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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Desiderabel - Desinfektion.

Gedichte, ihre mißlungenen Tragödien, Komödien und Opern sind nichts als fades Gerede und voll süßlicher Sentimentalität; nur die Form der erstern ist vorzüglich. Zu ihrer Zeit aber wurde sie bis in den Himmel erhoben; man nannte sie "die zehnte Muse" und "französische Kalliope". Am besten gelungen sind ihre "Idylles", denen neben ihrer Anmut und Eleganz eine gewisse Natürlichkeit nachzurühmen ist. Ihre "Œuvres" (1687, 1695) erlebten viele Auflagen, besonders Paris 1747, 2 Bde., und 1799, 2 Bde. Eine Auswahl erschien 1882. - Ihre Tochter Antoinette Thérèse, geb. 1662, gest. 1718, erhielt für ihr Gedicht "L'éloge de l'établissement de Saint-Cyr" 1688 einen Preis von der Akademie; ihre Episteln, Chansons, Madrigale etc. finden sich in der Ausgabe der Werke ihrer Mutter (1695). Vgl. Péricaud-Kiné, Les deux D. (Lyon 1853); Deltour, Les ennemis de Racine (4. Aufl., Par. 1884).

Desiderabel (lat.), wünschenswert.

Desiderāt (Mehrzahl Desiderata, lat.), etwas als fehlend Vermißtes, Wünschenswertes, Mangel; Desideration, das Vermissen von, das Verlangen nach etwas; desiderativ, Verlangen ausdrückend; daher Desiderativum, in der Grammatik ein Zeitwort, das den Wunsch nach einer Handlung oder einem Zustand ausdrückt (s. Verbum).

Desiderāta (nach andern Berterad), Tochter des Langobardenkönigs Desiderius, ward 770 von Karl d. Gr. auf Anraten seiner Mutter Bertha, wiewohl der gegen die Langobarden feindlich gesinnte Papst Stephan IV. dringend davon abriet, zur Gattin genommen, aber schon 771, ungewiß ob aus persönlichen Gründen oder auf Veranlassung Stephans, verstoßen.

Desiderieren (lat.), etwas vermissen, danach verlangen.

Desidērio da Settignano (spr. ssettinjāno), ital. Bildhauer, geb. 1428, bildete sich in Florenz nach Donatello oder unter dessen Leitung zu einem der edelsten Meister der italienischen Frührenaissance aus, welcher großes dekoratives Geschick mit feinstem Naturgefühl verband. Sein Hauptwerk ist das Grabmal des Staatssekretärs Marzuppini in Santa Croce zu Florenz, welches durch die reizvolle Ornamentik wie durch die feine Charakteristik des auf dem Sarkophag ruhenden Verstorbenen gleich ausgezeichnet ist. Ein Wandtabernakel in San Lorenzo ebendaselbst ist in der maßvollen Ornamentik und der feinen Durchführung der Figuren ebenso bedeutend. Die von Vasari gerühmte Marmorbüste der Marietta Strozzi, ein Meisterwerk der naturalistischen Porträtbildnerei des 15. Jahrh., befindet sich im Berliner Museum. Er starb 16. Jan. 1464.

Desiderĭum (lat.), Wunsch, Verlangen; pium D. (Mehrzahl: pia desideria), frommer Wunsch, der wahrscheinlich nicht in Erfüllung geht.

Desiderius, letzter König der Langobarden, von König Luitprand zum Marschall und Herzog von Tuscien ernannt, bestieg nach Aistulfs Tode den Thron mit Hilfe des Papstes Stephan III., dem er dafür bedeutende Schenkungen versprach, 757. Als er jedoch im Besitz der Gewalt war, erfüllte er seine Versprechungen sehr unvollkommen, suchte vielmehr den Kirchenstaat von sich abhängig zu machen. Darob geriet er in erbitterten Kampf mit den Päpsten, die sich um Beistand an Karl d. Gr. wandten, welcher die Tochter des D., Desiderata, die er geheiratet hatte, nach kurzer Ehe verstieß. Aus Rache hierfür nahm D. die von den Franken vom Thron ausgeschlossenen Söhne von Karlmann, Karls d. Gr. Bruder, in Pavia auf und verlangte vom Papste die Salbung derselben zu Königen des Frankenreichs. Als sich derselbe weigerte, überzog er ihn mit Krieg (773). Da D. alle Anträge Karls zurückwies, so zog dieser über die Alpen, umging die Klausen, durch welche D. die Alpenpässe hatte sperren lassen, und schloß diesen in Pavia ein, das sich 774 ergeben mußte. D. ward als Gefangener nach Frankreich gebracht, wo er starb. Sein Sohn Adalgis, der nach Konstantinopel geflüchtet war, machte später mehrere erfolglose Aufstandsversuche und fand sein Ende in der Verbannung. Die Sage hat die Geschichte D.' mannigfach ausgeschmückt. Vgl. Sigurd Abel, Untergang des Langobardenreichs in Italien (Götting. 1859).

Desidiōs (lat.), müßig, träge, lässig.

Designation (lat.), Verzeichnis, besonders spezielle Vermögensaufzeichnung bei gewissen rechtlichen Veranlassungen, z. B. im Konkurs D. der Aktiva und Passiva des Gemeinschuldners, bei Erbschaften D. zur Feststellung der Erbschaftsmasse, bei Vormundschaften zur Sicherstellung des Mündelvermögens. Eine eidliche D. oder Spezifikation hat oft die Wirkung und Kraft eines gerichtlich errichteten Inventars; namentlich wird das Beneficium inventarii (s. d.) regelmäßig auch auf Grund einer eidlichen Privatdesignation des Erben erteilt. Aktendesignation ist das Verzeichnis einer Anzahl Aktenbände, welche zu verschicken, Besoldungsdesignation das Verzeichnis der Einkünfte, welche mit der Stelle eines Geistlichen oder eines Lehrers verbunden sind, Kostendesignation die spezielle Aufzeichnung der Sporteln und Vorlagen, welche jemand an eine Behörde zu zahlen hat. Auch versteht man unter D. die spezielle Angabe der Waren, welche ein Zollamt zu passieren haben. Designationsurteil ist die durch gerichtliches Urteil erfolgte Feststellung der Reihenfolge, in welcher die Konkursgläubiger rangieren. Endlich bezeichnet D. auch die Bestimmung zu einem Amte, die bloß vorläufige Berufung, wobei die definitive Übertragung noch von bestimmten Bedingungen, z. B. der Bestätigung des Landesherrn, abhängig gemacht ist.

Designatoren (lat.), bei den Römern Beamte, welche bei festlichen Aufzügen u. dgl. die Ordnung zu überwachen hatten.

Designieren (lat.), bezeichnen, bestimmen; jemand für ein demnächst anzutretendes Amt bestimmen, im voraus ernennen.

Designolles Pulver (spr. desinjoll), s. v. w. Pikratpulver, s. Schießpulver.

Desikkation (lat.), Austrocknung.

Desinfektion (franz.), das Verfahren, durch welches man der Gesundheit schädliche Stoffe, besonders die als Überträger von Krankheiten, als Ansteckungsstoffe, erkannten mikroskopischen Organismen, die Bakterien, zu zerstören sucht. Bisweilen rechnet man zur D. auch die Maßregeln, welche vorbeugend gegen die Entstehung oder Ausbreitung der Ansteckungsstoffe ergriffen werden, und häufig verwechselt man D. mit Desodorisation, indem man die Schädlichkeiten von den durch übeln Geruch sich bemerkbar machenden Stoffen ableitet und den gewünschten Erfolg erreicht zu haben glaubt, sobald dieser Geruch verschwunden ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß übelriechende Gase, welche aus faulenden Substanzen, Exkrementen etc. sich entwickeln und der Luft der Wohnräume sich beimischen, nachteilig sind, und insofern sind alle Maßregeln wertvoll, welche eine gründliche Beseitigung dieser Gase erreichen. Der Wert des Eisenvitriols, der Manganlaugen etc. besteht darin, daß sie gewisse Fäulnisprodukte, wie Schwefelwasserstoff- und Ammoniakgas, binden und die Verbrei-^[folgende Seite]