Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Beugung des Lichts

842

Beugung des Lichts.

Spalten gedrungenen Strahlen auf einem in geeigneter Entfernung angebrachten Schirm zu einem schmalen Bild O O (Fig. 3) des Spaltes vereinigen. Die Strahlen haben bis zum Bild O O alle den gleichen Weg zurückzulegen und treffen daselbst ohne Gangunterschied zusammen. Die gebeugten Strahlen bestehen, für jede Beugungsrichtung, aus ebenso vielen unter sich gleichen Strahlenbündeln, als Öffnungen im Gitter vorhanden sind; je zwei benachbarte Bündel haben unter sich einen um so größern Gangunterschied, je größer ihre Abweichung von den direkten Strahlen ist, oder je weiter die Stelle des Schirms, wo alle zu dieser Richtung gehörigen Strahlen vereinigt werden, von der Mitte O O absteht. Nun muß es eine gewisse Beugungsrichtung geben, für welche der Gangunterschied je zweier Nachbarbündel eine ganze Wellenlänge des roten Lichts beträgt. In dieser Richtung müssen sich daher sämtliche Bündel gegenseitig verstärken, und an der entsprechenden Stelle des Schirms wird ein schmales rotes Spaltbild R auftreten. Entfernt man sich aber nur sehr wenig aus dieser Richtung, so müssen sich, wenn das Gitter hinlänglich viele Striche enthält, sämtliche Strahlenbündel bei ihrer Vereinigung gegenseitig vernichten. Denn nimmt z. B. bei einem Gitter von 100 Strichen der Beugungswinkel nur um so viel zu, daß das erste Bündel um 1 + 1/100 Wellenlänge gegen das zweite verzögert ist, so bleibt es gegen das dritte um 2 + 2/100, gegen das vierte um 3 + 3/100 etc., gegen das 51. um 50 + 50/100 oder um 50 + ½ Wellenlänge zurück. Das 51. Bündel befindet sich also mit dem 1. in entgegengesetztem Bewegungszustand, ebenso das 52. mit dem 2., das 53. mit dem 3. etc., endlich das 100. mit dem 50. Daraus geht hervor, daß sich die gebeugten Strahlen in jeder Richtung vernichten, außer in jenen Richtungen, für welche der Gangunterschied je zweier Nachbarbündel eine ganze Anzahl von Wellenlängen ausmacht. Das Beugungsbild auf dem Schirm wird sich daher für einfaches rotes Licht sehr einfach gestalten. In der Mitte erscheint das Bild O des Spaltes, dann folgt auf jeder Seite in einer Entfernung, welche dem Gangunterschied einer ganzen Wellenlänge dieses roten Lichts entspricht, eine schmale rote Linie R, dann in doppeltem Abstand, dem Gangunterschied von zwei Wellenlängen entsprechend, eine zweite rote Linie R' und weitere noch im dreifachen (R''), vierfachen etc. Abstand. Für violettes Licht würde man in gleicher Weise eine Reihe violetter Linien erhalten, welche aber infolge der kürzern Wellenlänge dieser Lichtgattung dem Spaltbild O O näher, nämlich bei V, V', V'', liegen. Bei Anwendung von weißem Licht erscheint das mittlere Spaltbild weiß, weil hier alle Farben sich aufeinanderlegen; die durch B. entstandenen verschiedenfarbigen Linien aber, welche z. B. dem Gangunterschied von je einer Wellenlänge angehören, legen sich nach der Reihenfolge der Wellenlänge nebeneinander und bilden zu jeder Seite des weißen Spaltbildes ein prachtvolles Farbenband, welches von außen nach innen die bekannte Reihenfolge der Regenbogenfarben, Rot, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Dunkelblau, Violett, zeigt, das erste Gitterspektrum VR; ebenso bilden die Strahlen höherer Gangunterschiede das zweite (V'R'), dritte (V''R'') etc. Gitterspektrum. In einem durch ein Prisma entworfenen Spektrum ist die verhältnismäßige Austeilung der Farben von dem Stoff des Prismas abhängig; in einem Gitterspektrum aber sind die einfachen Farben lediglich nach den Unterschieden ihrer Wellenlängen geordnet, also nach einem Merkmal, welches den Strahlen an und für sich eigen ist. Das Gitterspektrum ist daher als das normale oder typische Spektrum anzusehen. Bei Anwendung von Sonnenlicht zeigen sich auch im Gitterspektrum die Fraunhoferschen Linien (s. Farbenzerstreuung) jede an der Stelle, welche ihr vermöge ihrer Wellenlänge zukommt. Beobachtet man das Gitterspektrum mittels eines auf einem geteilten Kreis drehbaren Fernrohrs, so kann man den Winkelabstand jeder Fraunhoferschen Linie vom mittlern Spaltbild messen und daraus unter Berücksichtigung des bekannten Abstandes je zweier Gitterstriche die diesen bestimmten Strahlen zukommenden Wellenlängen ermitteln. Die folgende kleine Tabelle enthält die nach diesem Verfahren gefundenen Wellenlängen für die Fraunhoferschen Linien, ausgedrückt in Millionteln eines Millimeters:

^[Liste]

A 760

B 687

C 656

D 589

E 527

F 486

G 431

H 393

Die Lichtwellen sind hiernach außerordentlich klein; auf die Länge eines Millimeters gehen 1315 Wellen des äußersten Rot (Linie A), 1698 Wellen des gelben Natriumlichts (D) und 2542 Wellen des äußersten Violett (H).

Erinnern wir uns nun an eine aus der alltäglichen Erfahrung bekannte Thatsache. Wenn wir ein Musikstück aus verschiedenen Entfernungen anhören, so vernehmen wir doch stets dieselbe Harmonie; die hohen und tiefen Töne, welche zu demselben Taktschlag gehören, erreichen immer gleichzeitig unser Ohr. Daraus folgt, daß alle Töne, hohe und tiefe, sich mit der gleichen Geschwindigkeit durch die Luft fortpflanzen. Bei der Fortpflanzung von Wellen entsteht aber aus jeder ganzen Schwingung des Erregungsmittelpunkts eine vollständige Welle; jeder tönende Körper erzeugt daher in einer Sekunde so viele aufeinander folgende Schallwellen, als die Zahl seiner Schwingungen in der Sekunde beträgt, und da sich der Schall während dieser Zeit um eine Strecke von 340 m fortpflanzt, so muß die Gesamtlänge der in einer Sekunde erregten Schallwellen für alle Töne 340 m betragen. Um daher die Wellenlänge zu erfahren, braucht man nur zu untersuchen, wie oft die Schwingungszahl,

^[Abb.: Fig. 3. Entstehung der Gitterspektra.]