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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Brandenburg - Brandes.

spinnerei, eine Korbwarenfabrik (die größte ihrer Art im Deutschen Reich, 600 Arbeiter), Seidenwarenfabrik, eine Eisengießerei, ferner Fabriken für Hüte, Goldleisten, Leder, Posamentierwaren, Shawls, Zigarren, Stärke, Sirup etc., dazu bedeutende Weißgerbereien, Ziegeleien, Öl-, Schneide- und Mahlmühlen. Auch Schiffahrt und Handel sind lebhaft, und in der Gartenkultur steht namentlich der Spargelbau auf hoher Stufe. B. ist Sitz eines Amtsgerichts, einer Strafkammer und einer Reichsbanknebenstelle. Der Magistrat besteht aus 16, die Stadtverordnetenversammlung aus 45 Mitgliedern. Der 65 m hohe Marienberg, mit einem Kriegerdenkmal, gewährt eine hübsche Aussicht. Unmittelbar bei B. liegt auf einer Havelinsel Dom-Brandenburg, eine besondere Gemeinde im Kreis Westhavelland, mit 819 Einw., einer Ritterakademie (seit 1856 wiederhergestellt) in dem ehemaligen Prämonstratenserkloster, einem Domkapitel und der Domkirche aus dem ersten Dritteil des 14. Jahrh. (Krypte unter dem Hochaltar aus dem 11. und 12. Jahrh.). B. wurde 928 von Kaiser Heinrich I. den Hevellern entrissen und blieb bis ins 12. Jahrh. ein Zankapfel zwischen Deutschen und Slawen. Zum raschen Emporkommen der Stadt trug besonders das schon 949 von Otto d. Gr. hier gegründete, durch Albrecht den Bären 1161 neu eingerichtete Bistum bei. Namentlich vergrößerte sich B. dadurch, daß aus dem Dorf Parduin die nachmalige Altstadt und aus dem sogen. "deutschen Dorf" die Neustadt erwuchs, welche Teile zu einer Stadt vereinigt wurden, aber bis 1751 getrennte Magistrate hatten. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt von Dänen, Sachsen, Kaiserlichen und Schweden wiederholt heimgesucht. Im November und Dezember 1848 tagte hier die preußische Nationalversammlung bis zu ihrer Auflösung. Vgl. Jork, B. in der Vergangenheit und Gegenwart (Brandenb. 1880); Schillmann, Geschichte der Kur- und Hauptstadt B. (das. 1874). -

2) (B. in Ostpreußen) Flecken im preuß. Regierungsbezirk Königsberg, Kreis Heiligenbeil, am Einfluß des Frisching ins Frische Haff, mit (1880) 1454 Einw.; ursprünglich Deutschordens-Kommende (1266 gegründet), jetzt königliche Domäne.

Brandenburg, Friedrich Wilhelm, Graf von, preuß. General und Staatsmann, Sohn des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen und der ihm morganatisch vermählten Gräfin Sophie von Dönhoff, geb. 24. Jan. 1792 zu Berlin, trat 1807 in die Armee, machte 1812 als Rittmeister in Yorks Stab den russischen Feldzug mit, avancierte 1813 zum Major und zeichnete sich während der Freiheitskriege mehrfach durch persönliche Tapferkeit aus. Er erhielt 1816 das Regiment Garde du Korps, ward 1839 zum kommandierenden General anfangs des 6., später des 8. Armeekorps und 1848 zum General der Kavallerie ernannt. Am 8. Nov. 1848 trat er als Präsident an die Spitze des neugebildeten Ministeriums B.-Manteuffel und unterzeichnete die königlichen Befehle, durch welche die Nationalversammlung erst nach Brandenburg verlegt, dann aufgelöst und die Verfassung vom 5. Dez. oktroyiert wurde. Im Herbst 1850, als der österreichisch-preußische Konflikt dem schiedsrichterlichen Spruch Rußlands unterbreitet wurde, ging B. als Unterhändler nach Warschau, wo er in betreff des Aufgebens der Union und der Wiederherstellung des Deutschen Bundes große Konzessionen machte, freilich in der Voraussetzung, daß Preußen und Österreich vollkommen gleiche Rechte genießen sollten. Weil der Kaiser Nikolaus in Warschau gegen Preußen die äußerste Geringschätzung zeigte und Manteuffel dann sich ohne jede Gegenleistung Österreich unterordnete, fühlte B. sich tief verletzt. Unmittelbar nach den lebhaften Debatten der darüber entscheidenden Ministerkonferenz vom 2. Nov. fiel er in ein hitziges Fieber, dem er 6. Nov. 1850 erlag. Friedrich Wilhelm IV. ließ ihm ein Denkmal auf dem Leipziger Platz in Berlin errichten. - Seine Söhne Friedrich und Wilhelm (Zwillingsbrüder, geb. 1819) sind Generale der Kavallerie a. D. im deutschen Heer, der dritte, Gustav (geb. 1820), ist Gesandter des Deutschen Reichs in Brüssel.

Brandenburg-Ansbach, s. Ansbach.

Brandenburg-Baireuth, s. Baireuth.

Brandenburgisches Zepter, kleines Sternbild am südlichen Himmel, ungefähr im 65.° Rektaszension und 15.° südlicher Deklination, westlich vom Orion und zwischen der Krümmung des Eridanus, nur Sterne vierter Größe enthaltend; dasselbe wurde 1688 von Kirch aufgestellt.

Brandenburg-Kulmbach, s. Kulmbach.

Brandenburg-Schwedt, s. Schwedt.

Brander, mit leicht brennbaren Stoffen gefülltes, seeuntüchtiges Fahrzeug, welches früher im Seekrieg dazu diente, feindliche Schiffe in Brand zu stecken. Merkwürdig sind unter andern Gianibellis B., welche während der Belagerung von Antwerpen (1585) gegen die von den Spaniern zur Sperrung der Schelde erbaute Brücke entsandt wurden. In neuerer Zeit wurde von Miaulis die türkische Flotte zweimal durch B. zerstört. Cochrane benutzte sie ebenfalls, wie auch Lord Exmouth bei dem Bombardement von Algier. Der Raum des Branders ward mit Holz, Stroh, Schilf etc. verstaut und durch Leitfeuer entzündet. Hinter seinen Stückpforten liegende Kanonen, mit Pulver gefüllt und mit Holzpfropfen geladen, sprengten nach der Entzündung mittels Zündschnüren die Pforten, um dem Feuer Luft zu schaffen. In Deck gehauene Löcher leiteten das Feuer in Röhren aus mit trocknem Schilf gefüllten und mit Pulver geladenen Tonnen, welche mit Pech und Talg begossen waren. Die Mannschaft des Branders war gezwungen, sich vom Hinterschiff aus durch Boote oder durch Schwimmen zu retten. Sobald der B. dem feindlichen Schiff sich entsprechend näherte, war es die Aufgabe, die Enterhaken demselben so fest anzulegen, daß es dem Feind unmöglich wurde, sich noch vor der Explosion davon loszumachen. Nach altem Kriegsrecht wurde die gefangene Mannschaft eines Branders gehenkt. Durch die Fortschritte im Seekriegswesen sind die B. außer Dienst gestellt worden.

Branderz, s. Idrialit.

Brandes, 1) Johann Christian, Schauspieler und dramatischer Dichter, geb. 15. Nov. 1735 zu Stettin, kam nach wechselnden, höchst abenteuerlichen Jugendschicksalen 1757 zur Schönemannschen Schauspielergesellschaft in Lübeck, später zu der Kochschen