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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrizität

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Elektrizität (elektrische Verteilung, Messen der elektrischen Spannung).

zen Leiters versetzt, auf dessen Oberfläche sich alle E. begeben hat. Metallteile an elektrischen Apparaten brauchen daher nicht massiv zu sein, sondern können ebensogut hohl sein. Auf einer Kugelfläche verbreitet sich die E. überall gleichmäßig; sie hat überall dieselbe Dichte, d. h. auf gleichen Flächenteilen ist die gleiche Elektrizitätsmenge vorhanden. Auf Körpern von andrer Gestalt sammelt sich die E. an denjenigen Stellen am dichtesten an, welche am meisten hervorragen, besonders an Kanten, Ecken und Spitzen. Namentlich auf Spitzen häuft sich die E. dergestalt an, daß sie aus denselben auszuströmen scheint; in Berührung mit einem elektrischen Körper werden nämlich die Luftteilchen gleichnamig elektrisch und um so stärker abgestoßen, je größer die Dichte der E. auf dem Körper ist; an Spitzen entweicht die elektrisch gewordene Luft so kräftig, daß sie sich der entgegengehaltenen Hand als elektrischer Wind fühlbar macht und eine Kerzenflamme zur Seite bläst. Ein leichtes mit seiner Mitte auf eine Spitze aufgesetztes Metallrädchen (das elektrische Flugrad), dessen zugespitzte Speichen alle nach derselben Richtung gekrümmt sind, wird durch den Rückstoß der den Spitzen entströmenden Luft der Strömungsrichtung entgegen in Umdrehung versetzt. Ein mit einer Spitze versehener Leiter kann nicht oder nur schwach elektrisch gemacht werden, weil der von der Spitze ausgehende elektrische Wind die E. rasch entführt. Soll daher ein Leiter die E. behalten, so muß man ihm unter Vermeidung aller scharfen Kanten und Ecken eine möglichst abgerundete Gestalt geben; soll er dagegen seine E. rasch abgeben, so muß man ihn mit Spitzen versehen.

Nähert man einem isolierten Leiter, z. B. einem an den Enden abgerundeten, auf einem Glasfuß wagerecht aufgestellten Metallcylinder, vom einen Ende her einen elektrischen Körper, etwa einen geriebenen Glasstab, so wirkt die (positive) E. des letztern auf die beiden in dem Leiter anfangs noch miteinander verbundenen Elektrizitäten und trennt sie, indem sie die ungleichnamige (negative) an das nähere Ende heranzieht, die gleichnamige (positive) nach dem entferntern Ende zurückdrängt. Daß die beiden Enden des Metallcylinders in der angegebenen Weise entgegengesetzt elektrisch geworben sind, erkennt man an elektrischen Doppelpendeln, die man daselbst aufgehängt hat; jedes derselben besteht aus zwei Holundermarkkugeln, welche an leinenen Fäden nebeneinander hängen und im unelektrischen Zustand sich berühren; beim Annähern der Glasstange sieht man jedes Pendelpaar auseinander gehen, weil die beiden Holundermarkkugeln eines jeden, gleichnamig elektrisch geworden, sich abstoßen und zwar, wie man sich leicht durch Prüfung überzeugen kann, die am nähern Ende mit negativer, die am entferntern Ende mit positiver E. Man nennt diese durch den Einfluß eines genäherten elektrischen Körpers in einem Leiter bewirkte Trennung der beiden Elektrizitäten elektrische Verteilung oder Influenz. Würde man nun den elektrischen Körper (den Glasstab) wieder entfernen, so würden sich die beiden getrennten Elektrizitäten sofort wieder vereinigen, der isolierte Leiter in den unelektrischen Zustand zurückkehren und die Pendelpaare wieder zusammenfallen. Berührt man dagegen bei fortdauernder Gegenwart des Glasstabes den Metallcylinder mit dem Finger, so ist der abgestoßenen positiven E. ein Ausweg eröffnet, sie entweicht durch den leitenden menschlichen Körper in die Erde, und das am entferntern Ende aufgehängte Pendelpaar klappt zusammen; aber die am nähern Ende angehäufte negative E. kann durch den Finger nicht entweichen, weil sie, von der positiven des Glasstabes angezogen, festgehalten oder, wie man sagt, gebunden wird. Nimmt man jetzt erst den Finger und dann den Glasstab weg, so verbreitet sie sich frei über den ganzen Cylinder, und beide Pendelpaare fahren auseinander mit negativer E. Der Metallcylinder ist also jetzt negativ geladen durch den Einfluß eines positiv elektrischen Körpers, ohne daß dieser von seiner E. das mindeste abgegeben hat. Es wäre jedoch irrig, anzunehmen, daß jene negative E. ohne entsprechenden Arbeitsaufwand gewonnen worden sei; denn indem man den positiv elektrischen Glasstab von dem negativ elektrischen Leiter entfernte, hatte man die zwischen beiden wirksame Anziehung zu überwinden und dabei eine Arbeit zu leisten, deren Ergebnis die auf dem Leiter auftretende elektrische Energie ist.

Ein leitend aufgehängtes Pendelpaar, seien es nun zwei an Leinenfäden aufgehängte Holundermarkkügelchen oder wegen der bedeutendern Empfindlichkeit zwei Strohhälmchen oder noch besser zwei Goldblättchen, ist sehr geeignet, die auf einem Leiter, mit dem sie verbunden sind, herrschende elektrische Spannung anzuzeigen, u. dient daher als Elektroskop. Das Goldblattelektroskop (Fig. 1) besteht aus einem in ein Glasröhrchen mit Siegellack eingekittetes Messingstäbchen, welches oben eine Messingplatte, unten als elektrisches Doppelpendel zwei Streifen aus Blattgold trägt. Um die Pendel vor Luftströmungen zu schützen und zugleich das Ganze zu isolieren, ist das Röhrchen mittels eines Korks oder einer eingekitteten Metallfassung in den Hals eines Glasgefäßes eingesetzt. Hält man einen elektrischen Körper, z. B. eine geriebene Glasstange, in einiger Entfernung über die Platte, so gehen die Pendel auseinander mit positiver E.; der positiv elektrische Glasstab hat nämlich in dem Metallkörper des Elektroskops Verteilung bewirkt, indem er positive E. in die Pendel trieb, negative in die Platte heranzog. Berührt man jetzt die Platte mit dem Finger, so entweicht die abgestoßene positive E., und die Pendel fallen zusammen, während die negative E. in der Platte gebunden bleibt. Wird nun nach Wegnahme des Fingers auch der Glasstab entfernt, so wird diese negative E. frei, verbreitet sich über den ganzen Metallkörper und zwingt die Pendel, auseinander zu gehen. Das Elektroskop ist demnach mittels des positiven Glasstabes mit negativer E. dauernd geladen. Mittels einer geriebenen Kautschuk- oder Siegellackstange hätte man es auf dieselbe Weise positiv laden können. Nähert man dem negativ geladenen Elektroskop den Glasstab wieder, so gehen die Pendel mehr zusammen, weil der Glasstab durch seine verteilende Wirkung positive E. in die Pendel treibt und negative aus ihnen herauszieht und somit ihre negative Spannung vermindert; nähert man dagegen eine negativ elektrische Siegellackstange, so wird eine neue Menge negativer E. in die Pendel getrieben, und sie gehen weiter auseinander. Das geladene Elektroskop gibt also nicht bloß

^[Abb.: Fig. 1. Goldblattelektroskop.]