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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bochara

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Bochara (Geschichte).

und Fort Perowsk, Semipalatinsk oder Chokand; den Amu Darja aufwärts zieht die Straße nach Kaschgar, über Schehrisebz, Balch und die Pässe Bamian oder Chewak über den Hindukusch nach Afghanistan und Indien; westlich nach Astrabad zieht die Straße entweder den Amu Darja abwärts nach Chiwa und dann südwestlich oder von B. südwestlich durch die Turkmenenwüste. Eine Telegraphenlinie von Katykurgan nach B., 190 km lang, wovon 30 km auf russisches Gebiet kommen, wurde 1885 eröffnet. Zwischen B. und Rußland gehen über 3000 Kamele; der Handel hat, verglichen mit 1825, um 300 Proz. zugenommen und übersteigt jetzt 30-40 Mill. Mk. im Jahr.

Baumwolle, rohe Seide, getrocknete Früchte, Häute sind Hauptgegenstände der Ausfuhr; Waffen, eiserne Geschirre, Kalikos, Tuche, Zucker, Arzneien, Baumwollwaren kommen aus Rußland; Kalikos, besonders aber Shawls, Indigo und Droguen aus Indien; Thee, Wolle, Edelsteine, Leder aus Ostturkistan. Die Regierungsform ist eine despotische Monarchie; die Mollas oder Priester haben große Macht. Der Beherrscher Bocharas, der gewöhnlich mit dem Titel Chan bezeichnet wird, nennt sich Emir ("Fürst"). Die Sklaverei wurde auf russische Einwirkung hier abgeschafft. Die Armee zählte (nach Koslenko) 1870 ungefähr 13,000 Mann mit 200 Geschützen. In letzter Zeit wurde angefangen, die Soldaten nach russischen Regiments auszubilden. Sie sind bekleidet mit roten Jacken, ledernen Hosen, Stiefeln und Lammfellmützen. Die Artilleristen, größtenteils Iraner, haben blaue Röcke mit rotem Kragen. Gegenwärtig sollen bereits gezogene Gewehre im Gebrauch sein.

Residenz ist die Stadt B. mit 360 Moscheen, 103 Schulen für die Unterweisung in den Lehren des Korans, 24 Hauptbazaren (dazu 22 in der Umgegend), 38 Karawanseraien, 16 öffentlichen Bädern und 70,000 Einw., während früher 150,000 angenommen wurden. B. gilt den Völkern Mittelasiens als Ort des guten Geschmacks und Sitz aller Gelehrsamkeit und Heiligkeit. An Tagen religiöser Feste bedecken sich die Plätze mit Buden aller Art; Athleten und Taschenspieler zeigen ihre Künste, Pferderennen und Kamelkämpfe finden statt; alles drängt und stößt sich, und Diebe finden reiche Ernte. Übrigens wird die Stadt nach Sobolew ("Russische Revue", Bd. 4) durch Flugsand aus der Kisilkumwüste in kurzer Zeit verschüttet sein, wenn der Versandung nicht von seiten der Russen durch umfassende Kanalisierung der einst bebauten und bewohnten Steppen an der Nordgrenze des Landes Einhalt gethan wird. Andre bedeutendere Orte sind: Kermine am Serafschan, Karschi am Fuß der Karschiner Berge; Fährstellen über den Amu Darja sind: Tschardshui, Kerki, Chodshasalja, Termes; Städte zweiten Ranges sind: Wardansi, Chatyrtschi, Karakul, Tschiraktschi, Jakobak, Husar, Dschnau, Schirrawat und Hissar, die östlichste Stadt von allen. Schachrssjabss (Schehrisebz) ist keine Stadt, sondern eine ganze Gruppe von Städten und Dörfern aus einer etwa 20 km langen, 8 km breiten und von einer Mauer umgebenen Strecke mit den Hauptorten Schaar und Kitab.

[Geschichte.]

Eine genaue Bestimmung der Grenzen des alten Transoxanien, welches erst mit dem Auftreten Scheibanis und der Uzbeken B. genannt wurde, ist nicht wohl möglich. Die Ufergegenden des Serafschan zusammen mit den südlich bis zum Oxus und den nördlich bis zur Kisilkumwüste sich erstreckenden Landstrichen repräsentieren seit dem Beginn der geschichtlichen Ära ununterbrochen das politisch ungeteilte Transoxanien. In der vorislamitischen Zeit steht nur fest, daß die Urbevölkerung einem iranischen Volksstamm angehörte; auf einer hohen Kulturstufe stehend, waren auch schon damals die Bodenbebauung und die Industrie sehr entwickelt (vgl. Baktrien). Zu Ende dieser Zeitepoche, im 6. und 7. Jahrh. n. Chr., hatten aber bereits die Türken in vielen Orten die Herrschaft an sich gerissen und wären wohl damals schon ausschließlich die Herren des Landes geworden, wenn nicht Mohammed durch die Verkündung seiner Lehre um dieselbe Zeit mehr als der Hälfte Asiens eine ganz neue Gestaltung verliehen hätte. Gleich nach Begründung des Islam begannen die Araber in Transoxanien einzufallen. Dreimal hatte es das Joch derselben abgeworfen und den alten Glauben wieder angenommen, bis es endlich 709 zum viertenmal seine Thore öffnen mußte und nun endgültig zum Islam bekehrt wurde. Während der arabischen Herrschaft (714-874) war Transoxanien zu einem integrierenden Teil der Provinz Chorasan herabgesunken; die Emire von B. und Samarkand waren vollständig abhängig. Eine neue Ära bricht mit der Herrschaft der Samaniden (s. d.) für das Land an, das von nun ab den Namen Maverannahs, d. h. Transoxanien, führte. Nach dem Tode des ersten Samaniden, Nasr bin Ahmed (892), wird sein Bruder Ismail Alleinherrscher von ganz Transoxanien und dessen Residenz B. somit zum Mittelpunkt Zentralasiens. Im N. erstreckte sich Ismails Reich bis an den Rand der Großen Steppe, im Q. bis in die Thäler des Thianschangebirges, im S. bis zum Persischen Golf, an den Nordrand Indiens, und im W. schieden es nur wenige Tagereisen von der Residenz der Kalifen. Nach dem Tod Ismails (907) waren die Herrscher des Samanidengeschlechts meist hilflose Puppen in den Händen ihrer Beamten. Die größte Anarchie herrschte. Die Uiguren, ein türkischer Volksstamm im Thianschan, versuchten unter Boghrachan an den Trümmern des Samanidenreichs sich zu bereichern. Der Tod Boghras (998) rettete Transoxanien, bis (999) Ilikchan von Kaschgar in B. einzieht. Seine Herrschaft wurde in den Bezirken von Kesch, Samarkand und Chokand nicht respektiert. 1004 traten die Seldschukkiden (s. d.) auf. Die Herrschaft derselben hatte ihren Kulminationspunkt unter Melikschan. Nach dessen Tod (1092) brachen Aufruhr und Fehde zwischen den einzelnen Familiengliedern aus. B. und Samarkand wurden nun der Zankapfel zwischen den Uiguren im O. und Charesm (Chiwa) im W., bis der große Mongolenchan Dschengis (s. d.) 1218-26 sich ganz Transoxanien unterwarf; auch Charesm verleibte er seinem Reich ein. Noch bei Lebzeiten verteilte er dasselbe unter seine Söhne: Tschagatai erhielt das Reich von den Uigurischen Pässen bis Charesm, Turkistan und Transoxanien inbegriffen; Batu wurde Herr von Charesm. Die Dynastie der Dschengisiden endigte schon 1363, als mit deren Verfall die Türken die Fahne der Unabhängigkeit aufpflanzten. 1363 tritt Timur (s. d.) gegen die Tschagataiden auf. Bald ohne Rivalen, wird er 8. April 1369 in Balch zum Emir von Transoxanien ausgerufen. Seine Residenz verlegte er nach Samarkand. Nach 100jähriger Anarchie verstand er es, Transoxanien eine Führerrolle in der Weltgeschichte anzuweisen. Er hatte sich zum Herrn des gesamten islamitischen Ostens gemacht und war unumschränkter Herrscher von Transoxanien. Mit seinem Tod (17. Febr. 1405) haben die Länder am Oxus und Jaxartes ihre Weltrolle beschlossen. 1499 machte Scheibani Mehemmed Chan, ein Dschengiside, mit seinen uzbekischen Reiterscharen durch Besitznahme des