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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrotechnik; Elektrotechniker; Elektrotherapie

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Elektrotechnik - Elektrotherapie.

welcher von den anziehenden und abstoßenden Wirkungen handelt, welche elektrische Ströme gegenseitig aufeinander ausüben. Die mathematische Theorie der E. gründet sich auf den Begriff des "elektrischen Potenzials" (s. d.). Vgl. A. Beer, Einleitung in die E. (Braunschw. 1865); Kötteritzsch, Lehrbuch der E. (Leipz. 1872); Riemann, Schwere, Elektrizität u. Magnetismus (Hannov. 1876); Serpieri, Das elektrische Potential oder Grundzüge der E. (Wien 1884).

Elektrotechnik (griech.), auf Anwendung des elektrischen Stroms beruhende Technik, bei welcher es sich im wesentlichen um physikalische Wirkungen des Stroms, Hervorbringung gewisser Bewegungen, Licht- und Wärmeentwickelung, Kraftübertragung, chemische Prozesse etc. handelt. Die wichtigsten Zweige der E. sind: die Telegraphie mit der Telephonie etc., die elektrische Beleuchtung, die Kraftübertragung zum Betrieb von Eisenbahnen und Maschinen an Orten oder unter Verhältnissen, wo andre Motoren nicht anwendbar sind, und die Galvanoplastik. Außerdem hat der elektrische Strom noch außerordentlich mannigfache Verwendung gefunden, z. B. zur Konstruktion von Sicherheitsapparaten, im Signalwesen, zur Konstruktion von Uhren und Läutwerken, in der Sprengtechnik (Minen, Torpedos, Straßenbau etc.), zur Warnung vor schlagenden Wettern in Bergwerken, in der Metallurgie, zur Erzeugung von starken Magneten, zur Wärmeerzeugung an Orten, wo Brennmaterial fehlt, aber mächtige Kraftquellen (Wasserfälle, Flüsse, Ebbe und Flut) zum Betrieb dynamoelektrischer Maschinen zur Verfügung stehen, in welchem Fall die von der Natur gegebene Kraft durch die Maschine in Elektrizität und diese wieder in Wärme verwandelt wird. Die chemische Wirkung des Stroms ist ebenfalls in der Metallurgie zur Fällung von Metallen, versuchsweise in der Färberei und Spiritusfabrikation angewandt worden. Vgl. die betreffenden Artikel. Vgl. Schwartze, Katechismus der E. (Leipz. 1882); "Elektrotechnische Bibliothek" (Wien 1882 ff.); Kittler, Handbuch der E. (Stuttg. 1885); "Zeitschrift für angewandte Elektrizitätslehre" (hrsg. von Carl, Münch., seit 1879); "Elektrotechnische Zeitschrift" (hrsg. von Zetzsche, Berl., seit 1880); "Zeitschrift für E." (Wien, seit 1883); "Vademekum für Elektrotechniker" (hrsg. von Rohrbeck, Berl. 1886).

Elektrotechniker, ein Techniker, welcher sich mit der praktischen Verwertung der Elektrizität beschäftigt.

Elektrotherapie (griech.), die Anwendung der Elektrizität zu Heilzwecken, beschränkte sich bis vor zwei Jahrzehnten auf einige roh empirische Heilversuche, während sie sich in den letzten 20-25 Jahren zur Bedeutung einer wissenschaftlichen Disziplin von der größten praktischen Wichtigkeit entwickelt hat. Seit der Erfindung der Elektrisiermaschine, noch mehr seit der Konstruktion der Voltaschen Säule hat man die verschiedensten Versuche angestellt, das neuentdeckte Agens zu Heilzwecken nutzbar zu machen. Allein die Resultate blieben, vorzugsweise wohl wegen der zu überwindenden technischen Schwierigkeiten, sehr unbefriedigend. Erst Faradays Entdeckung der Induktionserscheinungen und die alsbald darauf folgende Herstellung von Apparaten, welche sich zum ärztlichen Gebrauch eigneten, gaben der E. neuen Aufschwung. Die Epoche einer wissenschaftlichen Verwertung der Elektrizität in der praktischen Medizin, namentlich bei den sogen. innern Krankheiten, beginnt erst mit der von Duchenne 1847-50 angegebenen Methode der Lokalisierung des elektrischen Stroms. Duchenne arbeitete mit einem volta-elektrischen Induktionsapparat und wies nach, daß man den faradischen oder induzierten Strom auf bestimmte, bis zu einer gewissen Tiefe unter der Haut liegenden Punkte lokalisieren könne, wenn man die Spitze der Stromgeber, mit feuchten Leitern umhüllt, oberhalb des zu reizenden Organs kräftig auf die Haut aufsetzt. Diese Methode gestattet es, auf jeden Muskel und Nerv, an einer beliebigen Stelle und auf eine beliebig große Strecke den elektrischen Strom einwirken zu lassen. Duchenne zeigte, daß man an bestimmten Punkten der Körperoberfläche ganz besonders starke Muskelkontraktionen hervorrufen kann, und Remak wies dann nach, daß diese Punkte die Eintrittsstellen der motorischen Nerven in die Muskeln sind, und daß es vorteilhafter sei, statt des Muskels den zugehörigen Nervenzweig zu reizen. Remak befürwortete seit 1858 die Anwendung des konstanten galvanischen Stroms und bildete für denselben rationelle Beobachtungs- und Untersuchungsmethoden aus. Es zeigte sich, daß der galvanische Strom sich hauptsächlich zur Erregung der Zentralorgane, des Gehirns, des Rückenmarks und der Sinnesorgane, der faradische dagegen zur Erregung der peripheren Nerven und der Muskeln eignet. Hat nun die E. in kurzer Zeit zu großen praktischen Erfolgen, zumal auf dem Gebiet der Nerven- und Muskelkrankheiten, geführt, so befindet sie sich doch den genannten Krankheitszuständen gegenüber noch im Stadium einer geläuterten Empirie; denn wir haben keine klare physikalische Vorstellung davon, welche Veränderungen nicht bloß in dem elektrischen Zustand, sondern vorzugsweise in dem Ernährungsprozeß vor sich gehen, wenn ein Organ von dem elektrischen Strom in der einen oder andern Form getroffen wird. Zur Erzeugung der Ströme sind zweckmäßige Induktionsapparate und galvanische Batterien in verschiedenen Formen konstruiert worden. Die Elektroden, durch welche der Strom auf den Körper übertrugen wird, sind an übersponnenen Metalldrähten befestigte knopf- oder plattenförmige und mit Schwamm oder Leinwand überzogene Metallstücke. Die Anzahl der Krankheiten, gegen welche die Elektrizität erfolgreich angewendet wird, ist eine außerordentlich große; namentlich sind es Nerven- und Muskelkrankheiten, Lähmungen, Krämpfe, Neuralgien, manche Formen der Rückenmarkskrankheiten etc., besonders auch die Zustände von Scheintod, gegen welche die E. zu Felde zieht. Durch Anwendung galvanischer Ströme, welche man mit Hilfe eingestochener Nadeln auf beliebig tief gelegene Körperpartien einwirken lassen kann, ruft man elektrolytische Vorgänge in den Geweben hervor, welche Gerinnung des Bluts, Absterben der Gewebe etc. zur Folge haben. Die Elektrolyse wird benutzt zur Heilung von Pulsadergeschwülsten, Krampfaderbrüchen, der Hydrocele, gewisser Gelenkkrankheiten, namentlich auch zur Zerstörung von Polypen und andern Geschwülsten an schwer zugänglichen Körperstellen. Wichtiger für chirurgische Zwecke ist die Galvanokaustik (s. d.). Vgl. Duchenne, De l'électrisation localisée et son application (3. Aufl., Par. 1872); Remak, Galvanotherapie der Nerven- und Muskelkrankheiten (Berl. 1858); Ziemssen, Die Elektrizität in der Medizin (4. Aufl., das. 1872-75); M. Rosenthal, Die E. (2. Aufl., Wien 1873); Benedikt, Nervenpathologie und E. (Leipz. 1874); Bruns, Galvanochirurgie (Tübing. 1870); Schiel, Elektrotherapeutische Studien (Leipz. 1875); Pierson, Kompendium der E. (3. Aufl., das. 1881); Erb, Handbuch der E. (das. 1882); M. Meyer, Die Elektrizität in ihrer Anwendung auf praktische Medizin (Berl. 1882); I. ^[Isidor] Rosenthal und Bernhardt, Elektrizitätslehre für Mediziner und E. (das. 1883).