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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ernte

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Ernte (Ölgewächse, Hackfrüchte, Futterpflanzen etc.).

bilden. Pyramiden bildet man, indem man 2 Garben gegeneinander so anlehnt, daß die Ähren in die Höhe stehen, dazwischen wieder 2 Garben ebenso aufstellt und die Zwischenräume mit 4 Garben ausfüllt. Garbenkasten (Fig. 4) entstehen, wenn man eine Garbe in die Mitte und 4 Garben um dieselbe herumstellt, in die Zwischenräume weitere 4 Garben bringt und auf sämtliche Garben eine Garbe als Hut aufstülpt; Dachhaufen, wenn man 2 Garben übereinander auf die Erde legt und zwar in der Weise, daß das Sturzende der einen nach Süden, das der andern nach Norden gerichtet ist, und auf diese erst 6, dann 4 und 3 Garben so legt, daß sie einen Haufen mit einem nach Westen schräg ablaufenden platten Dach bilden. Gewöhnlich wird das Sommergetreide in solche Dachhaufen gesetzt, wiewohl es rätlicher ist, dasselbe einige Tage nach dem Mähen in kleinen Spitzhaufen aufzustellen und diese erst beim Einfahren zu binden. Solche Spitzhaufen bildet man, indem man beim Aufharken der Schwaden starke Wickel bildet, diese in eine Spitze zusammengedrückt aufstellt und die Sturzenden kreisförmig ausbreitet. Zur Bildung von Stiegen (Zeilen, Fig. 5) werden die Garben von kurzhalmigem Getreide in zwei dachförmig gegeneinander geneigten Reihen aufgestellt und die beiden Garben an den Enden der Reihen mit einem Band umschlungen. Um dem Auswachsen des geschnittenen Getreides (s. Auswachsen des Getreides) vorzubeugen, wozu besonders regnerische, windstille Witterung mit abwechselndem Sonnenschein Veranlassung gibt, muß man die noch in Schwaden auf dem Feld liegende Frucht mit dem Harkenstiel oder mit der Hand wenden und die schon gebundene und aufgeschichtete wieder in Garben zerlegen und ausbreiten. Nach dem Aufbinden und Aufschichten wird das Feld behufs des Sammelns der liegen gebliebenen Ähren nachgeharkt, was entweder mit dem gewöhnlichen Rechen, oder der Hungerharke, einem großen von Menschen oder Tieren gezogenen Rechen, geschieht, oder auch mit Hilfe der Kornharke, die aus einem auf zwei eisernen Rädern ruhenden Gestell besteht, an dessen vorderm Balken eiserne, bewegliche, dicht aneinander stehende, gekrümmte Zähne befestigt sind. Eine weitere Hauptregel ist endlich, daß alle Halmfrüchte nur in trocknem Zustand eingefahren werden, weil sie, naß in die Scheune gebracht, hier mehr dem Verderben ausgesetzt sind als beim ungünstigsten Wetter auf dem Felde. Daher muß man heitere, sonnige Tage zum Einfahren wählen. Das Einbansen des Getreides erfolgt in Scheunen so, daß demselben möglichst starker Luftzug nicht abgeht, besonders in dem Fall, wenn es nicht vollkommen trocken eingebracht werden kann, oder auch in Feimen (Mieten, Triesten, Diemen) mit und ohne Feimgestelle. Letzteres Verfahren findet immer mehr Anklang, da man bedeutend an Arbeit während der E. spart und im Winter Zeit genug zum Einfahren der Feimen hat; gut gesetzt und gut bedeckt (mit Stroh, Schilf etc.) hält sich Futter und Getreide in denselben mindestens so gut wie in Scheunen, welche außerdem auch ein beträchtliches Kapital repräsentieren und kostspielige Unterhaltung erfordern. - Die E. der Ölgewächse, mit Ausnahme der des Mohns, wird fast auf gleiche Weise und mit denselben Instrumenten wie die Getreideernte vollführt. Hierbei ist es aber von besonderer Wichtigkeit, den richtigen Zeitpunkt der E. zu beachten, und nötig, die Gewächse, die bei hohem, starkem Halm jederzeit am vorteilhaftesten mit der Sichel abgenommen werden sogleich nach dem Abschneiden in Bunde zu binden und diese in Haufen gestellt abtrocknen zu lassen sowie beim Heimfahren derselben die Erntewagen mit großen Leinwandplanen zu bedecken und mit grobem Segeltuch auszuschlagen oder gleich auf dem Feld auszudreschen. Die Aufbewahrung der Hackfrüchte geschieht meist in Mieten (Kupsen etc.), d. h. sie werden aus der Erde, im Feld, Hof etc., in lange, prismatische Haufen geschichtet, zunächst mit Stroh und dann mit 30-100 cm Erde bedeckt. Die einzelnen Mieten werden gewöhnlich so groß angelegt, als man mit vorhandenen Kräften an einem Tag einfahren kann. Der rechte Zeitpunkt zur Futterernte (Werbung) ist die beginnende oder volle Blüte; in dieser Zeit geben die Futterpflanzen bei größter Quantität auch die beste Qualität; sie enthalten jetzt die meiste Menge an Nährstoffen, die Stengel sind noch unverholzt, und die Blätter (Klee, Gras etc.) sind noch nicht abgefallen (s. Heu). Bei der Obsternte entnimmt man die Früchte den Bäumen entweder durch Schütteln, oder durch Abschlagen, oder durch sorgfältiges Abpflücken derselben mittels der Hand. Ersteres findet nur bei geringern und besonders harten Obstsorten, namentlich dann statt, wenn dieselben für den sofortigen Verbrauch, nicht aber zu längerer Aufbewahrung bestimmt sind; das zweite kommt nur bei Abnahme der verschiedenen Arten Nüsse vor; das dritte Verfahren aber macht sich bei allen feinern, bessern Obstsorten, z. B. bei Kirschen, Aprikosen, Pfirsichen und edlern Äpfel- und Birnenarten, nötig, um so mehr, wenn diese längere Zeit aufbewahrt werden sollen.

In neuerer Zeit hat man sich vielfach bemüht, die Abhängigkeit der E. von der Witterung zu vermindern und zu diesem Zweck die Arbeit durch Anwendung der Mähmaschine etc. zu beschleunigen; auch wurde die Anwendung des elektrischen Lichts empfohlen, und Neilson u. a. haben ein Verfahren angegeben,

^[Abb.: Fig. 4. Garbenkasten.]

^[Abb.: Fig. 5. Stiege.]