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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fröbel

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Fröbel.

in Jena kameralistischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Studien. Durch den Tod seines Vaters (1802) in seinem Studium unterbrochen, wandte er sich zum Lehrfach in Frankfurt (1803) und (1808) in Iferten, wo er mit Pestalozzi in nahe Verbindung trat. 1810 nahm er in Göttingen und Berlin seine Studien von neuem auf, ward 1811 Lehrer an der Pestalozzischen Knabenerziehungsanstalt des Professors Plamann und machte sodann im Lützowschen Korps die Feldzüge von 1813 und 1814 mit. Nach der Rückkehr erhielt er eine Anstellung als Inspektor des königlichen Museums für Mineralogie in Berlin, legte jedoch 1816 diese Stelle nieder und gründete zu Griesheim bei Stadtilm eine allgemeine deutsche Erziehungsanstalt, die er bald darauf in Verbindung mit Langenthal und Middendorf nach Keilhau bei Rudolstadt verlegte, wo dieselbe in kurzer Zeit den erfreulichsten Aufschwung nahm. Sein pädagogisches System verkündete er in der formell unbehilflichen, aber gedankenreichen Schrift "Die Menschenerziehung" (Bd. 1, Keilhau 1826). Das Eigentümliche desselben ist die Betonung des naturgemäßen Fortschritts und der allseitigen Förderung aller Menschenkräfte; doch beruht es wesentlich auf Pestalozzischen Grundlagen. Nach einem zweiten Aufenthalt in der Schweiz (1831-36) widmete sich F. fast ausschließlich der Erziehung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter nach den Forderungen seines Systems, behufs deren er 1840 in Blankenburg (Thüringen) den ersten Kindergarten (s. d.) begründete, eine Anstalt, in der die Kinder durch planvoll gruppierte Bewegungs- und Geistesspiele, Sprüche, Lieder bei beständiger Berührung mit der Natur ihrem Alter entsprechend allseitig angeregt und angeleitet werden sollten. Da der Gedanke Anklang fand, gründete F. in dem ihm von der Sachsen-Meininger Regierung eingeräumten Schloß Marienthal bei Bad Liebenstein ein Seminar für Kindergärtnerinnen. Hart traf ihn das Verbot seiner Kindergärten in Preußen (7. Aug. 1851), das auch dann einstweilen in Kraft blieb, als er nachgewiesen hatte, daß es auf einer Verwechselung seiner Bestrebungen mit denen seines Neffen Karl F. (geb. 1808) beruhte, der 1850 in Hamburg eine Hochschule für das weibliche Geschlecht mit Kindergarten begründete, und von dem er sich offen losgesagt hatte, und daß sein System keineswegs im Widerspruch gegen die christliche Religion stände. Er starb 21. Juli 1852 in Marienthal. Fröbels Anregung zur sorgfältigen Beachtung der Bedürfnisse der Kinder im zartesten Alter hat sehr segensreich gewirkt. Auch in seinen Versuchen, diesem Bedürfnis gerecht zu werden, liegt viel Treffliches und Beachtenswertes neben Einseitigem und Verschrobenem. Seine Anhänger, deren Zahl in und außer Deutschland sich in dem seit seinem Tod vergangenen Menschenalter sehr vermehrt hat, haben an der Klärung seiner Ansichten und zur natürlichen Gestaltung seiner Kindergärten mit unverkennbarem Erfolg gearbeitet. Diese Anstalten unterscheiden sich infolgedessen nicht mehr wesentlich von andern Kleinkinderschulen (s. d.). Die Jubelfeier von Fröbels Geburt im J. 1882 hat seiner Schule neuen Aufschwung gegeben. Fröbels pädagogische Schriften wurden herausgegeben von W. Lange (2. Aufl., Berl. 1874) und von Seidel (Wien 1883, 3 Bde.). Vgl. Hanschmann, Friedr. F. (2. Aufl., Eisen. 1875); W. Lange, Zum Verständnis Fr. Fröbels (Hamb. 1850); Goldammer, F. F., der Begründer der Kindergartenerziehung (Berl. 1880); Hagen, Zum hundertsten Geburtstag F. Fröbels (aus dessen Briefwechsel, Leipz. 1882); Frau v. Marenholtz-Bülow, Erinnerungen an F. F. (Kass. 1876); Reinecke, F. Fröbels Leben und Lehre (Berl. 1885, Bd. 1).

2) Julius, Schriftsteller und Politiker, Neffe des vorigen, geb. 16. Juli 1805 zu Griesheim bei Stadtilm, widmete sich vorzugsweise geographischen und naturwissenschaftlichen Studien, die er in Jena und Berlin vollendete, wandte sich aber, politisch kompromittiert, 1833 nach der Schweiz, wo er ein Lehramt an der Industrieschule zu Zürich erhielt und auch an der dortigen Hochschule Vorlesungen über Mineralogie las. Eine Frucht dieser Thätigkeit waren seine "Grundzüge eines Systems der Kristallologie" (Zürich 1843; 2. Aufl., Leipz. 1847). Bereits seit 1838 Bürger im Kanton Zürich, ward er durch die Bewegungen von 1839 auf das Gebiet der Politik und zwar in die Reihen der radikalsten Opposition geführt. In dieser Richtung redigierte er eine Zeitlang den "Schweizerischen Republikaner". Um 1844 gab F. seine Professur an der Hochschule auf, um sich ausschließlich dem buchhändlerischen Betrieb des von ihm begründeten "Litterarischen Kontors" zu Zürich und Winterthur zu widmen, aus dem neben mehreren wissenschaftlichen Werken die Gedichte von Georg Herwegh, Robert Prutz und Hoffmann von Fallersleben sowie eine Reihe demokratischer Schriften hervorgingen, die in Deutschland meist verboten wurden. Geschäftsangelegenheiten führten ihn 1845 nach Preußen, von wo er ausgewiesen wurde. Indessen fand er 1847 in Dresden polizeiliche Duldung und schrieb hier das politische Drama "Die Republikaner", welches an verschiedenen Orten zur Aufführung kam. 1848 für Reuß in die Nationalversammlung geschickt, ging F. mit Robert Blum als Abgeordneter nach Wien, wurde dort mit diesem zugleich verhaftet und zum Tod verurteilt, aber von dem Fürsten Windischgrätz begnadigt. Nachdem er sich an den letzten Schritten der Nationalversammlung beteiligt hatte, siedelte er im Herbst 1849 nach Amerika über, wo er in New York eine Zeitung herausgab. Nach vorübergehendem Aufenthalt in Nicaragua kehrte er wieder dorthin zurück. Später (1855) gab er in San Francisco ein Journal heraus. Die geistigen Früchte seiner fast neunjährigen Reisen und Erlebnisse in Amerika hat er unter dem Titel: "Aus Amerika, Erfahrungen, Reisen und Studien" (Leipz. 1857-58, 2 Bde.) veröffentlicht. Nach Europa zurückgekehrt (1857), war F. eine Reihe von Jahren in Wien, dann in München litterarisch thätig, gründete an letzterm Ort 1867 die "Süddeutsche Presse", verkaufte dieselbe aber nach mehreren Jahren, trat dann in den deutschen Reichsdienst und ging als Konsul nach Smyrna und 1876 nach Algier. Seit dem Jahr 1848 ist F. im wesentlichen Politiker auf eigne Faust gewesen, welcher sich den Schein der Unstetigkeit zugezogen hat. Der ihn beherrschende Gedanke war der in der Schweiz und in Amerika von ihm liebgewonnene Föderalismus. Allmählich machte er sich jedoch von diesen Ansichten frei, und seit der Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs ist F. ein entschiedener Vertreter der Reichsinteressen gewesen. Er ist der Verfasser zahlreicher politischer Flugschriften, von welchen die bedeutenden unter dem Titel: "Kleine politische Schriften" (Stuttg. 1866, 2 Bde.) erschienen sind. Sein "System der sozialen Politik" (2. Aufl., Mannh. 1847, 2 Bde.) hat er später selbst als unreife Arbeit bezeichnet und die noch unvollendete "Theorie der Politik" (Wien 1861-64, 2 Bde.) an dessen Stelle treten lassen. Seine letzten Werke sind: "Die Wirt-^[folgende Seite]