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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Festungskrieg

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Festungskrieg (Verteidigung).

sind die Ansichten geteilt, angelegt und erhält von rückwärts her gedeckte Zugänge durch Laufgräben, die, um sie der Längsbeschießung zu entziehen, in Zickzackform geführt werden. In der zweiten Artillerieaufstellung werden 12 cm und kurze 15 cm, in besondern Fällen auch wohl noch 15 cm Ringkanonen Verwendung finden, nächstdem aber zum Bewerfen des Innern von Festungswerken namentlich 15 cm Mörser und zum Einwerfen von Hohlbauten auch noch 21 cm Mörser. In neuerer Zeit ist man nach Schießversuchen zu der Ansicht gekommen, daß indirektes Feuer, namentlich in Rücksicht auf die große Treffsicherheit der gezogenen Mörser, viel schneller zum Ziel führen wird als das Feuer der besten weittragenden Kanonen. Während daher in der ersten Artillerieaufstellung die langen Kanonen überwiegen, werden in der zweiten kurze Kanonen und Mörser vorherrschen. Auch sind die Ansichten darüber geteilt, ob es zweckmäßiger ist, 6-8 oder nur 2-4 Geschütze batterieweise zu vereinigen oder gar unter Umständen Geschütze einzeln aufzustellen. Wenn auch letztere Aufstellungen den Vorzug der bessern Anpassung an das Terrain und weniger durch das feindliche Feuer zu leiden haben, so ist doch bei dieser Vereinzelung der Geschütze die Munitionsversorgung, namentlich aber die Feuerleitung und damit das Konzentrieren des Feuers einer Anzahl Geschütze zur systematischen Niederkämpfung feindlicher Geschützaufstellungen, die z. B. der Infanterie das Behaupten wichtiger Terrainpunkte unmöglich machen, sehr erschwert. Aus den Batterien der zweiten Artillerieaufstellung müssen auch die für den Sturm erforderlichen Breschen geschossen, Kaponnieren etc. demoliert werden, wozu die kurzen 15 und 21 cm Kanonen und Mörser, zum Beschießen der Scharten von Panzertürmen oder Panzerbatterien 9 cm Kanonen und, um verdeckte feindliche Stellungen zu bekämpfen, 9 cm Mörser in vorgeschobenen Batterien oder in der ersten Infanteriestellung Verwendung finden. Ein weiteres Vorschieben von Batterien wird nicht erforderlich sein, da die Treffsicherheit der langen Kanonen durch näheres Herangehen nicht vermehrt, der Gebrauch der kurzen Kanonen aber der dadurch bedingten Herabsetzung der Ladung wegen ungünstiger wird. Von den Artilleristen wird allgemein angenommen, daß, wenn es dem Angreifer möglich wird, seine Batterien bis auf 1000 oder 900 m an die Forts heranzubringen, die beschossenen Forts in nicht langer Zeit derart in Trümmerhaufen verwandelt werden, daß es dem Verteidiger nicht möglich wird, sich darin zu halten, geschweige denn Geschütze innerhalb derselben noch ins Feuer zu bringen, so daß ihre Übergabe von selbst erfolgen muß. Es wird wahrscheinlich auch möglich sein, durch einige Geschütze aus der zweiten Artillerieaufstellung die Stadt zu beschießen, unter Umständen sogar ein erfolgreiches Bombardement zu eröffnen, hierdurch aber wie durch die Beschießung der von den Forts zur Stadt führenden Kommunikationnen ^[richtig: Kommunikationen] die Übergabe der Forts zu beschleunigen. Von andern wird dagegen angenommen, daß auch in Zukunft der von den Ingenieuren auszuführende Nah- oder Ingenieurangriff (Sappenangriff) nicht wird entbehrt werden können, der auch bei Straßburg (Tafel II, Nebenkärtchen) noch zur Ausführung gekommen ist. Zu diesem Zweck wird unter dem Feuer der Belagerungsbatterien und dem Schutz der ersten Infanteriestellung auf halber Entfernung zwischen dieser und dem Fort die zweite Infanteriestellung und demnächst auf 150-200 m eine dritte Infanteriestellung eingerichtet, die, unter sich durch Laufgräben in gedeckter Verbindung stehend, der Infanterie die Bekämpfung des Verteidigers durch gezielte Schüsse gestatten und den Pionieren als Basis zum Vorgehen mit der bedeckten Sappe bis zur Krönung des Glacis, Anlage des Grabenniedergangs bis zur Grabensohle oder bis zum Wasserspiegel bei nassen Gräben und Herstellung des Grabenübergangs zur Bresche dienen, die von der zweiten Artillerieaufstellung geschossen wird. Kommt es zu einem solchen Vorgehen der Pioniere, so ist zu erwarten, daß auf dem Glacis der Minenkrieg beginnen wird; der Angreifer sucht durch tief liegende überladene Minen sowohl die Konterminen zu zerstören, als gleichzeitig oberirdisch einen Trichter auszuwerfen, um in ihnen gedeckt neue Angriffsminen vorzutreiben und so schließlich bis in die Nähe der Glaciskrete zu gelangen, diese zu krönen und den Grabenniedergang herzustellen, durch welche die in den Laufgräben gesammelten Sturmkolonnen zum Grabenübergang gelangen. Sollte es dem Angreifer nicht gelungen sein, die Grabenkaponnieren zu zerstören, und der Verteidiger im stande sein, hier gegen den Sturm Geschütze ins Feuer zu bringen, so wird bei der heutigen Geschützwirkung ein Gelingen des Sturms sehr in Frage gestellt. Gelang der Sturm, und ist der Verteidiger zu weiterm Widerstand durch eine inzwischen eingerichtete Zwischenstellung rückwärts der Forts vorbereitet, so muß der Angriff gegen dieselbe in ähnlicher Weise wie gegen die Forts mit ihren Zwischenbatterien begonnen und bis zum Sturm der in den Hauptwall gelegten Bresche nach gleichen Grundsätzen fortgeführt werden.

II. Die Verteidigung.

In den Festungen werden die für ihre Verteidigung erforderlichen Geschütze nebst Zubehör sowie die Munitionsteile für eine gewisse Anzahl Schüsse im Frieden bereit gehalten. Für die verteidigungsfähige Aufstellung der Geschütze und die gegen feindliches Artilleriefeuer gesicherte Unterbringung aller Kampfmittel muß gesorgt sein. Die Armierung einer Festung hat den Zweck, letztere aus dem Friedenszustand in den der Verteidigungsfähigkeit überzuführen; sie zerfällt in die fortifikatorische, artilleristische, ökonomische und Sanitätsarmierung. Erstere betrifft die Vervollständigung der Sturmfreiheit, der gesicherten Unterkunft der Garnison und ihrer Vorräte, Herstellung von Befestigungen im Vorterrain, Stauung der Gewässer zur Inundation (s. d.) des Vorterrains, Vorbereitung des Minenkriegs etc. Die artilleristische Armierung soll die Geschütze der ersten Geschützaufstellung oder der Sicherheitsarmierung an den Stellen, an denen die Geschütze nach dem bereits im Frieden bearbeiteten Armierungsentwurf Aufstellung finden sollen, kampfbereit fertig machen sowie die Munition anfertigen und die artilleristischen Streitmittel, z. B. Pulver etc., kriegsmäßig lagern. Die ökonomische Armierung soll die Lebens- und Quartierbedürfnisse der Besatzung bereit stellen und unterbringen und die Sanitätsarmierung alle Mittel zur Handhabung des Sanitätsdienstes in Bereitschaft stellen. Eine größere Anzahl von Geschützen wird als Reserve bereit gehalten, um auf der Angriffsfronte dann Verwendung zu finden, sobald diese entschieden ist. Als Grundsatz für eine aktive Verteidigung gilt, daß dem Angreifer das Vorterrain solange wie möglich streitig gemacht und das Festsetzen in demselben erschwert werden muß. Zu diesem Zweck müssen solche Punkte, die der Verteidigung günstig, und deren Besitz dem Angreifer Vorteile bringen würde, bei