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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ged; Gedächtnis

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Ged - Gedächtnis.

und die Tiere durch Erzeugung eines luftverdünnten Raums befähigen, Mauern und steile Wände zu erklettern. Bei den meisten Arten sind scharfe, spitze, gewöhnlich auch zurückziehbare Krallen vorhanden. Die äußere Bedeckung besteht aus sehr kleinen Schuppen, zwischen denen sich größere einfügen. Unter allen Reptilien vermögen sie allein Kehlkopflaute auszustoßen. Sie finden sich in allen warmen Ländern, im Tiefland und Gebirge, im Wald, in der baumlosen Einöde und in Ortschaften, sind sehr scheu und vollkommen harmlos; doch fabelt man von ihnen, daß sie durch einen an den Haftlappen ausgeschiedenen scharfen Saft Gegenstände, über welche sie hinlaufen, vergiften, den Aussatz erzeugen, durch ihren Biß töten etc. Sie bewohnen Felswände, Bäume, Steingerölle, Gemäuer und sehr gern menschliche Wohnungen, treten meist in großer Zahl auf, sonnen sich am Tag und beginnen ihre Jagd auf Insekten und kleine Reptilien bei Einbruch der Nacht. Sie laufen geschickt an glatten Wänden und an der Decke der Zimmer, schießen schlängelnd sehr schnell fort, sind sehr unruhig, erregbar, rauflustig und setzen sich bei Verfolgungen zur Wehr. Nach der Häutung verschlingen sie die abgeworfene Haut. Der Mauergecko (Ascalabotes fascicularis Daud.), 15 cm lang, oben braun, gebändert oder einfarbig und dann wie mit Puder bedeckt, warzig, unten schmutzig gelb, schuppig glatt, findet sich in allen Mittelmeerländern, besonders häufig in Spanien, Griechenland, Dalmatien, Nordafrika. Ebendaselbst lebt auch der Scheibenfinger (Hemidactylus verruculatus Cuv.), nur 10 cm lang, mit undeutlich dreieckigen, in Reihen geordneten Schuppen und körnigen Querbändern, auf der Oberseite fleischrot, graubraun gefleckt. Der Faltengecko (Ptychozoon homalocephalon Kuhl.) ist ausgezeichnet durch eine breite Hautfalte an jeder Körperseite, welche auch den Schwanz lappig säumt, auf der Oberseite fahlbraun, schwarz in die Quere gewellt, auf der Unterseite licht graugelb, lebt auf Java. In der Gefangenschaft sind die G. sehr hinfällig. Die Alten fürchteten die G., von ihnen Stelliones genannt, wegen ihrer angeblichen Giftigkeit und verachteten sie, da sie aus Mißgunst gegen den Menschen die abgeworfene Haut, ein treffliches Mittel gegen die Epilepsie, fräßen. So wurde das Tier Sinnbild des Neides, der Arglist, des Betrugs (daher Stellionatus, ein arglistiger Betrug).

Ged (spr. dschedd), William, Erfinder der Stereotypie, war Goldschmied in Edinburg, bemühte sich seit 1725, Schriftsatz in Gips abzuformen und nach dieser Form Druckplatten zu gießen. Er verband sich 1729 mit dem Schriftgießer Fenner und dem Architekten James in London und erhielt von der Universität Cambridge ein Patent für den Druck von Bibeln und Gebetbüchern. Das Unternehmen scheiterte aber am Übelwollen der Arbeiter. G. kehrte nach Edinburg zurück, und nur durch List und unter Mithilfe seines Sohns, der die Buchdruckerei erlernt hatte, gelang die Herstellung eines Sallust (1736) und des Werkes "The life of God in the soul of man" (1742). G. starb 19. Okt. 1749.

Gedächtnis (Memoria), Erinnerungsvermögen, die Fähigkeit, Sinneseindrücke, einfache oder zusammengesetzte Empfindungen, Vorstellungen und Gemütszustände auch dann noch, wenn sie aus dem Bewußtsein entschwunden sind, möglichst unverändert aufzubewahren, so daß sie auf gegebene Veranlassung teils unwillkürlich wiederkehren, teils mit Absicht wieder hervorgerufen werden können; jenes heißt sich erinnern, dieses sich besinnen. Das G. beruht zunächst auf der Thatsache, daß jeder äußere Reiz je nach seiner Stärke einen mehr oder minder lebhaften Eindruck hinterläßt, der in einer bleibenden organischen Veränderung bestehen muß und durch öftere Wiederholung an Tiefe und Nachhaltigkeit gewinnt (Wirkung der Übung und Wiederholung). Über das innere Wesen dieser Veränderung, die man bildlich als eine Einprägung bezeichnet, kann die Wissenschaft natürlich nur Mutmaßungen aufstellen, und es liegt nahe, an gewisse molekulare Veränderungen zu denken, die das Organ geeignet machen, eine schon einmal ausgeführte Bewegung (Schwingung etc.) zum zweitenmal leichter zu vollführen, wie eine Muskelfaser dem elektrischen Strom weniger Widerstand leistet, wenn er zum zweitenmal hindurchgeleitet wird. Als einfachsten Fall haben wir das unbewußte G. zu betrachten, welches sich unter anderm in der allbekannten Anpassung des Muskel- und Nervenapparats an oft wiederholte Körperbewegungen offenbart, z. B. in der Erwerbung mechanischer Fertigkeiten durch Übung (Gehen, Tanzen, Klavierspielen, Schreiben, Sprechen). Hierbei sind anfangs mühsam mit Willensanstrengung und Aufmerksamkeit eingelernte Bewegungen schließlich dem Körpergedächtnis so einverleibt worden, daß sie völlig unbewußt und automatisch ausgeübt werden. Die Reflexbewegungen (s. d.), durch welche ein Organ irgend einem Reiz mit einer zweckentsprechenden Bewegung antwortet, z. B. der sich beim Fallen vorstreckende Arm, sind ähnliche Wirkungen eines unbewußten Gedächtnisses, dessen Sitz hier nicht im Gehirn, sondern im Rückenmark und in den Nervenknoten zu suchen ist. Da nun ferner völlig nervenlose Wesen, z. B. Protisten, oder der unentwickelte Keim eines organischen Wesens, indem er die Entwickelungsweise seiner Ahnen wiederholt, Spuren von unbewußtem G. zeigen, so hat Hering das G. als eine "allgemeine Funktion der lebenden Materie" bezeichnet, die demnach nicht ausschließlich an Nerven- und Gehirnapparate gebunden ist und im lebenden Körper beständig eine große Rolle spielt. Auch das Geistesleben der niedern Tiere, der sogen. Instinkt (s. d.), dürfte großenteils auf Anpassungserscheinungen des unbewußten Gedächtnisses beruhen.

Die höhere Stufe des bewußten Gedächtnisses stellt eine viel zusammengesetztere, wahrscheinlich nur den höhern Tieren und dem Menschen eigentümliche Fähigkeit dar, auf welcher vor allem das Identitätsgefühl (Ich), d. h. die Kontinuität unsers Bewußtseins, beruht, wie sich dies bei gewissen Erkrankungen sogleich ergibt. Ebenso wie unsre Vorstellungen aus kombinierten Ideen entstehen, muß es sich bei der Wiederbelebung derselben um die Kombination von Eindrücken handeln, weshalb auch die Erinnerungen durch ähnliche Gesetze (Ähnlichkeit, Gegensatz, Verknüpfung der Ideen) ins Leben gerufen werden wie die Vorstellungen selbst (vgl. Ideenassociation). Das Organ des bewußten Gedächtnisses, als welches wir das Gehirn anzusehen haben, nimmt in der Jugend, solange es noch nicht mit Eindrücken überlastet ist, dieselben am willigsten auf und bewahrt sie am treuesten, worauf die Lernfähigkeit der Jugend, die mit den Jahren erheblich nachzulassen pflegt, und die Festigkeit der Jugendeindrücke beruhen. Alle Eindrücke erblassen, wenn sie nicht öfters erneuert werden, mit fortschreitender Zeit. Das G. ist also gleichsam einer Registratur oder der Walze eines Phonographen zu vergleichen, in welcher niedergeschriebene oder eingeprägte Vorstellungen bis zu ihrer Wiedererweckung ruhen. Oft mangelt dem Bewußtsein nur der Zugang zu einem noch vorhandenen Eindruck, indem wir nicht die zu ihm überleitenden Eindrücke zu er-^[folgende Seite]