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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Geschichte: die Karolinger).

Karte im Maßstab 1:50,000 in 950 Bl. vorbereitet; "Carte de France dressé par le service vicinal" (1:100,000, offiziell vom Ministerium des Innern, etwa 120 Sektionen erschienen); die "Carte de la France" (im Maßstab 1:320,000 in 33 Bl., 1852-1881). - Generalkarte von Vogel (1:1,500,000, in Stielers "Handatlas", 4 Bl.); Leuzinger, Physikalische und geographische Karte von F. (1:2,000,000, Bern 1880); Levasseur, France au 600,000 (12 Bl., Par. 1878) - Höhenschichtenkarten: Carte du nivellement général de la France (1:800,000, 1872, 6 Bl.); H. Pigeonnot und F. Drivet, Carte hypsométrique de la France (1:800,000, 1877, 9 Bl.). - Dufrénoy und Elie de Beaumont, Carte géologique et minéralogique de la France (1:500,000, 1841, 2. Ausg. 1855, 6 Bl. mit 2 Bdn. Text). Für die Topographie ist Joanne, Atlas de la France 2. Aufl. 1872, 95 Bl.), von Wert.

Geschichte Frankreichs.

Am Ende des 5. Jahrh. n. Chr. gründete der westdeutsche Stamm der Franken in Gallien (s. d.) das Frankenreich (s. d.), welches sich durch Eroberung allmählich über die meisten deutschen Stämme Mitteleuropas ausdehnte. Dieses Frankenreich war insofern noch ein deutsches, als seine Könige nach deutschen Gesetzen und Sitten lebten, Deutsch die Sprache ihres Hofs blieb, während allerdings die Masse des Volkes in Gallien romanisiert war. Eine besondere Existenz erlangte das alte Gallien erst wieder durch die Teilung, welche die Enkel Karls d. Gr., die Söhne Ludwigs des Frommen, 843 zu Verdun mit dem Reich ihrer Ahnen vornahmen. Während der zweite Sohn, Ludwig, die fränkischen Besitzungen östlich vom Rhein, der älteste, Lothar, Italien und die Länder erhielt, welche östlich von Reuß und Rhein, westlich von Rhône, Saône und Maas begrenzt wurden, fiel das Frankenland westlich von diesen letztern drei Flüssen (auch das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro gehörte dazu) als Westfranken dem jüngsten Bruder, Karl dem Kahlen, anheim. Damit beginnt die gesonderte Geschichte des westfränkischen Reichs, des eigentlichen F. Die Bevölkerung desselben war keineswegs eine gleichartige; es bestanden in ihr Unterschiede, welche für die gesamte französische Geschichte von Wichtigkeit geblieben sind. Den Grundstock derselben bildeten die unter der römischen Herrschaft mit römischen Elementen durchmengten und romanisierten Kelten, neben denen im Südwesten Basken, im Nordwesten, in der Bretagne, nicht romanisierte Kelten wohnten. Aber während nördlich von der Loire die in großer Menge einwandernden Franken eine bedeutende Einwirkung aus Wesen und Art der Bevölkerung ausübten, blieb in den Gegenden südlich von der Loire, wo die Franken erst später erschienen waren und sich nur in sehr geringer Anzahl niedergelassen hatten, das galloromanische Element in fast unvermischter Reinheit fortbestehen. In Sprache, Sitte und Rechtsleben unterschieden sich daher Nord- und Südfranzosen, die einander viele Jahrhunderte lang bei weitem schroffer gegenüberstanden als je die Nord- und Süddeutschen. Aus dem fränkischen Idiom der Sieger und dem verderbten lateinischen Dialekt der Gallier entwickelte sich nun eine neue Sprache, die französische, in welcher freilich die gewandtere, feinere und genauere Redeweise der geistig überlegenen Galloromanen überwog. Das erste litterarische Zeugnis, das wir von der französischen Sprache besitzen, stammt aus dem Jahr 842, also gerade aus dem Zeitraum, wo ein besonderes F. zuerst in der Geschichte erscheint.

Frankreich unter den Karolingern (843-987).

Zunächst befand sich Westfranken unter der Herrschaft der Nachkommen Karls d. Gr., der Karolinger, in sehr trüben Zuständen. Die großen Vasallen hatten in dem Krieg der drei Söhne Ludwigs des Frommen gegeneinander die Macht an sich gerissen und betrachteten den Staat als ihre Beute. Sie stürzten sich auf das Besitztum der kleinen Freien und der Kirchen und rissen es an sich, wie es ihnen gefiel. Das Königtum stand machtlos in dieser allgemeinen Verwirrung; wenn es nicht ganz zu Boden gerissen wurde, so hatte es dies lediglich dem Übermaß des Übels selbst zu danken: die großen Vasallen waren so egoistisch, so roh und einander so feindlich, daß sie sich nicht einmal zu Schritten wider ihren gemeinschaftlichen Gegner, das Königtum, zu vereinigen vermochten. Karl (II.) der Kahle (843-877), obwohl nicht ohne Begabung und voll Ehrgeiz, vermochte die innere Zerrüttung nicht zu bemeistern, zumal er auch durch die alljährlich wiederholten Raubanfälle der Normannen und der Sarazenen zu leiden hatte. Bordeaux, Paris, Nantes, Angers, Orléans und viele andre große Städte des Landes wurden von den Normannen geplündert und niedergebrannt. Der Süden Frankreichs zwischen Loire und Pyrenäen, Aquitanien, machte sich völlig unabhängig von dem König in Paris, ebenso die Bretagne. Je weniger Karl den eignen Besitz behaupten konnte, desto eifriger strebte er aber nach fremdem. Nach dem Tod seines Neffen Lothar II. teilte er ohne Rücksicht auf den rechtmäßigen Erben dessen Land, Lotharingien (Lothringen), mit seinem Bruder Ludwig dem Deutschen in dem Vertrag zu Mersen (870): Ourthe, Maas und Jura wurden die Grenzen Westfrankens gegen Ostfranken oder Deutschland. Ebensowenig Bedenken trug er, bei der Erledigung des Kaisertums 875 dasselbe seinem ältern Bruder, Ludwig, vorwegzunehmen, indem er nach Rom eilte und sich dort vom Papst Johann VIII. die Kaiserkrone aufsetzen ließ. Ja, als im nächsten Jahr Ludwig der Deutsche starb, wollte Karl sich auch Ostfrankens bemächtigen, wurde aber von dessen Sohn Ludwig dem Jüngern bei Andernach aufs Haupt geschlagen (Oktober 876), sogar 877 aus Italien vertrieben und starb auf der Flucht in einer Hütte am Fuß des Mont Cenis. Seine Nachfolger, Ludwig II. ("der Stammler", 877-879), Ludwig III. (879-882) und Karlmann (882-884), konnten den trotzigen Großen gegenüber um so weniger Einfluß üben, als ein früher Tod (das Zeichen erschöpfter Lebenskraft in der karolingischen Dynastie) sie alle wegraffte.

Inzwischen hausten die Normannen furchtbarer denn je. In ihrer Verzweiflung riefen 884 die westfränkischen Großen den Kaiser und König von Ostfranken, Karl den Dicken, auch zu ihrem Herrscher aus. Indes hatte diese neue Vereinigung des großen fränkischen Reichs keinen Bestand; denn als Karl der Dicke die Paris belagernden Normannen, anstatt sie zu bekämpfen, schmachvollerweise mit Geld zum Abzug bewog, wurde er 887 auf dem Reichstag zu Tribur abgesetzt; die zwei fränkischen Reiche trennten sich von neuem, und jedes ging fortan seinen eignen Weg. Damals sagten sich die Beherrscher von Niederburgund oder der Provence und von Oberburgund von der Herrschaft der Karolinger los und stifteten eigne Königreiche. In Westfranken selbst übergingen die Großen den einzigen noch lebenden Sohn Ludwigs II., Karl, und setzten dafür den tapfern Grafen Odo von Paris zum König ein, welcher der Enkel eines in F. angesiedelten Sachsen, Witichin, und der