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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erntegebräuche; Erntehüter; Erntemaschinen; Erntemonat; Eroberung

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Erntegebräuche - Eroberung.

tiven und in den absoluten Zahlen einen objektiven Maßstab des wirklichen Anteils, welchen die Bodenproduktion am gesamten Wirtschaftsleben nimmt.

Ebenso unterscheiden sich die heutigen Kenntnisse von den Ernten durch die Methode der Erhebung von allen ältern Angaben dieser Art. Man begnügt sich durchaus nicht mehr mit einer summarischen Angabe des letzten Resultats, nämlich der landwirtschaftlichen Produktionsgrößen, sondern verzeichnet die Mittel und Bedingungen, durch welche die Bodenerträge herbeigeführt wurden, um daraus diese selbst zu berechnen. Daher geht die neue Erntestatistik von sehr weitläufigen analytischen Vorerhebungen aus, welche sich mindestens auf die Kenntnis der Ausdehnung des produktiven Bodens, Teilung desselben in Kulturgattungen und Bonitäten, wirklich bestellte Flächen, Ertrag der Flächeneinheit verschiedener Kategorien an den verschiedenen Produkten erstreckt. Damit sind aber nur die allernotwendigsten Elemente bezeichnet; eine etwas genauere Analyse führt bald dazu, daß man die Produktionsbedingungen noch viel eingehender untersucht, und zwar insbesondere die physisch-geographischen Bedingungen (Lage und Bodengepräge, geognostische Verhältnisse, Bodenarten, Gewässer, Klima), die ethnographischen Verhältnisse (Volkszahl, Anzahl der Arbeitskräfte in der Bodenkultur etc.), die politischen und sozialen Verhältnisse (Agrarverfassung, Besitzstände), das Ausmaß der Hauptkulturarten, den herrschenden Wirtschaftsbetrieb, das wirklich vorhandene lebende und tote Kapital etc.

Ob nun diese konsequente Analyse oder nur eine sehr weit verzweigte Massenbeobachtung angewandt wird, jedenfalls hat heute die Mehrzahl der Länder eine Kenntnis der Ernteverhältnisse ermöglicht, welche die Lebensmittelversorgung und den ganzen Rohstoffhandel unendlich gefördert hat. In den letzten Jahren hat man angestrebt, von der bloß länderweisen Nachweisung der Ernten mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Solidarität aller Völker der westlichen Kultur zur Einrichtung einer internationalen vergleichenden Darstellung überzugehen. Leider ist die amtliche Statistik noch nicht in solcher Weise einheitlich organisiert, daß von dieser Seite eine authentische Zusammenfassung schon zu erwarten wäre; es hat sich vielmehr gezeigt, daß die agrarstatistischen Daten der einzelnen Länder noch zu ungleichförmig und lückenhaft sind, um eine generelle Vergleichung zu ermöglichen. Daher kämpfen die wissenschaftlichen Arbeiten, welche solche Darstellungen anstreben, mit großen Schwierigkeiten und vermögen sich nur der Wahrheit zu nähern, ohne sie zu erreichen. Wohl aber hat das hohe Interesse, welches die regelmäßige Beschaffung der Lebensmittel und Rohstoffe für die ganze Weltwirtschaft mit sich bringt, in den amtlichen und geschäftlichen Kreisen zu dem Bemühen geführt, wenigstens annähernd richtige Bezeichnungen des Ernteausfalles der maßgebenden Länder der Erde möglichst rasch zusammenzustellen. Dies geschieht jetzt sowohl von einem zu diesem Zweck von seiten des landwirtschaftlichen Departements der Vereinigten Staaten errichteten Büreau für Sammlung vergleichender agrarstatistischer Daten in Europa (bei dem Generalkonsulat in London) als auch regelmäßig von der praktischen Geschäftswelt. Zu den oft sehr wertvollen Erhebungen letzterer Art gehören die Berichte der Getreidemakler und großen Handelsfirmen auf den Weltmärkten, so beispielsweise im englischen "Mark-Lane Express", im Rotterdamer Geschäftsbericht von de Mouchy, in den Berichten des Statistischen Büreaus der New Yorker Produktenbörse, in den Publikationen des Marseiller Hauses B. Estienne etc. und am umfassendsten in den 1873 begründeten Ernteberichten des alljährlich in Wien stattfindenden internationalen Getreide- und Saatenmarktes. Diese letztern verfolgen zwar ebenfalls nur geschäftliche Zielpunkte; sie bieten aber auch, wie die Erfahrung lehrt, hinreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Orientierung. Von den offiziellen Ernteberichten der einzelnen Staaten standen früher diejenigen Belgiens und Frankreichs unbestritten obenan; jetzt sind sie durch die Statistik andrer Länder überholt. Was streng systematische und exakte Methode betrifft, nimmt seit 1869 die Erntestatistik von Österreich und seit 1878 jene des Deutschen Reichs den ersten Platz ein; durch ungemein rasche, sehr reichliche und umfassende, aber weniger genaue Berichte zeichnet sich das Landwirtschaftsdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika aus, welches, ebenso wie es von seiten Großbritanniens neuestens wieder geschieht, auch internationale vergleichende Statistiken veröffentlicht. Auch Schweden, Dänemark und die Niederlande bringen verläßliche und rasche Nachweise der Ernten. In der Mehrzahl der übrigen Länder läßt die Beschaffenheit oder Raschheit der Erntestatistik noch zu wünschen übrig.

Über Ernteerträge der einzelnen Staaten vgl. Getreide (Produktion) und die andern Artikel, wie Kartoffel, Wein etc. Die Litteratur der Erntestatistik ebendort.

Erntegebräuche, s. Ernte.

Erntehüter (Custos messium), Sternbild am nördlichen Himmel, zwischen Renntier, Kassiopeia und Perseus, 50° gerader Aufsteigung und 70° nördlicher Abweichung, von Lalande 1774 dem Astronomen Messier zu Ehren gebildet, besteht nur aus kleinen Sternen.

Erntemaschinen, s. Ernte.

Erntemonat, deutscher Monatsname, s. v. w. August (Augst, Aust).

Eroberung, die gewaltsame Vereinigung eines Staatsgebiets mit einem andern. Den Gegensatz bildet die dauernde Verbindung eines Landes mit einem andern Staatswesen auf friedlichem Weg, sei es dadurch, daß dem Staatsoberhaupt des letztern durch Erbgang die Thronfolge im erstern eröffnet wird, sei es durch einen freiwilligen Anschluß. Freilich erfolgt eine solche Aufgabe der staatlichen Selbständigkeit regelmäßig nur unter einem gewissen Druck, so daß von Freiwilligkeit im vollsten Sinn des Wortes kaum die Rede sein kann. Dies gilt namentlich von der Deditio (Übergabe), welche im römischen Staatswesen eine so bedeutende Rolle spielte. Aber immerhin fehlt das bei der E. charakteristische Merkmal eines offenbaren und direkten Zwanges durch die feindliche Übermacht. Die E. ist gewissermaßen die positive Seite des Kriegs, indem durch einen solchen auf der einen Seite ein Staatswesen zerstört, auf der andern aber eine neue staatliche Organisation im Anschluß an die siegreiche Staatsgewalt geschaffen wird. Weiter ist aber auch noch die Okkupation eines bisher herrenlosen Landstrichs oder eines Gebiets, welches wenigstens noch nicht unter einer organisierten und zivilisierten Staatsgewalt stand, von der E. zu unterscheiden. Der Begriff der E. bedarf aber auch noch insofern der nähern Begrenzung, als es das ganze Gebiet des besiegten Staats sein muß, auf welches sich eine E. im eigentlichen Sinn des Wortes erstreckt, und als es sich um ein dauerndes Verhältnis der Abhängigkeit dabei handeln muß. So entsteht der Gegensatz zwischen einer feindlichen Invasion und