war, wurde er nach dem Sturz des Kaiserreichs zum Generalsekretär des Departements der Yonne und 15. Jan. 1871 von Gambetta zum Präfekten des Nord ernannt, legte aber dieses Amt gleich nach der Abdankung seines Gönners nieder. Seit 1874 Mitglied der Nationalversammlung und seit 1876 der Deputiertenkammer, schloß er sich dem Republikanischen Verein an und gehörte zu den eifrigsten Gegnern des Ultramontanismus und der katholischen Geistlichkeit, von deren Einfluß er die Schule zu befreien erfolgreich bemüht war. Er war Berichterstatter in der Kammer über die Ferryschen Unterrichtsgesetze. Ja, er ging noch weiter als diese, indem er jeden Religionsunterricht von der Schule ausgeschlossen wissen wollte. Es erregte daher Aufsehen, als ihm Gambetta in seinem Ministerium im November 1881 das Portefeuille des Unterrichts übertrug. B. erließ sofort energische Dekrete gegen den Klerus, trat aber mit Gambetta schon 26. Jan. 1882 zurück. Ein leidenschaftlicher Chauvinist, betrieb er nun mit großem Eifer die kriegerische Ausbildung der Jugend. Er schrieb: "Revue des travaux d'anatomie et de physiologie publiés en France pendant l'année 1864" (1866); "Notes d'anatomie et de physiologie comparées" (1867-70, 2 Bde.); "Recherches sur le mouvement de la sensitive: Mimosa pudica" (1867-70); "Leçons sur la physiologie comparée de la respiration" (1869); "La pression barométrique" (1877); "La morale des Jésuites" (1880) u. a.

Bert., bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für A. Bertoloni (s. d.).

Bertāni, Agostino, radikaler ital. Politiker, geb. 19. Okt. 1812 zu Mailand, studierte in Pavia Medizin und erwarb sich namentlich als Chirurg einen geachteten Namen. 1848 stürzte er sich in das politische Leben und schloß sich als Republikaner Garibaldi an. Den Feldzug gegen Österreich 1859 machte er als Oberstabsarzt in Garibaldis Freischaren mit. Für die sizilische Expedition sammelte er in Genua das Geld und rüstete dann eine Freischar zum Einfall in den Kirchenstaat aus, welchen aber die Regierung verhinderte. Garibaldi ernannte ihn darauf zum Generalsekretär der provisorischen Regierung in Neapel. Seit 1861 lebt er in Genua als praktischer Arzt und Teilhaber einer chemischen Fabrik. 1866 und 1867 beteiligte er sich unter Garibaldi am Kriege gegen Österreich und an der Expedition von Mentana. 1860 bis 1880 gehörte er der Kammer als radikal republikanisches Mitglied an und war 1878 einer der Gründer der Lega della democrazia. In einer damals veröffentlichten Broschüre: "L'Italia aspetta" ("Italien wartet"), bezeichnete er die allmähliche Zersetzung der italienischen Monarchie, bis sie von selbst zusammenbreche, als sein Ziel.

Berth., bei zoolog. Namen Abkürzung für Arnold Adolf Berthold, geb. 26. Febr. 1803 zu Soest, gest. 3. Jan. 1861 in Göttingen als Professor der Physiologie.

Bertha (althochd. Berchta, Perahta, die "Glänzende"), Name mehrerer in das Gebiet der Sage gezogener berühmter Frauen des Mittelalters:

1) B., die Heilige, auch Edithberga, eine fränkische Prinzessin, wurde 560 mit dem König Ethelbert von Kent vermählt, den sie zur Annahme des Christentums bewog, worin ihm seine Unterthanen folgten. Ihr Gedächtnis feiert die katholische Kirche 4. Juli.

2) B. (Bertrada) "mit dem großen Fuß" (Berthe au grand pié, auch "B. die Spinnerin" genannt), Tochter des Grafen Charibert von Laon, Gemahlin Pippins des Kurzen, gest. 783. Auf der Reise zu diesem wurde die Braut, deren wunderbare Schönheit nur durch einen großen Fuß verunstaltet war, von der Hofmeisterin, die sie geleitete, bestochenen Knechten zur Ermordung übergeben und ihre häßliche Tochter an die Stelle des Königskindes gesetzt. Der getäuschte Pippin trifft und erkennt aber später B., die dem Tod entgangen ist, in einer Waldmühle an ihrem Fuß und vermählt sich nun mit ihr; die Frucht der Ehe war Karl d. Gr. Die ganze Persönlichkeit der B. ist mythischer Natur, ein Anklang an die Göttin Berchta (s. d.), an welche vor allem der "große Fuß" (der Fuß einer Schwanenjungfrau, den sie als Zeichen ihres höhern Wesens nicht ablegen kann) erinnert. An alten französischen und burgundischen Kirchen findet sich noch jetzt das Bild der "Reine Pédauque" (Regina pede aucae) mit dem Schwanen- oder auch Gänsefuß in Stein gehauen. B. ist es auch, auf welche sich das ursprünglich italienische Wort: "Die Zeit ist hin, wo B. spann" (Klage über das verschwundene goldene Zeitalter) bezieht. Vgl. Simrock, B., die Spinnerin (Frankf. 1855).

3) B., im Sagenkreis der Tafelrunde die Schwester Karls d. Gr., Mutter Rolands von Milo d'Angleris.

4) Tochter Karls d. Gr. von seiner Gemahlin Hildegard, Angilberts heimliche Gemahlin und des Geschichtschreibers Nithard Mutter, gest. 814.

5) Tochter des Herzogs Burkhard von Alemannien, Gemahlin Rudolfs II., Königs vom transjuranischen Burgund, führte nach dessen Tod (937) die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Konrad, Mutter der nachmaligen Kaiserin Adelheid, heiratete später den König Hugo von Italien, bekam 953 von Otto I. die Abtei Ehrenstein und starb gegen Ende des 10. Jahrh. Sie war eine sehr sorgsame Hausfrau und wird auf Siegeln etc. auf dem Thron spinnend dargestellt, daher irrtümlich von manchen das oben erwähnte Sprichwort aus diese B. bezogen wird.

Berthe (franz.), Bertha; auch Art Damenkragen.

Bertheau (spr. -to), Ernst, Orientalist und Exeget, geb. 23. Nov. 1812 zu Hamburg, studierte seit 1832 erst in Berlin, dann in Göttingen Theologie, vorzugsweise aber orientalische Sprachen, habilitierte sich 1839 in Göttingen in der philosophischen Fakultät und wurde 1842 zum außerordentlichen und 1843 zum ordentlichen Professor ernannt. Als Schriftsteller trat er zuerst auf mit "Die sieben Gruppen mosaischer Gesetze" (Götting. 1840) und "Zur Geschichte der Israeliten" (das. 1842). Sehr geschätzt sind seine Kommentare zu den Büchern Richter und Ruth (Leipz. 1845), den Sprüchen Salomos (das. 1847), den Büchern der Chronik (das. 1854, 2. Aufl. 1874), Esra, Nehemia und Esther (das. 1862). Auch besorgte er eine Ausgabe der syrischen Grammatik des Bar-Hebräus (Götting. 1843).

Berthelot (spr. bert'lo), Pierre Eugène Marcellin, Chemiker, geb. 25. Okt. 1827 zu Paris, widmete sich den Naturwissenschaften, wurde 1851 Assistent Balards, 1860 Professor der Chemie an der École de pharmacie, 1865 am Collège de France und 1876 Generalinspektor des höhern Unterrichtswesens. Seine erste größere Arbeit betraf die Verbindungen des Glycerins mit den Säuren und die Bildung der natürlichen neutralen Fettkörper, wobei er die Theorie der mehratomigen Alkohole aufstellte. Seine spätern Arbeiten beziehen sich hauptsächlich auf die Synthese organischer Körper, d. h. auf deren Darstellung