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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Blut

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Blut (Serum; arterielles und venöses Blut).

Natronalbuminat (Serumkasein), Paraglobulin und Pepton. Das Serumalbumin ist der Quantität nach der erste Eiweißkörper des Serums, da dieses 6-8 Proz. enthält. Erhitzt man Serum nach völliger Entfernung des in ihm enthaltenen Paraglobulins und Natronalbuminats, nach vorherigem Verdünnen mit dem zehnfachen Volumen Wasser und nach mäßigem Ansäuern mit verdünnter Essigsäure auf 70-75°, so scheidet sich das Serumalbumin in dicken, weißen Flocken aus. Bei der Gerinnung wird nur das Fibrinogen in seiner ganzen Menge ausgeschieden, während eine erhebliche Quantität von Paraglobulin im Serum zurückbleibt. Pepton ist nur zur Zeit der lebhafteste Eiweißverdauung und auch dann nur in sehr kleiner Menge im B. anwesend. Außerdem enthält das Serum Zucker (vorherrschend Traubenzucker oder Maltose) als durchaus normalen Bestandteil des Bluts von Menschen und Säugetieren; selbst das B. hungernder Tiere enthält Zucker. Man war früher der Ansicht, daß der Blutzucker aus der Leber stamme und vom Glykogengehalt dieser abhängig sei; neuere Untersuchungen konnten indessen die Lehre von der zuckerbildenden Funktion der Leber durchaus nicht bestätigen. Fett trifft man in Form kleiner Körnchen zur Zeit der Fettresorption und einige Stunden später im Serum an. Lecithin und Cholesterin finden sich unter den in Äther löslichen Bestandteilen des Serums. Ein nicht unerheblicher Teil der Phosphorsäure des Serums ist an Lecithin gebunden. Weiter sind im Serum geringe Mengen von Harnstoff, Harnsäure, Kreatin, Kreatinin und Karbaminsäure angetroffen worden, Körper, die ausnahmslos als Produkte der regressiven Metamorphose, als Schlacken des Stoffwechsels aufgefaßt werden müssen.

Die mineralischen Bestandteile des Serums betragen ca. 0,75 Proz.; konstant werden angetroffen: Natrium, Calcium, Magnesium, Spuren von Eisen, Chlor, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlensäure, Kieselsäure. Magnesium und Eisen sind nur in sehr geringen Mengen vertreten; reicher ist schon der Kalkgehalt, doch ist auch dieser im Hinblick auf die außerordentlich große im Organismus vorhandene Kalkmenge sehr gering. Die durchaus dominierende Base ist das Natrium. Hinsichtlich der natürlichen Verbindungsweise der verschiedenen mineralischen Bestandteile unterliegt es keinem Zweifel, daß das Chlor, ein Teil der Phosphorsäure und der Kohlensäure fast ausschließlich an das Natrium gebunden sind. Der Gehalt des Serums an Chlornatrium zeigt eine höchst überraschende Unveränderlichkeit. Gleichgültig, ob mit der Nahrung viel oder wenig Kochsalz aufgenommen wurde, stets findet man im Serum annähernd 0,5 Proz. Chlornatrium. Jeder Überschuß an Kochsalz, der dem B. vom Darm aus zugeführt wird, gelangt schnell in den Harn, während bei mangelhafter Zufuhr dieses Körpers das B. seinen Kochsalzgehalt mit außerordentlicher Zähigkeit zu wahren sucht. Zur Würdigung dieser Erscheinung sei bemerkt, daß das Chlornatrium im B. in einer Konzentration enthalten ist, in der es die bedeutungsvolle Fähigkeit besitzt, sämtliche Formbestandteile des Körpers in ihrer natürlichen Gestalt zu erhalten. Lösungen geringerer Stärke bewirken Quellung, solche größerer Konzentration aber Schrumpfung der Gewebe, Veränderungen, die beide schwere Funktionsstörungen nach sich ziehen wurden. Entzieht man einem Frosch sein B. bis auf den letzten Tropfen, und ersetzt man dasselbe durch eine ½proz. Kochsalzlösung (Cohnheimsche Salzfrösche), so bewahrt der Organismus längere Zeit hindurch noch vollständig seine Lebensfähigkeit. Selbstverständlich vermag das Kochsalz hierbei den Geweben die zur Kraftentfaltung nötigen Spannkräfte nicht zuzuführen, die Funktionen geschehen vielmehr auf Kosten der in den Organen aufgespeicherten Spannkräfte und hören auf, wenn diese verzehrt sind.

Das Serum enthält auch Gase, welche unter der Luftpumpe entweichen und wesentlich aus Kohlensäure neben wenig Sauerstoff und Stickstoff bestehen. Das Serum vermag fast das Doppelte seines Volumens an Kohlensäure zu absorbieren; dieses ist eine Funktion des im Serum enthaltenen kohlensauren Natrons, und das Absorptionsvermögen ist um so größer, je reicher an diesem Salz das Serum ist. Das kreisende B. enthält in seinem Serum niemals das Maximum der absorbierbaren Kohlensäure, es vermag vielmehr unter geeigneten Verhältnissen noch neue Mengen dieses Gases aufzunehmen.

Veränderung des Bluts auf seiner Wanderung.

Das in den Gefäßen kreisende B. ändert ununterbrochen seine physikalischen und chemischen Eigenschaften. Unaufhörlich sehen wir auf der einen Seite eine durch die Speisung der Gewebe bedingte Abgabe von Nährstoffen und eine Ausfuhr unnützer Zerfallsprodukte, während uns auf der andern Seite eine ununterbrochene Zufuhr neuer Nährstoffe, aber auch eine neue Aufnahme von Zerfallsprodukten aus den Geweben entgegentritt. Durch diese Veränderungen ist die Zusammensetzung des Bluts so großen Schwankungen unterworfen, daß es kaum zwei Stellen im Organismus geben dürfte, an denen das B. von genau gleicher Beschaffenheit wäre. Sieht man von den feinern Differenzen ab, so hat man wegen besonders großer Verschiedenheiten in der Beschaffenheit zwei Arten von B. zu unterscheiden, nämlich arterielles und venöses. Ersteres trifft man im linken Herzen, den gewöhnlichen Arterien und den Lungenvenen, letzteres im rechten Herzen, den übrigen Venen und in der Lungenarterie an. Die gröbern Differenzen zwischen den beiden Blutarten beziehen sich besonders auf Farbe, Gasgehalt, Gerinnungszeit und Temperatur. Der Unterschied in der Farbe ist nicht so groß, wie man häufig angibt; es ist falsch, das arterielle B. als hellrot, das venöse als blauschwarz zu bezeichnen; in Wirklichkeit sind beide Blutarten kirschrot, doch ist das venöse um einige Töne dunkler gefärbt als das arterielle. Bleibt übrigens venöses B. einige Zeit an der Luft stehen, so nimmt es durch Aufnahme von Sauerstoff bald eine hellere Farbe an. Hinsichtlich der Verschiedenheiten im Gasgehalt ist festgestellt, daß arterielles B. mehr Sauerstoff als venöses enthält, während letzteres ersteres im Kohlensäuregehalt übertritt. 100 Volumen enthalten bei 0° und 7601 mm Luftdruck:

arterielles Blut Venenblut

Kohlensäure 29,72 Vol. 35,74 Vol.

Sauerstoff 14,65 - 7,22 -

Stickstoff 1,61 - 1,34 -

45,98 Vol. 44,30 Vol.

Arterielles B. gerinnt schneller als venöses, was auf die Differenzen im Gasgehalt zurückzuführen ist, denn man vermag die Gerinnung arteriellen Bluts durch Zuführung von Kohlensäure zu verlangsamen, die des Venenbluts aber durch Vermehrung seines Sauerstoffgehalts zu beschleunigen. Die Verschiedenheiten in der Temperatur der beiden Blutarten sind viel weniger regelmäßig, denn während in Organen mit sehr lebhaftem Stoffwechsel (z. B. Drüsen und Muskeln) das abfließende B. wärmer ist als das eintretende, zeigen Organe mit nur unbedeutenden