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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Florenz

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Florenz (Straßen, Plätze, Kirchen und Kapellen).

aber sehr reinlich, mit großen Steinplatten gepflastert. Neben den zahlreichen freundlichen, modernen Gebäuden gibt es noch finstere Denkmäler der blutigen Fehdezeit. Besonders charakteristisch sind die zwischen den gewöhnlichen italienischen Häusern sich erhebenden massiven und festungsartigen Paläste der Florentiner Großen von schwerfälliger Architektur. Quadern, oft 5-6 m lang und 2 m dick, bilden die Massen dieser Gebäude, welche ohne alle weitere Verzierung sind und mit ihrer vom Alter schwarzen Farbe einen mächtigen Eindruck machen. Türme von 32 und mehr Meter Höhe, welche einst auf diesen mit Zinnen versehenen Palästen standen, sind schon von den Medici zu Hunderten abgebrochen worden und gaben das Material zur Stadtmauer ab. Die Stadt ist in vier Quartiere: San Giovanni, Santa Croce, Santa Maria Novella und Santo Spirito, abgeteilt; der größere nördliche Stadtteil ist mit dem südlichen durch vier schöne steinerne Brücken und außerdem an beiden Endpunkten der Stadt durch Kettenbrücken über den Arno verbunden, längs dessen Ufern der prächtige, mit großartigen Gebäuden besetzte Lungarno führt, der mit den Brücken den Hauptspaziergang der Bewohner bildet. Die erste Brücke ist Ponte alle Grazie (1236 erbaut); dann folgt Ponte Vecchio (1345 erbaut), die belebteste, mit den Goldschmiedeläden und einem Verbindungsgang zwischen den Palästen Pitti und Uffizi; dann Ponte della Santa Trinitá, die schönste (1570 erbaut), und Ponte alla Caraja, die unterste. F. hat 8 Thore und 2 Citadellen, die kleinere (Belvedere) südlich am höchsten Punkte, die größere (Forte di San Giovanni Battista) am entgegengesetzten Nordende. Unter den 23 größern Plätzen sind die bedeutendsten: die Piazza della Signoria (das eigentliche Forum von F.), der Domplatz, die Piazza di Santa Croce (mit Statue Dantes), die Piazza dell' Annunziata (mit der Reiterstatue Ferdinands I. von Giovanni Bologna und zwei Brunnen), der Mercato Vecchio, der Lebensmittelmarkt und älteste Platz der Stadt, und der Mercato Nuovo, einst das Zentrum des Seiden- und Goldwarenhandels; der modernste ist die Piazza dell' Indipendenza im neuern Stadtteil.

[Kirchen und Kapellen.] Inmitten des Domplatzes erhebt sich die prachtvolle Kirche Santa Maria del Fiore oder der Dom (1296 von Arnolfo di Cambio begonnen, aber erst nach 176 Jahren durch Brunellesco mit der berühmten Kuppel versehen), in Form eines lateinischen Kreuzes erbaut, 170 m lang, 114 m breit und von der imposanten, 107 m hohen achteckigen Kuppel gekrönt. Von außen sind die Wände mit einem Tafelwerk wechselnden dunkeln und hellen Marmors überzogen; die unvollendet gebliebene Fassade wurde erst 1875-84 nach dem Plan von de' Fabris mit Berücksichtigung des ursprünglichen Plans ausgeführt; die Portale sind mit Marmorbekleidung, Basreliefs und Mosaiken von Andrea Pisano, Ghirlandajo etc. ausgestattet. Das in den kühnsten Verhältnissen angelegte Innere besteht aus dem dreischiffigen Langhaus und dem achteckigen Kuppelraum, an den sich drei große aus dem Achteck gebildete Räume als Querhaus und Chorschluß legen. Der schöne Fußboden ist in einfachen geometrischen Figuren aus Marmor gefertigt. Die Kirche enthält Meisterwerke der Skulptur von Ghiberti, Luca della Robbia, Michelangelo, Jac. Sansovino, Baccio Bandinelli u. a., Fresken und Glasmalereien. Hier wurden Konzile 1055, 1104 und 1439 abgehalten. Rechts an der Vorderseite des Doms erhebt sich der 84 m hohe, schlanke, viereckige Glockenturm (Campanile) von Giotto, ein überaus zierliches Bauwerk, das, 1334 bis 1357 erbaut, ebenfalls mit verschiedenartigem Marmor bekleidet sowie mit Reliefs und Statuen geschmückt ist und von der Plattform aus eine herrliche Aussicht gewährt. Dem Dom gegenüber steht das Battisterio oder die Taufkapelle, ein sehr alter, achteckiger Kuppelbau (er war bis 1128 Kathedrale von F.), mit Bronzearbeiten von Donatello und Andrea Sansovino und Mosaiken aus dem 13. Jahrh. geziert. Berühmt sind die drei Bronzethüren (eine von Andrea Pisano, zwei von Lorenzo Ghiberti, s. Tafel "Bildhauerkunst V", Fig. 11).

Auch von den übrigen großen Kirchen, deren man im ganzen 87 zählt, gehören viele zu den vorzüglichsten Italiens; so die ehemalige Dominikanerkirche Santa Maria Novella (1278-1360 erbaut) mit der von Alberti 1450-70 fortgesetzten Fassade und fein ornamentiertem Portal, weitem, leichtem Innenraum mit wertvollen Gemälden (Madonna von Cimabue, 1270). Fresken von Orcagna (1350), Filippino Lippi und Domenico Ghirlandajo, Kruzifix von Brunellesco und der im anstoßenden Klosterhof gelegenen Cappella degli Spagnuoli, ehedem Kapitelsaal des Klosters, 1566 den Spaniern eingeräumt; ferner die Kirche Santa Croce am gleichnamigen Platz (1294 von Arnolfo di Cambio erbaut), ursprünglich Klosterkirche, später Panthéon ausgezeichneter Florentiner, mit den Grabmälern von Michelangelo, Galilei, Machiavelli, Leon. Bruni, Alfieri, Cherubini, Marzuppini u. a., einem Ehrendenkmal Dantes schöner Kapelle von Brunellesco (Cappella dei Pazzi), Marmorkanzel von Benedetto da Maiano, Fresken von Giotto, Taddeo Gaddi u. a.; die Kirche dell' Annunziata, schon 1300 geweiht, mit zierlicher 1601 erbauter Vorhalle, einem 1453 erbauten Vorhof mit berühmten Fresken (insbesondere von Andrea del Sarto) und Kreuzgang mit herrlichem Freskobild von demselben Meister (Madonna del Sacco); die Kirche San Marco, 1436 erbaut, 1580 von Giov. Bologna im Innern restauriert, und das anstoßende ehemalige Kloster, jetzt Museo Fiorentino di San Marco, in welchem seinerzeit Fra Giov. Angelico da Fiesole, Fra Girolamo Savonarola und Fra Bartolommeo della Porta als Mönche lebten, mit den herrlichen religiösen Fresken des Fiesole und Bibliothek; die Kirche Santa Maria del Carmine mit der beim Brand von 1771 verschont gebliebenen Cappella Brancacci, welche die für die Entwickelungsgeschichte der italienischen Malerei bedeutenden Fresken von Masaccio und Filippino Lippi enthält; die Kirche di Santo Spirito, nach Brunellescos Entwurf gebaut, eine dreischiffige lichte Säulenbasilika von reicher perspektivischer Wirkung, um welche sich ringsum ein Kranz von nischenartigen Kapellen herumzieht, mit niedriger Kuppel, schöner Sakristei, Glockenturm, Gemälden von Filippino Lippi u. a. und Skulpturen von Andrea Sansovino; die Kirche San Lorenzo, um 1425 von Brunellesco ausgeführt, eine flach gedeckte Säulenbasilika mit gewölbten Seitenschiffen und einer kleinen Kuppel, zwei Kanzeln mit Bronzereliefs von Donatello, alter Sakristei mit Stuckdekoration von demselben und einer berühmten Bibliothek (Laurentiana, 1524-71 nach Michelangelos Entwurf ausgeführt), in der sich ca. 7000 Handschriften, darunter der älteste Vergil (aus dem 5. Jahrh.), befinden. Zu dieser Kirche gehören zwei Kapellen: die Cappella dei Depositi oder neue Sakristei, welche im Auftrag Leos X. von Michelangelo erbaut wurde und die Grabmäler des