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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eid

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Eid.

rer Strafe bedroht (s. Meineid). Eine solche rechtliche Bedeutung hat der E. jedoch nur dann, wenn er unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften und vor der zuständigen Behörde abgeleistet wird, sei es nun, daß es sich dabei um die eidliche Versicherung einer Zusage oder eines Versprechens oder um die eidliche Erhärtung einer Aussage handelt. Im erstern Fall spricht man von einem promissorischen E. (juramentum promissorium), im letztern von einem assertorischen E. (j. assertorium). So ist z. B. der Zeugeneid nach modernem deutschen Prozeßrecht in der Regel ein promissorischer, welcher vor der Vernehmung geleistet wird. Ausnahmsweise kann er jedoch auch nach der Vernehmung abgenommen werden, namentlich wenn Bedenken gegen die Zulässigkeit des Zeugnisses obwalten. Im ersten Fall schwört der Zeuge, daß er die Wahrheit sagen werde, im zweiten, daß er sie gesagt habe. Eine Vereidigung durch die zuständige Behörde ist besonders bei der Übertragung eines öffentlichen Amtes üblich und notwendig (s. Amtseid), ferner beim Eintritt in den Militärdienst (s. Fahneneid) sowie bei Angelobung des Unterthanengehorsams gegenüber dem Landesherrn (s. Huldigung). Nach manchen Verfassungen hat auch der Landesherr selbst beim Regierungsantritt einen E. auf die Verfassung zu leisten. Auch Schöffen und Geschworne sind zu vereidigen. Sie werden mit einem promissorischen E. belegt. Von besonderer Wichtigkeit aber ist der E. für das gerichtliche Verfahren und hier wieder vorzugsweise für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen der E. als das wirksamste Beweismittel erscheint. Mit Rücksicht hierauf werden die Eide in gerichtliche und außergerichtliche eingeteilt. In jedem Rechtsstreit sind nämlich diejenigen Thatsachen, auf die eine Partei einen rechtlichen Anspruch gründet, für den Fall ihrer Erheblichkeit und Bestrittenheit von jener Partei zu beweisen. Hierzu können nun dem Beweispflichtigen verschiedene Beweismittel zu Gebote stehen, wie Urkunden, Zeugen oder Sachverständige. Nicht selten fehlt es jedoch an solchen gänzlich, so daß der betreffenden Partei nur der Eidesantrag zur Erhärtung der Wahrheit übrigbleibt, oder das Resultat der Beweisführung ist ein unvollständiges, so daß der Richter, um eine rechtliche Überzeugung zu gewinnen, der einen oder andern Partei noch einen E. auferlegen muß. Das alsdann von der Partei Beschworne gilt so lange als juristisch gewiß und als formelle Wahrheit, als nicht das Gegenteil der beschwornen Thatsachen nachgewiesen und die Verurteilung jener Partei wegen Meineids erfolgt ist. Daß ein solcher Parteieneid, eben weil der Schwörende zugleich Partei ist, sein Bedenkliches hat, läßt sich nicht leugnen, und ebendarum ist auch in Deutschland die Abschaffung des Parteieneids und die Einführung des englischen Systems verlangt worden, nach welch letzterm die Parteien nur als Zeugen vereidigt werden können und die Würdigung ihrer Aussage dem freien richterlichen Ermessen überlassen bleibt. Die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 410 ff.) hat jedoch letzteres System, als dem deutschen Rechtsbewußtsein und Rechtsleben zu fern stehend, nicht adoptiert und den Parteieneid beibehalten, der übrigens schon im römischen Recht vorkommt. Auf der andern Seite ist ihre Tendenz unverkennbar, die Eidesleistungen auf das Notwendigste zu beschränken (sogen. Eidesersparungsprinzip). Dagegen ist die zeugeneidliche Vernehmung der Parteien wie in England auch in einigen Staaten von Nordamerika und im sogen. Bagatellprozeß auch in Österreich Rechtens.

Was die Erfordernisse eines Eides im einzelnen anbelangt, so gehört dazu vor allem Eidesfähigkeit des schwörenden Subjekts und zu dieser geistige Integrität und sogen. Eidesmündigkeit, welche nach deutschem Prozeßrecht mit dem 16. Lebensjahr beginnt. Zum Parteieneid in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sollen allerdings (Zivilprozeßordnung, § 435) nur prozeßfähige Personen zugelassen werden, also keine Minderjährigen und überhaupt keine Personen, welche sich nicht vertragsmäßig verpflichten können. Doch kann das Gericht auf Antrag des Gegners nach den Umständen des Falles auch Minderjährige, welche das 16. Lebensjahr zurückgelegt haben, zum E. zulassen. Dasselbe gilt von Verschwendern. In beiden Fällen muß es sich jedoch um Thatsachen handeln, welche in Handlungen des Minderjährigen oder des Verschwenders bestehen, oder die Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind. Ein wegen Meineids rechtskräftig Verurteilter ist an und für sich nicht eidesunfähig. Eine an ihn erfolgte Zuschiebung oder Zurückschiebung eines Eides kann jedoch vom Gegner widerrufen werden, falls die Verurteilung wegen dieses Verbrechens erst später erfolgt ist, oder wenn der Gegner glaubhaft macht, daß er erst nach der Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurteilung Kenntnis erlangt hat. Auf Antrag des Gegners kann auch der einem Meineidigen vom Richter auferlegte E. zurückgenommen werden. Der E. selbst ist in der Weise zu leisten, daß die Eidesformel oder Eidesnorm vom Richter vorgesagt und vom Schwurpflichtigen nachgesprochen wird. Die früher üblichen Solennitäten der Eidesleistung und der besondere Judeneid des gemeinen Rechts sind weggefallen. Die Eidesformel beginnt mit den Worten: "Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß etc." Die Schlußworte lauten dann: "So wahr mir Gott helfe". Letztere Formel war schon in den deutschen Grundrechten aufgestellt. Mitglieder einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteurungsformeln an Stelle des Eides gestattet, können mit rechtlicher Wirksamkeit statt des Schwurs ebenjene Beteurungsformel gebrauchen. Der Eidesleistung geht eine Eidesbelehrung und Meineidsverwarnung durch den Richter voraus. Juristische Personen und nicht prozeßfähige Parteien schwören den Parteieneid durch ihre gesetzlichen Vertreter. Der Schwurpflichtige erhebt bei der Eidesleistung die rechte Hand. Versicherungen an Eides Statt kennt die deutsche Zivilprozeßordnung nicht, während sie in einzelnen deutschen Staaten statt außergerichtlicher Eide in manchen Fällen zulässig sind. Auch Handgelübde an Eides Statt sind der Zivilprozeßordnung fremd, und die vielfach angeregte Ersetzung des Eides, als der Glaubens- und Gewissensfreiheit widersprechend, durch Formeln der Beteurung auf Ehre und Gewissen oder auf Bürgerpflicht hat nicht stattgefunden, während man in der Schweiz, in England und in Italien solchen Gewissensbedenken Rechnung trägt. In Italien z. B. lautet die Formel lediglich: "Ich schwöre etc."

Was die verschiedenen Arten des Eides in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten anbelangt, so wird der von einer Partei als Beweismittel ihrer Behauptung gebrauchte E. Haupteid oder Schiedseid (juramentum delatum) genannt. Wird der E. bei unvollständigem Beweis einer Partei von dem Richter auferlegt, so bezeichnet man denselben als notwendigen E. (j. necessarium s. judiciale) und im Gegensatz dazu den Schiedseid als freiwilligen E. (j. voluntarium). Der notwendige oder richterliche E.