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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Ackerbau).

und Sachsen (60,2 Proz.), ferner in Anhalt (60,8 Proz.), in Schwarzburg-Sondershausen (57,6 Proz.), Provinz Schleswig-Holstein (57,6 Proz.), Lübeck (56,9 Proz.), Sachsen-Altenburg (56,4 Proz.), Mecklenburg-Schwerin (56,2 Proz.). Ausgedehnt ist der Anbau des Weizens, im S. und am Rhein auch der des Dinkels. Sie bilden mit Gerste und im NO. auch mit dem mehr hier und im bergigen Innern als im S. gebauten Roggen Hauptgegenstände der Ausfuhr; untergeordneter ist die Ausfuhr, nicht die Erzeugung, des insbesondere in den Berggegenden gebauten Hafers und der Hülsenfrüchte, von letztern am bedeutendsten in den Provinzen Posen und Brandenburg und den Marschländern des Nordwestens. Im J. 1884 belief sich in D. die gesamte Erntemenge von Weizen auf 2,478,883 Ton. (zu 1000 kg), Roggen auf 5,450,992 T., Gerste auf 2,229,598 T., Hafer auf 4,236,665 T., Spelz und Emer auf 480,577 T., Buchweizen auf 138,370 T. Danzig versendet ins Ausland jährlich fast 200 Mill. T. Weizen und über 40 Mill. T. Roggen, Stettin 3 Mill. T. Weizen und 30 Mill. T. Gerste; Weizen und Gerste gehen vornehmlich nach England, Roggen zumeist nach Norwegen. Dessen ungeachtet gehört D. zu den Ländern, die durchschnittlich noch eines erheblichen Zuschusses an Getreide bedürfen, namentlich an Roggen und Gerste. So stellten sich für das deutsche Zollgebiet 1884 Ein- und Ausfuhr von Getreide (im freien Verkehr) wie folgt:

Einfuhr Ausfuhr

Weizen 752901 Ton. 36193 Ton.

Roggen 961399 " 6286 "

Gerste 439879 " 37265 "

Mehl 46275 " 131689 "

Hafer 366413 " 18527 "

Mais 191991 " 415 "

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Zahlreiche große Kunstmühlen setzen ihr Produkt zum Teil auch ins Ausland (England und Holland) ab. Die süddeutschen Gebirge besitzen nicht allein die größten Strecken vollkommen unproduktiven Landes (Oberbayern nur 31,6 Proz. Ackerland), sondern die Üppigkeit des Graswuchses schließt auch im Gebirge teils den Ackerbau aus, teils nötigt sie zu jener merkwürdigen Wechselwirtschaft von Wiese und Feld, die man Eggartenwirtschaft nennt. Sonst ist gegenwärtig die Lehre von der Fruchtfolge die Grundlage des Ackerbaues, auf welcher die Fruchtwechselwirtschaft basiert, der die sogen., schon durch Karl d. Gr. eingeführte und noch oft angewendete Dreifelderwirtschaft nahekommt, während in nicht dicht bevölkerten Gegenden, z. B. in Schleswig-Holstein und Mecklenburg, noch die Koppel- oder Graswirtschaft weit verbreitet ist. Im übrigen ist neuerdings die Landwirtschaft in D. eine intensivere geworden. Dem industriereichen Siegener Land sind die Hauberge eigen, Eichenschälwaldungen, die nach dem Abtreiben des Niederwaldes als Feld benutzt werden, bis der Stockausschlag wieder Herr wird. Der arme Moorbauer des nordwestlichen D. verschafft durch Brennen des Moorbodens seiner Frucht die nötige Düngung, verpestet aber freilich zur Zeit dieses Moorbrennens die Atmosphäre Deutschlands durch den Moordampf oder Herauch. Hier im N. auf dem gebrannten Moor wie auf der sandigen Geest gedeiht vornehmlich noch der Buchweizen. In dem Rhein- und Neckarland reift auch der Mais. An den Bau der Kartoffel, deren jährlicher Ertrag in D. sich durchschnittlich auf fast 21 Mill. Ton. (1884: 24,0 Mill. T.) beläuft, schließt sich die für Preußen insbesondere so wichtige Brennerei und Spiritusgewinnung, vorzugsweise als Nebenbeschäftigung der Landwirtschaft, an. Die Zahl sämtlicher Brennereien in D. (ohne Bayern, Württemberg und Baden) beläuft sich auf 40,200, ihre Produktion (1883-84) auf 3,6 Mill. hl und die Steuereinnahme für Spiritus jährlich auf fast 50 Mill. Mk.

Ausgedehnt ist in vielen fruchtbaren Gegenden Deutschlands der Anbau von Handelsgewächsen. Obenan steht der Flachs, den nicht allein die Gebirgsgegenden des Südens und das Bergland Mitteldeutschlands, sondern auch die norddeutsche Niederung liefert, wie die Gegend von Ülzen in Hannover und das Ermeland in Preußen, überall die Basis einer einst über ganz D., vornehmlich seine ärmern Bergländer, ausgedehnten urwüchsigen Industrie, der Leinwandweberei (s. unten). Von einiger Ausdehnung ist der Bau des Hanfes nur in Baden und Rheinbayern. Der Anbau des Flachses sowohl als des Hanfes in D. hat neuerdings erheblich nachgelassen, indem die Anbaufläche des erstern von 133,890 Hektar im J. 1878 auf 108,297 Hektar im J. 1883, also um 19,1 Proz., und die Anbaufläche des Hanfes in derselben Zeit von 21,181 Hektar auf 15,255 Hektar, also um 28 Proz., zurückgegangen ist. Um des Öls willen werden vor allem Raps und Rübsen, untergeordnet Leindotter, nur an sehr wenigen Orten, wie um Erfurt, Mohn gebaut. Jedoch ist der Anbau der Ölpflanzen durch den allgemein eingeführten Gebrauch von Petroleum und der mineralischen Schmieröle erheblich eingeschränkt worden. Mit Raps und Rübsen (Winter und Sommer) waren in D. im J. 1878: 179,054,6 Hektar, im J. 1883 dagegen nur 133,470,8 Hektar angebaut. Die Anbaufläche des Leindotters ist in derselben Zeit von 2088,4 Hektar auf 2487,9 Hektar gestiegen, diejenige des Mohns von 6333,9 Hektar auf 5756,7 Hektar gesunken. Nächst den Küstenländern liefern im Innern Sachsen, Thüringen und andre Gegenden bedeutende Quantitäten Ölfrüchte. Nicht unbeträchtlich ist auch die Erzeugung von Kleesamen, und namentlich versendet Breslau große Mengen desselben nach England. Die Einfuhr in das deutsche Zollgebiet ergab 1884: 936,570 Doppelzentner Raps und Rübsaat und 609,925 Doppelzentner Leinsaat; die Ausfuhr 127,338 Doppelzentner Raps etc. und 207,068 Doppelzentner Leinsaat. Von Petroleum wurden in das Zollgebiet 1884: 4,625,447 Doppelzentner eingeführt und 3131 Doppelzentner aus demselben ausgeführt. Der Bau der Farbepflanzen beschränkt sich auf verhältnismäßig wenig Distrikte, der des Krapps auf die Rheinebene, Schlesien und Württemberg; noch beschränkter ist der des einheimischen Waids (in Thüringen, bei Ingolstadt) und des Saflors (Thüringen und Franken). Gering ist auch der Anbau der Kardendstieln ^[richtig: Kardendisteln] in Schlesien, Sachsen, Mittelfranken, am Unterrhein. Von großer Wichtigkeit für viele Gegenden Deutschlands mit fruchtbarem Sandboden ist der Tabak. Den besten und meisten baut man in der Rheinpfalz, im Elsaß, im Neckarthal, bessere Sorten auch noch in Mittelfranken, insbesondere um Nürnberg und Erlangen. Geringere Sorten liefern der Werragrund und der Norden, wo in Pommern und der Ukermark noch ausgedehnter Tabaksbau stattfindet. Jedoch nimmt derselbe im allgemeinen ab. Im Erntejahr 1884 bis 1885 waren dem Tabaksbau in D. 21,091 Hektar gewidmet; davon kamen 4428 (1843 noch 10,000) auf Preußen, 7633 auf Baden, 2432 auf Elsaß-Lothringen, 4889 auf Bayern (meist auf die Pfalz, nächstdem auf Mittelfranken), 1073 auf Hessen etc. Pfälzertabake werden als Deckblätter selbst nach Amerika ausgeführt, alle übrigen Tabake aber im Land selbst in Tabaks- und Zi-^[folgende Seite]