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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gefäßbündel

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Gefäßbündel.

mäßheit ihrer eignen Gesetze zu ordnen oder sogar (wie in Preußen) der Verwaltung freien Spielraum zu lassen, Strafen von gleicher Dauer in Einzelhaft oder in Gemeinschaft zu vollstrecken. In Holland bestimmte das Gesetz, daß ein Jahr Einzelhaft gleichzurechnen sei einer zweijährigen Gemeinschaftshaft, und auch in andern Staaten hat die Verbüßung einer Strafe in Einzelhaft im Vergleich zur Gemeinschaftshaft eine Abkürzung der Strafdauer zur Folge. Der Grundgedanke, daß Einzelhaft durchschnittlich schwerer zu ertragen ist als Gemeinschaftshaft, hat auch darin seinen Ausdruck gefunden, daß in Deutschland die Isolierung gegen den Willen der Gefangenen nicht über drei Jahre hinaus ausgedehnt werden soll. Neben der Anwendung der Einzelhaft stellt das Reichsstrafgesetz die ihr durchaus entgegenstehende Arbeit der Gefangenen im Freien gleichfalls dem Belieben der Strafanstaltsverwaltungen anheim. Auch ist die bedingte Freilassung bei den ein Jahr übersteigenden Strafzeiten zugelassen. Somit enthält das deutsche Strafgesetzbuch sämtliche Bestandteile, aus denen in organischer Verbindung sich das progressive System herstellen lassen würde. Zu den Vorzügen dieses Systems gehört auch die verhältnismäßig größere Billigkeit. Wenn auch die Kostenfrage nicht allein den Ausschlag geben soll, so ist man bei beschränkten Mitteln doch genötigt, auf dieselbe Rücksicht zu nehmen. Insbesondere aber wird man unter sonst gleichen Umständen sich für das billigste System zu entscheiden haben. Bis jetzt hat sich zwar die Einzelhaft leistungsfähiger erwiesen als die alte Gemeinschaftshaft, keineswegs aber hat sie sich besser bewährt als das irische System; sogar das Auburnsche System hat in einzelnen kleinen Anstalten (in St. Jakob bei St. Gallen) achtungswerte Ergebnisse geliefert. Der Vergleich auf der Basis der Rückfälligkeitsstatistik ist für die verschiedenen Haftsysteme noch ein sehr unsicherer. Es gibt kein Haftsystem, welches alle Verbrecher zu bessern vermag. Auch unter den günstigsten Verhältnissen wird ein Prozentsatz Unverbesserlicher übrigbleiben. Zu festern Ergebnissen wird die Gefängniswissenschaft erst dann gelangen, wenn sie auf statistischer Grundlage die Rückfälligkeitszahlen einer und derselben Verbrecherklasse vergleicht und diejenigen Verbrechergattungen ausscheidet, welche vorwiegend als das Produkt des von Zufälligkeiten und besondern Gelegenheiten beherrschten Verbrecherwillens erscheinen. Während andre Länder, wie Frankreich, England, Belgien, Holland und Italien, in bestimmten Zeitfristen statistische Ausweise über ihr G. veröffentlichen, fehlt es bis jetzt in Deutschland leider an einer planmäßig angelegten Straf- und Gefängnisstatistik.

Litteratur: Julius, Vorlesungen über die Gefängniskunde (Berl. 1828); Mittermaier, Die Gefängnisverbesserung (Erlang. 1858); v. Holtzendorff, Das irische G., insbesondere die Zwischenanstalten (Leipz. 1859); van der Brugghen, Études sur le système pénitentiaire irlandais (Berl. 1864); Füeßlin, Die Grundbedingungen der Gefängnisreform im Sinne der Einzelhaft (Leipz. 1865); Derselbe, Die Einzelhaft (Heidelb. 1855); v. Valentini, Das Verbrechertum im preußischen Staat (Leipz. 1869); Bruun, Die Vollziehung der Strafarbeit (a. d. Dän. von Elvers, Heidelb. 1870); Bähr, Die Gefängnisse in hygieinischer Beziehung (Berl. 1871); Beltrani-Scalia, Sul governo e sulla riforma delle carceri (Turin 1867); Dalcke und Genzmer, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnisverwaltung in Preußen (Berl. 1881); Starke, Das belgische G. (das. 1877); Wines, State of prisons etc. in the civilized world (Cambridge i. Massach. 1880); "Handbuch des Gefängniswesens in Einzelbeiträgen" (hrsg. von Holtzendorff und v. Jagemann, Hamb. 1886 ff.); "Blätter für Gefängniskunde" (hrsg. von Ekert, Heidelb., seit 1864); "Vereinshefte des Nordwestdeutschen Verbandes für G." (Oldenb. 1878); "Allgemeine deutsche Strafrechtszeitung" (Leipz. 1861-73) und die Verhandlungen der internationalen Kongresse für G., seit 1872; "Rivista delle discipline carcerarie" (hrsg. von Beltrani-Scalia, Turin u. Rom, seit 1871); "Bulletin de la Société générale des prisons" (Par., seit 1877).

Gefäßbündel (lat. Fasciculi vasorum, Fibrovasalstränge, Leitbündel), in der Pflanzenanatomie die vorwiegend aus Gefäßen (s. d.) und aus langgestreckten, faserförmigen, sogen. Prosenchymzellen zusammengesetzten Gewebestränge, welche das Innere aller Teile der Pflanze durchziehen und von den Wurzelenden an durch Wurzeln, Stengel bis in die Blätter, Blüten und Früchte einen zusammenhängenden Verlauf haben. Es sind diejenigen festern Stränge, welche wir vielfach beim Zerreißen, Zerquetschen etc. von Pflanzenteilen wahrnehmen. Sie finden sich, wenngleich in verschiedener Vollkommenheit der Ausbildung, bei den meisten stammbildenden Gewächsen; nur den Moosen fehlen sie noch, aber von den Farnkräutern an werden sie bei allen Gefäßkryptogamen und Phanerogamen ausnahmslos angetroffen. In den Wurzeln findet sich ursprünglich nur ein einziges, zentrales G., nur in Ausnahmefällen mehrere Gefäßstränge. In den Stämmen der Farne erscheinen die G. entweder als axiler Strang, oder als geschlossene, innen markführende Röhre, oder auch in Form mehrerer konzentrischer Bündelringe und Ringabschnitte, oder als zerstreute Bündel neben einem einfachen Bündelrohr. Das Bündelrohr der Farne nimmt dadurch, daß es unterhalb der Anheftungsstelle jedes Wedels eine Lücke hat, oft die Form eines Maschennetzes an, von dessen Rändern die in die Wedel ausbiegenden G. sich abzweigen. Bei den meisten Dikotyledonen stehen die G. in den Stengeln (Fig. 1) in einem Kreis, in die Blätter tritt allemal ein ganzes G. oder mehrere zugleich aus; die dadurch in dem Kreis entstehenden Lücken werden wieder ausgefüllt durch neue G., welche über der Austrittsstelle als Zweige von einem benachbarten Bündel sich ablösen (Fig. 2). In vielen Monokotyledonenstengeln, zumal in den Stämmen der Palmen, sind die G. auf dem Querschnitt scheinbar regellos (Fig. 3) im innern

^[Abb.: Fig. 1. Querschnitt eines Stengels der Erbse, unten in natürlicher Größe, oben eine Hälfte vergrößert. a Epidermis, h Rinde, c Bast, d Kambium, e Holz, f Mark.]