Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gaseinatmungskrankheiten

936

Gase - Gaseinatmungskrankheiten.

herrschenden Druck ohne weiteres eintritt. Zur Beschleunigung der Absorption befindet sich in dem Gefäß ein Rührer, oder man versetzt das Gefäß selbst in schaukelnde Bewegung, um die Berührung des Wassers mit der Kohlensäure zu befördern (vgl. Mineralwässer).

Beim Arbeiten im kleinen, z. B. bei der chemischen Analyse, benutzt man eigentümlich geformte Gefäße, wie z. B. den Liebigschen Kugelapparat (Fig. 15), um den Weg, welchen das Gas durch die Flüssigkeit macht, zu verlängern und die Berührungsflächen zu vergrößern. Man kann auch ein langes, schwach knieförmig gebogenes Rohr (Fig. 16) anwenden, in dessen aufwärts gerichtetem Schenkel die Gasblasen langsam emporsteigen und gut absorbiert werden. In diesen Fällen kommen Flüssigkeiten zur Anwendung, welche das Gas chemisch binden.

Läßt man G. auf Flüssigkeiten einwirken, um eine chemische Wirkung zu erzielen, so ist ebenfalls innige Berührung Hauptbedingung. Diese erreicht man z. B. indem Oxydationsgefäß von Hargreaves (Fig. 17) auf die Weise, daß man in ein vertikales Rohr a, welches in einem cylindrischen Gefäß durch einen Siebboden bis auf den wahren Boden geht u. hier vier seitliche Öffnungen besitzt, oberhalb aber trichterförmig erweitert und mit einem Bleirohr b von halber Weite versehen ist, aus dem Rohr c Dampf von 3 Atmosphären Spannung einbläst. Der Dampf reißt durch den Trichter Luft mit sich fort, und diese strömt durch die seitlichen Öffnungen des Rohrs a aus und wird durch den Siebboden in feine Blasen verteilt. Es findet hierbei eine sehr innige Mischung statt, die Flüssigkeit gerät in lebhaftes Wallen, und die beabsichtigte Oxydation wird z. B. bei Sodarohlauge sehr vollständig erzielt. Zum Einblasen von Gasen in Flüssigkeiten benutzt man auch Ventilatoren und sehr vorteilhaft den Körtingschen Injektor, der auch zum Ansaugen von andern Gasen als Luft eingerichtet ist und z. B. in der Zuckerfabrikation bei der Saturation zum Einblasen von Kohlensäure in den Rübensaft dient. Im Großbetrieb benutzt man Kokstürme (s. Schwefelsäure), in welchen die Flüssigkeit in feiner Verteilung über Koks herabrieselt, während das Gas, welches auf dieselbe einwirken soll, unten in den Turm eintritt und der Flüssigkeit entgegenströmt. Der zum Karbonisieren von Sodalauge dienende Apparat von Ungerer besteht aus einem eisernen oder gemauerten und mit Eisenblech gefütterten Turm, welcher oben durch eine Pfanne mit Siebboden abgeschlossen ist. Von letzterm hängen mehrere Hundert Drahtseile herunter, die durch eine unten angebrachte Vorrichtung gespannt werden. In diesem Turm steigen die kohlensäurereichen Feuergase oder reine Kohlensäure auf, während die Flüssigkeit in spiraligen Streifen und mithin mit ungemein vervielfachter Oberfläche an den Seilen herabrinnt. Statt der letztern sind auch Ketten anwendbar, und Salzausscheidungen an denselben schaden nicht, weil sie einfach durch Schütteln zum Herabfallen gebracht werden können.

Zur Behandlung von Schwefelsäure mit Schwefelwasserstoff läßt man dieselbe in einem aufrecht stehenden Cylinder in feinen Strahlen springbrunnenartig aufsteigen, während gleichzeitig das Gas durch den Cylinder strömt und sich sehr innig mit der Säure mischt, oder man wendet einen Turm an, in welchem 24 Reihen von je neun, ^-förmigen Bleidächern auf Bleilatten angebracht sind. Die untern Ränder der Dächer sind fein sägezahnförmig ausgeführt, so daß die Säure in einzelnen Tropfen auf das nächsttiefere Dach fällt und verspritzt und dem von unten nach oben strömenden Gas eine sehr große Oberfläche darbietet.

Sollen G. auf G. einwirken, so genügt es, sie in denselben Raum ausströmen zu lassen, da sie sich alsbald innig mischen. Im großartigsten Maßstab geschieht dies bei der Schwefelsäurefabrikation, wo schweflige Säure, Luft, Wasserdampf und Salpetergase in Bleikammern geleitet werden. In andern Fällen wird bei Einwirkung von Gasen auf G. eine Flüssigkeit als Vermittler angewandt, so z. B. bei der Verarbeitung der Sodarückstände, wo man schweflige Säure auf Schwefelwasserstoff wirken läßt, um beide G. zu Schwefel und Wasser zu zersetzen. Man benutzt hier einen mit Holzprismen ausgelegten Turm, in welchem eine Chlormagnesium oder Chlorcalciumlösung herabrieselt, während die beiden G. unten einströmen. Bei der Darstellung von Schwefelsäureanhydrid läßt man schweflige Säure mit Sauerstoff über Platin strömen und erreicht unter Einwirkung des letztern eine direkte Verbindung der beiden G.

Gaseinatmungskrankheiten entstehen durch die länger oder kürzer dauernde Einatmung verschiedener Gase, Dämpfe und Dünste und kommen vorzugsweise bei gewissen Gewerbtreibenden vor, welche in einer mit schädlichen Gasen und Dämpfen vermischten Atmosphäre zu arbeiten genötigt sind. Die Gase und Dämpfe lassen sich bezüglich ihres Verhaltens zur Atmung einteilen in atmungsfähige und atmungsunfähige. Die erstere Gruppe umfaßt beinahe sämtliche Gasgemenge, die letztere nur wenige Gasarten, wie Chlor-, Brom-, Fluorwasserstoff-, Salpetersäure-,

^[Abb.: Fig. 15. Liebigs Kugelapparat.]

^[Abb.: Fig. 16. Absorptionsrohr.]

^[Abb.: Fig. 17. Oxydationsgefäß von Hargreaves.]