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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Forstwirtschaft

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Forstwirtschaft (Geschichtliches).

ist unmöglich. Er ist bei rationellem Betrieb auch nicht erforderlich; ja, in wohlgepflegten Forsten verbessern sich die obern Bodenschichten durch die Waldabfälle bedeutend, und die tief in den Boden eindringenden, einen weiten Boden- (Wurzel-) Raum erschließenden Baumwurzeln öffnen tief liegende Schichten den Atmosphärilien, der chemischen und physikalischen Verwitterung. Die Thatsache der langsamen Bodenbereicherung in gut bewirtschafteten Forsten erklärt sich leicht. Einmal entziehen die Holzgewächse dem Boden relativ wenig Nährstoffe (namentlich Kali, Phosphorsäure kaum 0,01, wenn der Bodenentzug durch landwirtschaftliche Benutzung = 1 ist); sodann durchgraben die Wurzeln der Bäume Tiefen, in welche die landwirtschaftlichen Kulturgewächse meist nicht gelangen. Der in großen Mengen zur Bildung der Holzfaser erforderliche Kohlenstoff wird aus der Luft entnommen; der Humus, die in Zersetzung begriffenen Waldabfälle besitzen ein bedeutendes Absorptionsvermögen für Gase (Ammoniak etc.); die aus den Tiefen des Wurzelraums emporgesogenen Nährstoffe kommen in den vermodernden Blättern und Holzteilen der obersten Bodenschicht zu gute.

[Geschichtliches.] Die heutige F. ist ein Kind der Not. Jahrhundertelang erhob sich die Waldbenutzung nicht über eine bloße Okkupation der von der Natur dargebotenen Produkte, als die Landwirtschaft schon längst eine höhere Entwickelungsstufe erreicht hatte. Holz, Weide, Mast waren im Überfluß vorhanden; als eine Pertinenz der Landwirtschaft fand die Waldbenutzung wenig Beachtung. Als endlich unter dem Zwang der Verhältnisse, bei rasch anwachsender Bevölkerung und ebenso rasch wachsenden Ansprüchen an den Wald dieser selbst eine verständigere Benutzung und Pflege forderte, als die Furcht vor dem Holzmangel an alle Thüren klopfte (im 15. und 16. Jahrh.), da waren es mehrere Gründe, welche einen raschen Fortschritt auf dem Gebiet der F. hinderten, vor allen die besondere Lage des Waldeigentums und die persönliche Sonderstellung der Forstwirte. Die freie Agrar- und Gemeindeverfassung der germanischen Stämme war der veränderten Rechtsanschauung (dem Eindringen des römischen Rechts) und den feudalen Institutionen des Mittelalters zum Opfer gefallen; ein großer Teil der Waldungen befand sich im Besitz der Landesherren, geistlicher Herren und Stiftungen und wurde wesentlich im Interesse der Jagd benutzt; in den alten Mark- oder Wirtschaftsgenossenschaften der bäuerlichen Kolonen war mit der Autonomie der Gemeinsinn erstorben und ein roher Eigennutz in volle Wirkung getreten. Was von den alten Institutionen geblieben war, bestand in einer Art von gemeinsamer Waldbenutzung, jetzt aber meist in der Form drückender, oft waldzerstörender Servituten. Um den gänzlichen Ruin der Privatforsten zu verhindern, kannten die Territorialherren kein andres Mittel als die äußerste Bevormundung des Privatforstbetriebs (auf Grund des Forsthoheitsrechts, s. Forsthoheit), welche die Lust an produktiver wirtschaftlicher Arbeit und an sorgsamer Pflege der Waldungen vollends ertötete. Zur Führung der Wirtschaft in den landesherrlichen Forsten wurden Männer berufen, welche in erster Linie Jäger waren, der Wissenschaft fern standen und, von weidmännischen Interessen geleitet, oft nach ganz falschen Zielen hinarbeiteten. Aber aus diesem Jägertum entwickelte sich doch mit der Zeit eine Schule der forstlichen Empirie, welche die Grundsteine zu einer geregelten (wenn auch handwerksmäßigen) Wirtschaft im Wald legte. Um das Jahr 1700 war die Furcht vor Holzmangel im mittlern, westlichen und südlichen Deutschland allgemein. Weite Flächen in den Wäldern waren durch unverständige Holzhiebe, durch Weide, Streunutzung, Plaggenhieb etc. verödet und produktionslos geworden. Der regellose Plenterbetrieb, d. h. die ungeordnete Entnahme des Holzes, wo man es fand, und wie man es eben brauchte, gestattete weder eine nachhaltige, d. h. in periodisch oder jährlich gleichen Massen erfolgende, Holznutzung noch eine geregelte Wiederkultur. Gegen diese Regellosigkeit wendeten sich die fortgeschrittenen Jäger Beckmann, Döbel, Büchting u. a. Sie empfahlen Kahlhieb in regelmäßig aneinander gereihten Jahresschlägen mit darauf folgender Saat oder einen schlagweisen Mittelwaldbetrieb. Nach letzterm System wurden Bäume aller Altersklassen in lichtem Stand über einem stangenholz- oder buschholzartigen Unterholz erzogen. Allmählich versuchte man es, aus dem abfallenden oder abfliegenden Samen der alten Stämme und unter ihrem Schirm die Bestandsverjüngung zu bewirken und dann aus den Jungwüchsen das Altholz stufenweise herauszuplentern, indem man auch bei diesem Betrieb sich an eine Flächeneinteilung in Jahres- oder Periodenschläge anschloß. So entstand der Femelschlagbetrieb, um dessen Ausbildung sich Sarauw, G. L. Hartig und Cotta gegen Ende des 18. und im Anfang des 19. Jahrh. große Verdienste erworben haben. Eine Reihe von Forsteinrichtungsmethoden entstand, unter denen die sogen. Fachwerksmethoden (s. Forsteinrichtung) Hartigs und Cottas die allgemeinste Verbreitung gefunden haben.

Unter den verschiedenen Betriebsarten erlangte der Femelschlagbetrieb seit 1800 allmählich mehr und mehr die Herrschaft; allein die Nachteile desselben, besonders für die lichtbedürftigen Holzarten, traten so sehr hervor, daß nach 1830 für die Kiefern- und Fichtenwaldungen sowie für die Eichenforsten vielfach (namentlich im nördlichen und westlichen Deutschland) der Kahlschlagbetrieb an seine Stelle trat, jetzt aber unter gleichzeitiger Anwendung der Pflanzung zum Zweck der Begründung des Jungbestandes. Die Zeit Hartigs und Cottas (bis 1830) ist als diejenige der Herrschaft der Schulregel in der F. zu betrachten. Man hatte das empirisch Gefundene in eine Anzahl von Generalregeln zusammengefaßt und eine Forstwirtschaftslehre zusammengestellt, welche keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit machen konnte und der wissenschaftlichen Begründung entbehrte, aber ausreichend war, um den Praktikern als Richtschnur bei der handwerksmäßigen Wirtschaftsübung zu dienen, solange es sich nur darum handelte, die Wirtschaft im Wald aus der frühern Regellosigkeit zu geordneter Waldbenutzung überzuführen. Sobald dagegen die Erzielung des höchsten Wirtschaftseffekts, der höchsten Intensität der Wirtschaft, die strenge Herleitung der Wirtschaftsgrundsätze aus den maßgebenden örtlichen Verhältnissen, die tiefere wissenschaftliche Begründung derselben von dem Forstmann gefordert wurden, war die Zeit der Schulregeln vorüber (s. Forstwissenschaft). Gegen die Geltung der Generalregeln trat besonders Pfeil seit 1820 mit der ihm eignen Energie in die Schranken. Hundeshagen und Karl Heyer strebten gleichzeitig danach, die F. auf dem festen Grund wissenschaftlicher Arbeit neu aufzubauen. Gottl. König bildete besonders die Lehre von der Waldpflege, d. h. der Pflege des Bodens, der Bestände und einzelner Stämme, aus. Gegen die Kahlschlagwirtschaft wendeten sich Männer der Wirtschaft und Wissenschaft, indem sie auf die