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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Feuerversicherung

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Feuerversicherung (öffentliche Anstalten).

F. in energischer Weise verbreiteten und volkstümlich machten. Als die erste derselben gilt die bald nach 1700 in der Mark Brandenburg ins Leben gerufene, als erstes Städtereglement das Berliner von 1718. Die Societäten befaßten sich bis auf die neueste Zeit, in welcher einige derselben auch zur Mobiliarversicherung übergegangen sind, nur mit der Gebäudeversicherung, verteilten ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Gefahr die jährlich postnumerando zu zahlenden Versicherungssummen auf die Hausbesitzer nach Verhältnis des Taxwertes der versicherten Gebäude und erhoben die Prämien in derselben Weise wie die Steuern, so daß sie noch jetzt als Brandsteuern bezeichneten werden pflegen. Außerdem hatten sie mit dem Übelstand zu kämpfen, daß ihnen ein örtlich oft eng begrenztes Gebiet zugewiesen war, so daß eine zweckentsprechende zeitliche und örtliche Verteilung eingetretener Schäden unmöglich wurde. Wie das moderne Privatversicherungswesen überhaupt, so erhielten wir aus England, wo sich im Anfang des 18. Jahrh. die Erwerbsgesellschaften für F. ausbildeten, als deren erste die 1710 gegründete Sunfire office zu nennen ist, auch die moderne F., welche, zuerst in dem Hamburger Zweiggeschäft des Phönix 1786 nach Deutschland übertragen, hier Boden gewann und zur Gründung einheimischer großer Gesellschaften führte. 1812 wurde die Berlinische, 1819 die Leipziger Feuerversicherungsgesellschaft auf Aktien, 1820 die Gothaer Feuerversicherungsbank für Deutschland auf Gegenseitigkeit errichtet, denen nun in rascher Folge eine größere Anzahl derselben sich anschloß. Diese Privatgesellschaften haben das Verdienst, die Mobiliarversicherung und einen rationellern Betrieb des Feuerversicherungswesens, insbesondere auch die Klassifikation der Risiken, die entsprechende Tarifierung der Prämien je nach der Verschiedenheit der Gefahr, eingeführt und damit auch zur Verbesserung des Feuerlösch- und Rettungswesens sowie zur Erhöhung der Feuersicherheit beigetragen zu haben. Ihnen gegenüber suchen die Societäten, welche im Geschäftsbetrieb von jenen manche Lehren angenommen haben, ihre Privilegien und den (wirklichen oder behaupteten) Vorrang in Bezug auf Gemeinnützigkeit aufrechtzuerhalten, und es besteht zwischen den Societäten und Privatgesellschaften eine ununterbrochene, öfters unerquickliche Erscheinungen hervortreibende Fehde, welche wohl erst mit dem Erlaß eines allgemeinen deutschen Versicherungsrechts sich mildern wird. Es bestehen also in Deutschland drei Gattungen von Feuerversicherungsinstituten: 1) Die öffentlichen Anstalten; 2) die privaten Gegenseitigkeitsgesellschaften. Bei denselben tragen alle Versicherten gemeinschaftlich den Schaden, die aufzubringende Entschädigung wird in bestimmtem Verhältnis (nach der Höhe der versicherten Summen und dem Grade der Gefährdung, der wieder nach Bauart, Art der Benutzung, Umgebung etc. bestimmt wird) postnumerando gezahlt, oder es wird eine bestimmte Prämie pränumerando erhoben und nach Ablauf der Versicherungszeit der verbliebene Überschuß zurückgezahlt, bez., wenn größere Schäden eingetreten sind, Nachzahlung bis zu einem festgesetzten Vielfachen der Prämie gefordert. 3) Die privaten Aktiengesellschaften. Bei denselben übernehmen Kapitalisten (Aktionäre) die Versicherung gegen Zahlung einer von vornherein festgesetzten Prämie, deren Höhe nicht allein durch den Grad der Gefährdung und den Wert der versicherten Gegenstände, sondern auch durch die Konkurrenz bedingt wird. Wie der Gewinn des Versicherungsgeschäfts der Gesellschaft zufließt, so hat sie auch etwanige Verluste zu tragen. Die in Tausendteilen (pro Mille) der Versicherungssumme ausgeworfenen Prämiensätze richten sich im allgemeinen nach dem aufgestellten Tarif, doch können sie in Ausnahmefällen (große Sicherheit, ungewöhnliche Gefährdung etc.) auch durch besondere Vereinbarung geregelt werden. Ein geregelter Betrieb der F. ist nur dann möglich, wenn die zu deckenden Schäden zeitlich möglichst gleich verteilt sind. Dies sucht man durch "Trennung der Risiken" zu erreichen, d. h. dadurch, daß man eine angemessene örtliche Verteilung der zu versichernden Gegenstände zu erzielen sucht. Zu dem Ende wird für jeden Bezirk, bewohnten Ort, bez. für jede Straße ein Maximum festgesetzt, über welches hinaus von derselben Gesellschaft weitere Versicherungen nicht mehr übernommen werden. Man hilft sich alsdann durch die Mit- oder Rückversicherung (s. d.). Bei ungewöhnlich großer Gefährdung, zumal wenn der Versicherer wesentlich zur Erhaltung des zu versichernden Gegenstandes beitragen kann, läßt man denselben oft durch die sogen. Selbstversicherung einen Teil des Schadens nach bestimmtem Verhältnis tragen. Ebenso wird, wenn mehr Gegenstände vorhanden sind, als versichert wurden, bei einer teilweisen Beschädigung der Schade vom Versicherer nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zum Gesamtwert vergütet. Sind 1000 t versichert, 2000 vorrätig, und gehen hiervon 500 durch Feuer zu Grunde, so werden von der Gesellschaft nur 500×1000/2000 = 250 t entschädigt. Verbrennt das Ganze, so wird auch die ganze Versicherungssumme vergütet. Maßgebend für das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem sind zunächst die allgemeinen Versicherungsbedingungen, welche durch die gegenseitigen Verpflichtungen geregelt werden, dann die besondern Klauseln, welche in Ausnahmefällen in den Vertrag aufgenommen werden, um eine besonders vorsichtige Behandlung des versicherten Gegenstandes zu veranlassen, eine Beschränkung der Ersatzpflicht zu bewirken etc.

Zwar beruhen auch die öffentlichen Anstalten insofern auf Gegenseitigkeit, als die mehr oder weniger günstigen Geschäftsergebnisse die Höhe der Prämien für die Versicherungen ratierlich bestimmen; doch unterscheiden sie sich von den privaten Gegenseitigkeitsgesellschaften im wesentlichen dadurch, daß sie landesbehördliche, durch öffentliche Beamte auf Grund von Gesetzen und Verordnungen verwaltete Institute sind. Sie genießen oft sehr wichtige Privilegien in den verschiedenen Arten des Versicherungszwanges, welchem zu ihren gunsten die Eigentümer der Immobilien unterworfen sind. Derselbe ist ein zwiefacher: ein direkter, welcher die Versicherung aller von der betreffenden Anstalt überhaupt für versicherungsfähig gehaltenen Gebäude bei diesem Institut erheischt, ein indirekter, welcher zwar den Interessenten überläßt, ob sie überhaupt versichern lassen wollen, aber, wenn sie sich dazu entschließen, die Versicherung bei der Societät verlangt. Der Zwang schafft für diese Societäten ein Monopol, z. B. im Königreich Sachsen, in Bayern, Württemberg, Baden, Hessen etc.; zuweilen wird den Interessenten gestattet, neben denjenigen Gebäuden, welche die Societäten nicht versichern wollen, auch denjenigen Wert der Versicherungsobjekte, welcher über die den Societäten zukommenden Maximalbeträge etwa hinausreichen sollte, bei Privatgesellschaften zu versichern. Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten haben nach der deutschen Konkursordnung ihrem Schuldner gegenüber wegen rückständiger Abgaben und Leistungen ein Vorzugsrecht