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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ernte

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Ernte (Allgemeines, Getreideernte).

Erbauung von E., deren sich besonders Graf Christian Ernst von Schönburg eifrig annahm.

Ernte (plattd. Aust, oberd. Fechsung, Fächsung, selten Ohst), das Geschäft des Einbringens der angebauten Gewächse, besonders der reifen Feldfrüchte. Die Getreideernte ist bei den verschiedenen Getreidearten im wesentlichen gleich. Hauptsache bei der E. ist schnelle Geschäftsförderung, um dem Körnerverlust vorzubeugen und die oft schnell vorübergehende günstige Witterung zu benutzen. Der rechte Zeitpunkt zur E. der Getreidearten ist gekommen, wenn die Körner "gelbreif" geworden. Als Zeichen der Gelbreife gilt, daß sich das Korn über den Fingernagel brechen läßt, ferner bei Weizen das Sichbräunen der obersten Halmknoten. Am längsten Zeit kann man dem Hafer lassen, da er schwerer als die übrigen Cerealien ausfällt. Hirse, Hanf, Mais, Kümmel, Mohn u. a. reifen sehr ungleich, und der Zeitpunkt der E. ist so zu wählen, daß weniges überreif und weniges unreif geschnitten wird, wenn man nicht, wie dies in kleinen Wirtschaften üblich, je nach fortschreitender Reife auch die E. fortschreiten lassen kann. Getreide, welches rasch verbraucht wird, kann minder reif sein als das, welches länger aufbewahrt werden soll; solches, welches sofort auf dem Feld gedroschen wird (mit Maschinen), und solches, welches in den abgeschnittenen Halmen nachreifen kann, schneidet man vor vollendeter Ausreifung aller Körner, ebenso alle Arten, deren Ähren bei zu großer Hitze und Ausreifung leicht brechen (z. B. Gerste), oder Schotenfrüchte, deren Samen durch Platzen der Schoten leicht ausfallen (Rapsarten, Hülsenfrüchte). Gegen die Reifezeit hin wandern die wichtigern Nährstoffe von den Wurzeln und Stengeln mehr und mehr in die Blätter und Ähren, zuletzt in die Körner. Je länger die Früchte auf dem Halm stehen, um so gehaltloser wird das Stroh. Die E. der Kartoffeln kann begonnen werden, wenn nach dem Absterben des Krauts die Schale der Kartoffel sich mit dem Finger nicht mehr abdrücken läßt. Die Rübe, zumal die Zuckerrübe, soll geerntet werden, wenn die Blätter beginnen, matt zu werden. Die größte Achtsamkeit erfordert der Hopfen bei Bestimmung der rechten Erntezeit; die Zapfen des Hopfens zeigen beim Zusammendrücken Klebrigkeit und dehnen sich langsam wieder aus, gerieben riecht er stark aromatisch, seine Farbe ist je nach Art gelblichgrün oder bräunlichgelb.

Zum Abernten (Mähen, Hauen, Einschneiten) bedient man sich vorzugsweise der Sense, häufig auch der Mähmaschine, der Sichel nur bei Pflanzen, welche besondere Vorsicht erheischen, um dem Körnerausfall vorzubeugen (Kümmel etc.), und welche besondern Widerstand leisten, wie der starkstengelige Grünmais etc. Zum Ausgraben der Kartoffel verwendet man meist die Handhacke, läßt auch den Haken vorarbeiten. Die Kartoffelausgrabemaschinen, welche besonders in letzter Zeit auf den Markt gebracht wurden, besitzen noch nicht die nötige Vollkommenheit, um sich allgemeiner einzubürgern. Die Rüben gräbt man entweder mit der Grabegabel aus, oder bedient sich des Rübenrodepflugs. Während die Hackfrüchte sofort vom Feld an ihren Aufbewahrungsort gebracht werden, hat das Getreide meist noch im Feld nachzureifen und abzutrocknen; zu diesem Zweck werden die Garben je 6-60 in verschiedener Weise in kleine oder größere Haufen zusammengestellt. Die kleinste Art, die Puppe (Fig. 1), wird gebildet, indem man eine Garbe senkrecht stellt, 5-8 im Kreis daran anlehnt und die Spitze mit einem Seil aus Stroh etc. fest zusammenbindet, um sie gegen Umwerfen durch Wind zu schützen. Will man einen Schutz auch gegen Regen geben, so bindet man um die Spitze herum eine Garbe (Haube) mit den Ähren nach unten. Diese Deckgarbe muß stärker gemacht und recht fest, möglichst nahe am Sturzende, gebunden werden. Das in solche Puppen gesetzte Getreide hält sich bei sorgfältiger Ausführung der Arbeit auch bei anhaltend nasser Witterung sehr gut, reift vollkommen nach, hält sich auch nach dem Einbringen in die Scheune gut, läßt sich leicht ausdreschen u. gibt auch gutes Stroh. Bei Sommergetreide möchte das Puppen aber nur dann zu empfehlen sein, wenn dasselbe die gehörige Länge hat; doch ist es auch bei der Gerste und dem Hafer mit Nutzen anzuwenden. Bei günstiger Witterung genügt das Zusammenlegen in Prismen, wie Fig. 2 zeigt. Unter den übrigen Aufstellungsweisen des geschnittenen Getreides sind besonders noch die Kreuzmandeln (Getreidekreuze, Fig. 3) zu erwähnen als geeignet für den später geschnittenen Roggen und bei günstiger Witterung. Es werden hierbei zuerst 4 Garben horizontal und kreuzweise so auf die Erde gelegt, daß die Ährenenden in der Mitte aufeinander zu liegen kommen, und zwar werden sie auf diese Weise dreifach aufeinander gelegt, so daß ein aus 12 Garben bestehendes Kreuz entsteht; auf einen Flügel desselben legt man darauf 2 Garben und auf diese wieder eine Garbe in der Weise, daß die Sturzenden nach Morgen gerichtet, die Ähren aber abwärts nach der Wetterseite zu gerichtet sind und ein schräges Dach

^[Abb.: Fig. 1. Getreidepuppe.]

^[Abb.: Fig. 2. Getreideprisma.]

^[Abb.: Fig. 3. Getreidekreuz.]