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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Dichtigkeit und Bewegung der Bevölkerung).

Proz.) Landwirte gegenüber (vgl. außerdem den Artikel "Auswanderung").

Dichtigkeit der Bevölkerung.

(Hierzu die Karte "Bevölkerungsdichtigkeit von Deutschland".)

In Bezug auf die Dichtigkeit der Bevölkerung nimmt D. den fünften Platz unter den Staaten Europas ein, indem es darin nur hinter Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Italien zurücksteht. Sehr ungleich ist die Dichtigkeit der Bevölkerung in den verschiedenen Teilen Deutschlands. Auf 1 qkm lebten 1880 in D. 83,7 Menschen, fast dreimal soviel wie durchschnittlich in ganz Europa (33 auf 1 qkm). Im preußischen Staat kamen 1880 auf 1 qkm 78,3 Einw., in der Rheinprovinz 151, in Westfalen 101,2, Schlesien 99,5, Hessen-Nassau 99,1, Sachsen 91,6, Brandenburg (mit Berlin) 84,9, Schleswig-Holstein 59,8, Posen 58,8, Hannover 55,2, Westpreußen 55,1, Ostpreußen 52,3, Pommern 51,2 Einw. Unter den Regierungsbezirken sind Düsseldorf und Köln am meisten (291,1 und 176,8) und Lüneburg und Köslin am spärlichsten (34,9 und 41,8 auf 1 qkm) bevölkert. In Bayern wohnen 69,7 Einw. auf 1 qkm, in der Oberpfalz 54,7, dagegen in der Pfalz 114,1. Das Königreich Sachsen hat die dichteste Bevölkerung in D., nämlich 198,3 Einw. auf 1 qkm, übertrifft also schon Belgien mit (1880) 187,4 (Kreishauptmannschaft Zwickau 239,3 Einw., Leipzig 198,4, Dresden 186,4 und Bautzen 142,3 Einw.). Die Staaten im südwestlichen D. stehen in der relativen Bevölkerung einander nahe: Hessen 121,9 Einw., Elsaß-Lothringen 108, Baden 104,1 und Württemberg 101,1 Einw. auf 1 qkm. Doch sind auch hier die Unterschiede beträchtlich: in Württemberg haben der Neckar- und der Donaukreis 187,2 und 74,7 Einw., in Baden die Kreise Mannheim und Waldshut 266,7 und 64,9, in Elsaß-Lothringen die Bezirke Oberelsaß und Lothringen 131,5 und 79,2, in Hessen die Provinzen Rheinhessen und Oberhessen 201,7 und 80,5 Einw. auf 1 qkm. In Thüringen (95,1) verteilt sich die Bevölkerung ziemlich gleichmäßig, nur daß Reuß ä. L. (160,5) und der Ostkreis von Altenburg besonders hervortreten. Von den übrigen Staaten zählen: Schaumburg-Lippe 104,1 Einw., Anhalt 99,1, Lippe 98,4, Braunschweig 94,7, Oldenburg 52,6, Waldeck 50,4, Mecklenburg-Schwerin 43,4, Mecklenburg-Strelitz 34,2 Einw. auf 1 qkm. Die geringste Bevölkerung trifft man in der Alpengegend des Südens (in den oberbayrischen Bezirksämtern Garmisch und Tölz), in den ausgedehnten Heide- und Moorlandschaften des Nordens und in den Landesteilen, in welchen der Großgrundbesitz, bez. "extensiver" Landwirtschaftsbetrieb vorherrscht; beträchtlicher ist die Bevölkerung schon in den Gebieten des kleinen Grundbesitzes, am bedeutendsten aber in der Regel da, wo neben diesem die Industrie zur Entwickelung gelangt ist.

[Geschlecht.] Auf 22,185,433 männliche Personen kamen 1880: 23,048,628 weibliche, d. h. ein Verhältnis von 100:103,9. Im ganzen genommen, überwiegt demnach das weibliche Geschlecht. Auf 100 männliche Personen kommen mehr als 107 weibliche in Ostpreußen, Posen, Schlesien, Hohenzollern, Württemberg, Waldeck und Bremen; ein Überwiegen des männlichen Geschlechts dagegen fand statt in: Westfalen, Rheinland, Schleswig-Holstein, Hannover und im Fürstentum Schaumburg-Lippe sowie in vielen Fabrik- und Garnisonstädten. Indessen ist als interessante Thatsache hervorzuheben, daß in den größten deutschen Städten das weibliche Geschlecht überwog. Es entfielen im J. 1880 auf 100 männliche Bewohner weibliche in Berlin 106,8, in Hamburg 103,7, Breslau 116,7, München 109, Dresden 108,5. Für Berlin weisen allerdings alle frühern Zählungen (mit Ausnahme von 1810) ein Überwiegen des männlichen Geschlechts nach. Ähnlich wie in den deutschen Großstädten sind diese Verhältnisse in Wien (1881: 105,7), London (1881: 112,3), New York (1880: 104,3), wogegen wieder für andre Großstädte ein beträchtliches Vorwiegen der männlichen Bewohner sich ergeben hat.

[Familienstand.] Die Volkszählung vom 1. Dez. 1880 ergab ferner, daß 60 Proz. der Bevölkerung ledig, 34 Proz. verheiratet und 6 Proz. verwitwet oder geschieden waren. Bei jedem Geschlecht sind diese Verhältnisse natürlich wesentlich verschieden: von den männlichen Einwohnern waren z. B. 62 Proz. ledig, von den weiblichen nur 58,1, verheiratet waren 34,6 der Männer, 33,4 Proz. der Frauen, verwitwet und geschieden 3,4 der Männer, 8,5 Proz. der Frauen.

[Alter.] Was die Altersverteilung anbetrifft, so gab es 8,017,997 männliche, 7,998,048 weibliche Kinder (unter 15 Jahren), 13,625,198 Männer, 14,416,214 Frauen im "produktiven" Alter (15-70 Jahre), 542,238, bez. 634,366 Greise (70 Jahre und darüber). Im Alter der Wehrpflicht (vom 17. bis 42. Jahr) waren 8,144,371 Männer (18 Proz. der Bevölkerung), wovon 1,189,018 (2,63 Proz. der Bevölkerung) im Alter der aktiven Dienstpflicht, 1,367,561 (3,02 Proz.) der Reservepflicht, 1,623,489 (3,59 Proz.) der Landwehrpflicht, der Rest im Alter des Landsturms sich befanden; Wahlberechtigte für den Reichstag (25 Jahre und ältere Männer) 10,165,213 (22,5 Proz. der Bevölkerung).

Bewegung der Bevölkerung.

[Eheschließungen.] In D. wurden im Jahresdurchschnitt der Periode 1874-83: 355,659 Ehen geschlossen, auf 1000 der mittlern Bevölkerung 8,05, das Mittel einer fast ununterbrochen fallenden Reihe; denn 1872 war die Ziffer 10,29 und 1881 nur 7,47, erst mit dem nächsten Jahr erhebt sich die Eheschließungsziffer wieder und betrug 1883: 7,70, also immer noch weniger als den Durchschnitt der letzten Periode. Wie ungleichmäßig die Eheschließungen im Lauf des Jahrs stattfinden, geht schon daraus hervor, daß 53 Proz. auf die fünf Monate Februar, April, Mai, Oktober und November fallen (die Monate gleich lang angenommen). Da nun hierfür die Beschäftigungs- und Erwerbsverhältnisse sowie die kirchlichen Vorschriften in erster Linie maßgebend sind, so müssen die verschiedenen Teile des Deutschen Reichs ganz erhebliche Unterschiede zeigen. In einem vorwiegend katholischen und Landwirtschaft treibenden Teil, Posen und Oppeln, wurden 1883 im Monat November (nach Beendigung der Ernten) fast zehnmal soviel Ehen geschlossen als im Monat März (der Fastenzeit), und auf die vier Monate Januar, September, Oktober und November entfielen allein 55 Proz. der Eheschließungen des ganzen Jahrs. Dagegen erreicht die Anzahl der Eheschließungen im nördlichen, ebenfalls vorwiegend Landwirtschaft treibenden, aber protestantischen D.: Pommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck, im Monat November zwar auch den höchsten Stand, betrug jedoch nur das Dreifache des Monats März, während die fünf Monate April, Mai, Oktober, November und Dezember allein 58 Proz. der Jahressumme ausmachten; außerdem war das Minimum im August statt, wie oben, im März. Als vorwiegend protestantisch und industriereich charakterisieren sich Thüringen und das Königreich Sachsen, wo nicht einmal das Maximum der Eheschließungen im Herbst, sondern im April und Mai liegt und das Minimum im August. Die Verteilung ist gleich-^[folgende Seite]