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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brüste

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Brüste.

Weib zur Zeit der Mannbarkeit, noch mehr aber in der Schwangerschaft, also zu der Zeit, wo sie in Funktion treten sollen, eine beträchtlichere Größe. Die Vertiefung, welche beide B. trennt, heißt der Busen (sinus). In der Mitte jeder Brust befindet sich die Brustwarze (mammilla, papilla mammae), an welcher man einen flachern, ringförmigen Teil, den Warzenhof (areola mammae), und die eigentliche Brustwarze unterscheidet. In dem mehr oder weniger dunkel gefärbten Warzenhof bemerkt man kleine, höckerige Hervorragungen, aus welchen eine oder mehrere größere Talgdrüsen ausmünden. Auf der vordersten rauhen Fläche der cylindrisch oder konisch geformten eigentlichen Brustwarze münden 15-24 Ausführungsgänge, welche in eine unter dem Warzenhof liegende Erweiterung (sinus ductus lactiferi) münden, von wo aus sich dann diese Gänge weiter nach der Tiefe hin fortsetzen, indem sie sich in immer feinere und feinere Ästchen spalten, an deren Wänden dann die blind endigenden Drüsenbläschen (acini) aufsitzen. In diesen letztern geht die Milchbereitung vor sich (s. Milchdrüsen). Während im jungfräulichen Zustand die B. halbkugelige, feste, elastische Gebilde darstellen, werden dieselben infolge der während der Schwangerschaft und in der Säugeperiode oft sehr starken Ausdehnung und der spätern Erschlaffung mehr oder weniger hängend. Letzteres ist auch bei ältern Frauen der Fall, besonders dann, wenn das Fett überhaupt schwindet, da dann auch die Brustdrüse in ihrem Umfang abnimmt und atrophiert. Die Brustdrüse ist reichlich mit Blutgefäßen und Nerven versehen. Durch letztere namentlich ist die Brustwarze sehr empfindlich und fähig, auf äußere Reize hin, Berührung, Saugen etc., sich aufzurichten und an Umfang zuzunehmen. Die Funktion der weiblichen B., die Milchabsonderung, beginnt schon während der Schwangerschaft, so daß bereits im siebenten Monat derselben eine milchähnliche Flüssigkeit aus den Brustwarzen hervortritt. Aber erst nach der Geburt, meist 2-3 Tage nachher, wird die Milch hinreichend stark abgesondert, um als ausschließliches Nahrungsmittel für die Neugebornen zu dienen. Die B. fordern sorgfältige Pflege und sind namentlich vor Erkältung zu schützen. Zu geringe Bewegung des Körpers, besonders der Oberarme, macht sie schlaff und hängend. Durch Druck und zu hoch hinaufgehende Schnürleiber wird die Ausbildung der Drüse und der Warze gehindert und werden in späterer Zeit allerlei Beschwerden hervorgerufen. Wo die Milch in größerer Menge und sehr bald nach der Geburt abgesondert wird, treten zuweilen fieberähnliche Erscheinungen ein. Dieses sogen. Milchfieber ist jedoch kein normales Attribut der beginnenden reichlichen Milchbildung, sondern bezeichnet gewöhnlich den Anfang irgend eines krankhaften Vorganges in den Geschlechtsorganen oder in dem Organismus überhaupt. Bei dem Eintritt solcher Fiebererscheinungen, eines Frostes mit nachfolgender Hitze, soll man sofort ärztliche Hilfe für die Wöchnerin suchen. Zum Stillen des Kindes eignen sich am besten mäßig große B., indem allzu große nicht immer gerade viel Milch geben und ihre Vergrößerung oft nur von einer stärkern Fettablagerung bedingt ist. Bei sehr festen Brüsten oder solchen mit kleinen und tief liegenden Warzen kann das Kind die Brustwarze nicht bequem fassen. Schon während der Schwangerschaft bedürfen die B. erhöhter Pflege. Tägliches Waschen der B. und Achselhöhlen macht die Haut gesund und geschmeidiger. Sind die Brustwarzen klein, oder liegen sie als sogen. Hohlwarzen tief in der Brust, so ziehe man dieselben vorsichtig, aber täglich mit den Fingern etwas hervor oder lege sogen. Warzenhütchen auf. Der Gebrauch der Sauggläser ist während der Schwangerschaft zu meiden. Ist die Haut der Brustwarzen sehr zart und empfindlich, so legt man täglich öfter kleine Leinwandläppchen, eingetaucht in Rum, Arrak, Kölnisches Wasser, auf die Brustwarzen. Sehr spröde und harte Haut aber erweicht man mit milden Ölen, mit Coldcream oder Vaselin. Abschelferungen der Oberhaut an den Brustwarzen, wobei sich Borken bilden, müssen mit warmem Wasser sorgfältig aufgeweicht, entfernt und die wunden Stellen darunter zur Heilung gebracht werden.

Werden diese Vorsichtsmaßregeln nicht angewendet, so entstehen leicht wunde Brustwarzen, die eine wahre Plage des Wochenbettes sind, da sie überaus heftige Schmerzen erregen, sobald das Kind angelegt wird. Die wunden Stellen sondern eine eiterartige Flüssigkeit ab und bluten auch nicht selten sehr beträchtlich, so daß das Kind eine Menge Blut verschluckt, das dann in der Regel wieder ausgebrochen wird. Durch die heftigen Schmerzen leiden die Stillenden außerordentlich, sie verlieren den Appetit, da sie sich in steter Furcht und Aufregung befinden, die Milchabsonderung wird beeinträchtigt, und pflanzt sich die Entzündung in die Milchgänge weiter fort, so werden diese verstopft, und es entsteht eine entzündete, sogen. böse Brust. Die Heilung wunder Brustwarzen fördert man am besten durch Betupfen mit Höllensteinlösung und Überschläge von kaltem Wasser. Droht eine Entzündung der B. (Mastitis), so saugt man, wenn irgend ein Abschnitt der Drüse hart und schmerzhaft wird, und wenn die Haut über dieser Stelle heiß und gerötet ist, die B. durch Anlegen des Kindes oder mit Hilfe einer sogen. Milchpumpe gründlich aus. Ist durch das Aussaugen oder Auspumpen die harte und schmerzhafte Stelle der Brust nicht zum Verschwinden zu bringen, breitet sich die Härte vielmehr aus, und steigert sich die Spannung, so muß man das Stillen an der kranken Brust aufgeben und vorsichtig Umschläge von kaltem Wasser auf die kranke Stelle machen. Verschlimmern sich trotzdem die örtlichen Erscheinungen, treten wohl gar Fiebersymptome auf, so ist zu erwarten, daß die Entzündung in Eiterung übergehen wird. Dieser Vorgang ist durch warme Bähungen zu befördern, denen zur Vermeidung gefährlicher Ausbreitung möglichst bald die Eröffnung mit dem Messer folgen muß. Die chronische, mit Verhärtung der B. einhergehende Entzündung ist oft kaum von Geschwulstbildungen zu unterscheiden und erfordert, wie diese, operative Behandlung. Häufig sind die B. der Sitz krankhafter Geschwülste, unter welchen der Brustkrebs die wichtigste Rolle spielt. Derselbe kommt selten vor dem 40. Lebensjahr bei Frauen und, obwohl seltener, bei Jungfrauen vor und entsteht als harter, schwer verschiebbarer Knoten mit stechenden Schmerzen. Dieser Knoten wächst heran, erreicht die Haut und geht, wenn er dieselbe ganz durchsetzt hat, in ein Geschwür über, welches eine stinkende Jauche absondert und sich fortwährend vertieft und verbreitet. Dazu gesellen sich stets Schwellungen der Lymphdrüsen in der Achselhöhle, welche auf eine Verbreitung des Krebses hinweisen. Der Brustkrebs führt, sich selbst überlassen, stets zum Tod; es ist daher nötig, ihn so früh wie möglich abzutragen. Je früher und je gründlicher dies geschieht, um so größer ist die Aussicht auf gründliche und dauernde Heilung. Auch gutartige Geschwülste, d. h. solche, welche zu jeder Zeit den Charakter eines örtlichen Übels beibehalten, kommen in mannigfacher Form in der Brust vor.