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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Delirium; Delisches Problem; Delisle

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Delirium - Delisle.

rede, durch Rufen ihres Namens zu lichten Augenblicken erweckt werden, wie dies öfters beim Typhus beobachtet wird, so nennt man die Delirien typhomanische. Das D., welches bei den oben erwähnten Krampfzuständen zeitweilig sich einstellt (D. spasticum, nervosum, periodicum), hat in Bezug auf Gefahr eine sehr geringe Bedeutung, während dagegen namentlich die erste Form des D. eine sehr schwere Erkrankung bezeichnet. Da das D. nicht eine Krankheit für sich, sondern nur ein Symptom und zwar sehr verschiedener Krankheiten ist, so kann es selbstverständlich nicht Gegenstand einer besondern Behandlung sein. In den meisten Fällen ist überhaupt das D. keiner Behandlung zugänglich. Immerhin aber ist es in den Fällen, wo das D. im Verlauf einer fieberhaften Krankheit vorkommt, ganz zweckmäßig, wenn man kalte Umschläge oder einen Eisbeutel auf den Kopf legt, Senfteige an den Waden appliziert und beruhigende Mittel gibt, sofern nicht die Grundkrankheit, z. B. Typhus, derartige Eingriffe widerraten erscheinen läßt.

Eine besondere Art des D. ist das D. tremens (lat., Säuferwahnsinn, Mania potatorum), welches das wesentliche Symptom einer selbständigen, durch Alkoholmißbrauch entstehenden Gehirnkrankheit ausmacht. Es äußert sich teils in Sinnestäuschungen, teils in stillen oder wilden Delirien, wobei gewöhnlich ein starkes Zittern der Glieder und der Zunge vorhanden ist. Die Kranken glauben Mäuse und andre Tiere zu sehen und suchen diese zu erhaschen oder sie zu vertreiben, sie wischen deshalb beständig auf ihrer Haut oder der Bettdecke, um die Tiere, Spukgestalten, Würmer u. dgl. zu entfernen, welche namentlich während der Dunkelheit in Masse auf sie losstürmen, nach ihnen schnappen und sie in jeder Art ängstigen. Zuweilen sind die Delirien wahnsinnartig, die Kranken glauben sich von Feinden umgeben, schreien und toben, schlagen um sich und wollen entfliehen, sich aus dem Fenster stürzen. Andre Kranke sind dagegen stets heiter, lachen und schwatzen beständig. Der Gesichtsausdruck ist bald zornig gereizt, bald ruhig. Die Delirien machen zeitweise Pausen und kehren dann um so heftiger wieder. Die Kranken verlangen fortwährend nach Getränken, besonders geistigen, genießen aber sonst gar nichts. Eine Haupterscheinung dabei ist die vollkommene Schlaflosigkeit. Die Haut schwitzt sehr, die Augenlider sind gerötet, Lippen und Zähne trocken, rußig belegt; der Stuhl ist verstopft, der Urin sparsam, der Puls gewöhnlich nicht beschleunigt. Allmählich werden die Kranken erschöpft, und es stellt sich dann zeitweise Schlaf ein. Zuweilen tritt jedoch auch der Tod ein, nachdem heftiges Toben vorausgegangen und die Kranken zusehends verfallen sind. Als Nachkrankheiten bleiben manchmal Geistesstörungen zurück. Der Ausbruch der Krankheit wird entweder durch starke Exzesse im Branntweintrinken oder durch plötzliche Entziehung desselben bei Gewohnheitstrinkern hervorgerufen; oft wird er durch andre akute Leiden, wie Lungenentzündung, Knochenbrüche, Operationen etc., begünstigt. Am häufigsten kommt das D. im Mannesalter vom 30. bis 50. Lebensjahr vor. Die Dauer desselben ist meist kurz, auf einige Tage beschränkt, selten zieht es sich wochenlang hinaus; jedoch treten später leicht neue Anfälle des D. ein. Das D. tremens ist eine schwere Krankheit, die in 15 Proz. der Fälle mit dem Tod endigt; als anatomische Grundlage der Störung ergibt sich meist eine chronische Entzündung der Hirnhäute, Blutüberfüllung und Ödem des Gehirns. Die Behandlung besteht zunächst darin, daß man Gewohnheitstrinkern nicht plötzlich den Alkohol entzieht und ihnen kräftige Nahrung und Wein verordnet. Als sicherste Mittel gegen das D. galten bisher das Opium und das Morphium, welche man in großen schlafmachenden Dosen reichte. Seit einigen Jahren ist dazu noch das Chloralhydrat gekommen, welches wegen seiner prompten schlafmachenden Wirkung namentlich in solchen Fällen unschätzbar ist, wo das D. durch einen Knochenbruch oder andre schwere Verletzungen zum Ausbruch gekommen ist und der Kranke sich also nicht bewegen darf. Bei drohender Herzschwäche dagegen ist das Chloral durchaus zu vermeiden! Wegen der Gefahr für andre Kranke sind Deliranten zu bewachen und in besondere Zimmer zu legen. Kann man den Kranken herumgehen lassen, ohne befürchten zu müssen, daß er sich Schaden thut, so ist dies deshalb gut, weil derselbe dadurch sich am besten so ermüdet, daß ihn das Bedürfnis des Schlafs überkommt. Man hat deshalb auch in manchen Fällen an D. Erkrankte von zwei kräftigen Männern fassen und so lange umherführen lassen, bis die Ermüdung aufs höchste gesteigert war. Nur völlige Unterlassung des Mißbrauchs geistiger Getränke, namentlich des Branntweins, schützt vor Wiederholung der Anfälle; leider fallen die Kranken aber meist früher oder später in ihre alte Gewohnheit des Trinkens zurück. Vgl. Rose, D. tremens und D. traumaticum (Stuttg. 1884).

Delisches Problem (Duplicatio cubi, Verdoppelung des Würfels), eine im Altertum sehr berühmte geometrische Aufgabe, über deren Entstehung zwei Sagen bestehen. Nach der einen ließ der König Minos seinem Sohn ein Grabmal in Würfelform errichten, welches durch Unvorsichtigkeit des Baumeisters zu klein ausfiel. Es sollte daher der marmorne, 100 Fuß lange, ebenso breite und hohe Würfel weggenommen und ein andrer, doppelt so großer an des vorigen Platz gesetzt werden. Die andre Sage berichtet, daß das Orakel zu Delos zur Beseitigung einer Pest in Athen den Rat erteilt habe, den Altar des Apollon, der die Form eines Würfels hatte, zu verdoppeln. Da niemand über die Seitenlänge des zu erbauenden Altars Bescheid zu erteilen wußte, kam die Frage an Platon, der in seiner Verlegenheit den Griechen andeutete, daß dem Gott eigentlich an der Verdoppelung des Würfels nichts liege, sondern vielmehr daran, daß das Studium der Geometrie mehr betrieben werde. Ist a die Seite des gegebenen Würfels, x die des gesuchten, welcher den mfachen Inhalt des ersten haben soll, so muß x = a 3(m) ^[img] sein, und wenn m keine Kubikzahl (8, 27 etc.) ist, so läßt sich der Wert x nicht durch eine geometrische Konstruktion im Sinn der Alten, d. h. bloß mit Benutzung von geraden Linien und Kreisen, finden. Wohl aber gelingt eine solche Konstruktion, wenn man Kegelschnitte und andre krumme Linien anwendet, und die Geometer des Altertums und der Renaissance haben eine Menge derartiger Konstruktionen angegeben, auch zu diesem Zweck mehrere krumme Linien ersonnen. Da man eine Kubikwurzel bis zu jedem Grade der Genauigkeit berechnen kann, so hat das Problem für die praktische Berechnung keine Schwierigkeit. Vgl. Montucla, Histoire des recherches sur la quadrature du cercle (Par. 1754, 1831); Reimer, Historia problematis de cubi duplicatione (Götting. 1798).

Delisle (spr. dölihl), 1) Guillaume, franz. Geograph, geb. 28. Febr. 1675 zu Paris, gab zahlreiche Kartenwerke heraus, die sich durch Eleganz und Schärfe des Stiches vor den frühern rühmlich auszeichneten, wurde 1702 Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften, erhielt den Titel eines königlichen Geo-^[folgende Seite]