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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chiwa

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Chiwa (Geschichte).

C. unternahm, herrschte dort Husein Sofi als Usurpator; Timur machte die Ansprüche seines mongolischen Hauses Dschagatai geltend, allein Husein Sofi warf seine Gesandten ins Gefängnis. Timur drang nun von Bochara aus vor, nahm die Hauptstadt Ket, warf den Gegner in die Stadt Urgendsch zurück und schloß mit dessen Bruder und Nachfolger Jusuf Frieden. Letzterer brach denselben. Timur rückte 1373 aufs neue vor, kehrte indes auf Bitten Jusufs wieder um. Als er 1376 zum drittenmal vor Ket stand, nötigte ihn ein feindlicher Angriff auf seine Hauptstadt Samarkand wieder zur Umkehr. Wieder aufgenommen wurde der Feldzug 1379, Ket wurde gestürmt, 1388, nach dem fünften Raubzug, traf Timur Anstalten zum Wiederaufbau der Städte. Fast ein Jahrhundert lang erfreute sich nun C. der Ruhe, bis türkische Wanderhorden die Hauptstadt eroberten; um 1484 kam das Land auf kurze Zeit an Persien. Als Sunniten wollten die Chiwesen sich der persischen schiitischen Herrschaft nicht fügen, sie riefen den Türken Ilbars zum Chan aus, dieser vertrieb die schiitischen Perser, und seit der Zeit verblieb C. unter der Herrschaft der Uzbeken. Ein ununterbrochener Bruderkrieg kennzeichnet die Zeit ihrer Herrschaft.

In das 17. Jahrh. fallen die ersten Beziehungen zwischen Rußland und C., durch Kosaken vermittelt. Zu einem positiven Ergebnis führten aber deren Züge unter den Atamanen Netschat und Schemai nicht. 1700 dagegen richtete der Chan Schanias an Peter d. Gr. die Bitte, C. in den russischen Unterthanenverband aufzunehmen. Ein Ukas vom 30. Juni (a. St.) 1700 gewährte dieselbe. 1703 wurde dem neuen Chan, Arab Mahomet, dasselbe gewährleistet. 1714 erschien in Petersburg eine chiwesische Gesandtschaft, welche die Expedition des Fürsten Bekowitsch Tscherkaski nach C. veranlaßte. Dieselbe mißglückte jedoch vollständig, da mittlerweile in C. die russenfreundliche Stimmung in das Gegenteil umgeschlagen war. Erst im J. 1839 kam es zu einer zweiten russischen Expedition nach C.

Um die Mitte des 18. Jahrh. bemächtigten sich die Kirgisen der Kleinen Horde des chiwesischen Throns. Sie wurden von Mehemmed Emin Inag, einem uzbekischen Häuptling, 1792 vertrieben; letzterer begründete die noch heute regierende Dynastie der chiwesischen Chane. Unter seinen Nachfolgern Ikasarchan (1800-1804), Mehemmed Rehim (1804-26) und Allahkulirchan (1826-41) fanden stets Kriege mit Bochara, den Jomuden und Karakalpaken statt. In die Regierung Allahkulis fiel die von dem General Perowski geleitete Expedition der Russen gegen C. Anlaß dazu waren die von C. geschürten Unruhen der Kirgisen, welche zu russischen Unterthanen geworden waren. Vorbereitet war die Expedition durch die 1819, 1820 und 1821 ausgeführten Rekognoszierungen der Generale Murawjew, Meyendorf und Berg. Am 29. Nov. 1839 begann der Vormarsch vom Ural aus. Trotz der umfassendsten Vorbereitungen mußte das 4413 Mann starke Expeditionskorps mit einem Troß von 10,400 Kamelen infolge des außergewöhnlich harten Winters umkehren, nur Ak Bulak war erreicht; 1054 Mann lagen tot in der Steppe. Rußland hatte an seinem Prestige den Mittelasiaten gegenüber nicht wenig eingebüßt.

Auch unter den folgenden Regenten: Rehimkulichan (1841-43), Mehemmed Emin Chan (1843-1855), Abdullahchan (1855-56), Kutluy Muradchan (regierte nur 3 Monate) und Seid Mehemmedchan (1856 bis etwa 1868), fanden stete Kämpfe, unter den erstern mit Bochara und Persien, unter den letztern mit den turkmenischen Stämmen, statt.

Der Sohn des letztern, Seid Mehemmed Rehimchan, regiert noch jetzt. Er leistete der Empörung der Kirgisen gegen die Russen offen Vorschub; alle friedlichen Versuche, ihn zu bestimmen, den räuberischen Einfällen seiner Nomaden in russisches Gebiet Einhalt zu thun und die auf diesen Raubzügen in Gefangenschaft geratenen russischen Unterthanen freizugeben, blieben erfolglos. So mußte Rußland in einen Krieg gegen den übermütigen Chan eintreten.

Für das Vorgehen erschien das Frühjahr die günstigste Jahreszeit; im März 1873 begann der Vormarsch von drei Seiten: von Osten mit Truppen des turkistanischen, von Nordwesten mit solchen des orenburgischen, von Westen, resp. Südwesten mit solchen des kaukasischen Militärbezirks, im ganzen 12,348 Mann mit 4697 Pferden, 65 Geschützen und 24,119 Kamelen. Den Oberbefehl führte General Kaufmann. Der Chan von C. hatte vergeblich Hilfe bei den Nachbarvölkern Asiens, vergeblich bei England gesucht, dem durch den außerordentlichen Gesandten Grafen Schuwalow die beruhigendsten Versicherungen gegeben wurden. Im Chanat selbst wurden alle streitbaren Männer aufgeboten und so gut wie möglich bewaffnet.

Das turkistanische Detachement drang in zwei Kolonnen unter den furchtbarsten Beschwerden, aber, vom Chan von Bochara mit Kamelen, Brennmaterial und Proviant unterstützt und an geeigneten Orten Befestigungen anlegend (bei Jokibai Fort Blagoweschtschensk, bei Chalata Fort St. Georg), glücklich bis zum Amu Darja vor, der am 11. Mai erreicht wurde, vertrieb die chiwesischen Truppen aus ihren festen Stellungen, ging auf das linke Stromufer über, nahm die Festung Charasp und rückte zum Angriff gegen die Stadt C. selber vor, wo die orenburgischen und kaukasischen Detachements bereits eingetroffen waren. Eine Abteilung des kaukasischen Departements, welche von Tschikischlar in nordöstlicher Richtung aufgebrochen war, hatte freilich, durch Wassermangel gezwungen, den Rückmarsch nach Krassnowodsk antreten müssen; dagegen hatte sich eine zweite Abteilung, die von der Kinderlibucht ausmarschiert war, mit dem vom Embaposten kommenden orenburgischen Detachement bei Kungrad, der nördlichsten chiwesischen Stadt, vereinigt, und beide hatten darauf trotz des Widerstandes der Chiwesen, die, 3000 Mann stark, 20. Mai bei Mandyk eine empfindliche Niederlage erlitten, ihren Marsch auf die Stadt C. zu fortgesetzt. Dort herrschte die vollständigste Anarchie: der Chan war geflüchtet und sein 20jähriger Bruder als Chan ausgerufen; die einen wollten Frieden, die andern drangen auf Fortsetzung des Kriegs. Während der neue Chan sich schon dem General Kaufmann unterworfen hatte, kämpfte man noch am Nordtthor. Dasselbe wurde in Bresche gelegt, und General Werewkin nahm die Stadt mit Sturm. Um 2 Uhr nachmittags hielt der Generalgouverneur seinen feierlichen Einzug. Der geflohene Seid Mehemmed Rehimchan folgte der Aufforderung, zurückzukehren, und wurde, nachdem er sich dem "weißen Zaren" bedingungslos unterworfen hatte, wieder in seine Rechte eingesetzt. Zur weitern Regelung der Verhältnisse wurde ihm aber ein Beirat von drei von dem Generalgouverneur ernannten Russen und drei Chiwesen zur Seite gestellt. Der General Kaufmann hatte das Bestätigungsrecht aller wichtigen Beschlüsse. Die bisher im Chanat bestandene Sklaverei wurde aufgehoben: 3000 Perser kehrten in ihre Heimat zurück.

Den thätigsten Anteil an dem Kriege gegen Rußland hatten die Turkmenen genommen, daher wurde

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]