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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: China

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China (Handelsverträge mit Preußen etc.).

diese waren aber inzwischen in so guten Verteidigungsstand gesetzt worden, daß sich die Engländer nach einem mörderischen Kampf mit einem Verlust von 464 Toten und Verwundeten zurückziehen mußten. Die Ehre der britischen Waffen heischte Genugthuung, und da Frankreich wenigstens moralisch bei diesem Konflikt beteiligt gewesen war, so gab diese Niederlage die Veranlassung zu einer neuen englisch-französischen Expedition gegen C. Über das 7500 Mann starke französische Korps erhielt General Cousin-Montauban den Oberbefehl; die Engländer stellten 7800 Mann europäische, 4800 Mann indische Truppen. Im April 1860 langten die Streitkräfte der Westmächte in Schanghai an, ihr Ziel war die Hauptstadt Peking. Am 19. Juli begannen die Operationen direkt gegen diese Stadt. Bis zum 21. Aug. waren sämtliche Forts und die Ortschaften zu beiden Seiten des Flusses erstürmt und besetzt, 518 Kanonen und große Vorräte erbeutet. Die Einnahme von Tiëntsin war die unmittelbare Folge davon. Jetzt gingen kaiserliche Kommissare bereitwillig auf alle Bedingungen (Erstattung der Kriegskosten, freier Zutritt in alle Städte, ständiger Aufenthalt der Konsuln in Peking und sofortige Zulassung der Gesandten in die Hauptstadt) ein; da sich aber herausstellte, daß diese Kommissare gar keine Vollmachten besaßen und erst an den kaiserlichen Hof berichten zu müssen versicherten, so ließen die Verbündeten 9. Sept. ein Korps von 6000 Mann nach Tungtschao, 30 km von Peking, vorrücken. Schon am 11. und 12. kamen neue Gesandte von Peking, verlangten aber vor weitern Verhandlungen Rückzug der Verbündeten nach Tiëntsin. Hierauf gingen diese nicht ein, bestanden vielmehr auf dem Einzug in die Reichshauptstadt Peking, versprachen jedoch, daß die Gesandten nach Peking nur von einer Ehrenwache von 1000 Mann begleitet würden. Eine Anzahl englischer und französischer Offiziere sollten sich mit den chinesischen Behörden über die zur Aufnahme der Gesandten und zur Unterbringung der Truppen erforderlichen Maßregeln verständigen; diese wurden aber von tatarischen Soldaten überfallen (18. Sept.), entweder im Kampf getötet, oder sie verschmachteten nach unsäglichen Qualen im Gefängnis. Gleichzeitig wurden die Lager der Armee von den Feinden umstellt; erst ein Reiterangriff, der den Chinesen etwa 1000 Mann und 60 Stück Geschütze kostete, machte sie frei.

Den Ausgang des Feldzugs entschied sodann das Treffen vom 21. Sept. bei Palikao, wo der chinesische Anführer Lankolinsin seine ganze gegen 50,000 Mann zählende Streitmacht, darunter 30,000 Reiter, gegen Montaubans 3000 Mann starkes Korps aufgestellt hatte. Die Franzosen schlugen hier, zu rechter Zeit von 3-4000 Engländern unterstützt, die Tataren zurück, und der Tag endete mit einem vollständigen Sieg, der den Europäern ein halbes Hundert Tote und Verwundete kostete. Die Straße nach Peking stand den Verbündeten nunmehr offen. Noch wagten die Chinesen, den Rückgang der Verbündeten nach Tiëntsin als Bedingung der Unterhandlung zu verlangen; die Verbündeten beantworteten dies Verlangen aber mit dem Aufbruch nach Peking (5. Okt.). Ohne Schwertstreich nahmen die Franzosen Besitz vom kaiserlichen Sommerpalast und plünderten die ungeheuern Schätze desselben mit einer Rücksichtslosigkeit, welche von der öffentlichen Meinung laut mißbilligt worden ist, während die Engländer sich an dieser Plünderung nicht beteiligten. Die gesamte Armee rückte dann gegen Peking vor. Die Bedingungen wurden jetzt infolge der Berichte von befreiten Gefangenen über die Mißhandlungen, die sie zu erdulden gehabt, verschärft. Übergabe eines Stadtthors und Entschädigung von 4 Mill. Frank für die Angehörigen der Opfer des Verrats vom 18. Sept. waren die vorläufigen Forderungen. Auch erklärte Lord Elgin, daß er zur Strafe für die grausame Behandlung der Gefangenen den Sommerpalast verbrennen lasse, was 18. und 19. Okt. geschah. Der Hochmut der Chinesen war endlich gebrochen; die Forderungen wurden zugestanden, ebenso in das weitere Verlangen eingewilligt, daß der Friede in der Stadt selbst unterzeichnet werden sollte, und daß die Bevollmächtigten Frankreichs und Englands, Lord Elgin und Baron Gros, dabei von je 1000 Mann begleitet würden. Ihr Einzug fand 24. und 25. Okt. 1860 statt, und der Friede wurde darauf unterzeichnet. Die Verbündeten räumten aber Peking nicht eher, als bis der Abschluß des Vertrags in der amtlichen Reichszeitung (6. und 8. Nov.) publiziert worden war. Am 18. Nov. hatte sich das ganze Expeditionskorps in Tiëntsin wieder vereinigt, und obwohl der Feldzug hiermit beendet war, so hielten die Verbündeten doch diesen Platz sowie die Befestigungen des Peiho und mehrere Punkte an der Küste dem Vertrag gemäß besetzt. Der Verbreitung europäischer Kultur in C. wurde aber nicht, wie damals gehofft worden war, sofort Bahn gebrochen.

Handelsverträge.

Am 22. Aug. 1861 starb der Kaiser Hienfong; ihm folgte sein Sohn Kitsiang, der, 5. Sept. 1855 geboren, unter eine von seinem Oheim, dem Prinzen Kong, präsidierte Regentschaft gestellt ward und erst im Frühjahr 1873 seine Mündigkeit erreichte; als Regierungsname ward ihm 1861 Tungtschih ("vereinigte Ordnung") gegeben. Da Prinz Kong, welcher zur Festhaltung der eingegangenen Verträge entschlossen war, in dem Regentschaftsrat auf Opposition stieß, so vereinigte er sich mit der Kaiserin-Mutter, die Mitregentin war, zum Sturz der Regentschaft und setzte eine ihm ergebene Regentschaft ein. Kong war einsichtig genug, um die Notwendigkeit einer von den bisherigen altchinesischen Traditionen abweichenden Politik einzusehen. C. trat von nun an mit fast allen Seemächten in geregelten diplomatischen und namentlich handelspolitischen Verkehr. So schloß die chinesische Regierung mit dem Grafen Eulenburg 2. Sept. 1861 zu Tiëntsin einen für alle Zollvereinsstaaten gültigen chinesisch-preußischen Handelsvertrag auf die Dauer von zehn Jahren ab, dessen Ratifikationen 14. Jan. 1863 zu Schanghai ausgewechselt wurden; hierzu erging eine Deklaration 2. Sept. 1868. Das Jahr 1862 brachte ähnliche Verträge mit Spanien, Portugal und Belgien. Am 10. Juli 1863 folgte ein Handelsvertrag zwischen C. und Dänemark. Europäische Gesandte und Vertreter nehmen ihren Sitz in Peking.

Im Innern des Reichs beherrschte der Aufstand der Taiping noch immer ganze Provinzen und hatte dort die Regierungsorgane vielfach gänzlich beseitigt. An vielen Orten hatte der langjährige Bürgerkrieg Banden organisiert, die unter Vorschützung politischer Zwecke lediglich auf Plünderung ausgingen; in Jünnan wie außerhalb des eigentlichen C., in Turkistan, waren sogar neue Reiche in der Bildung begriffen. Die Regierung betrachtete es als das Dringendste, den Taiping ein Ende zu machen, und fand sich darin unterstützt von England und Frankreich, die von der Fortdauer des Aufstandes Gefährdung ihrer Handelsinteressen befürchteten. Auf Antrag Kongs gingen die Westmächte von ihrem Nicht-^[folgende Seite]

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